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«Alles was zählt» gegen «Verliebt in Berlin» - das Duell der Serien

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Irgendwie fühlt man sich in diesen Tagen wieder in seiner Kindheit zurückversetzt. Was hat man da nicht für Streiche ausgeheckt? Zum Beispiel beim Baden: Das machte mit einer halben Flasche Badeschaum gleich viel mehr Spaß – so war die Schaumschlacht gleich mit inbegriffen. Dass Badlampe und Spiegel danach zumindest auch eingeschäumt waren – Nebensache. Schaum entsteht aus Seife – und eine wahre Seifenschlacht gibt es ab Montag auch im Fernsehen. Denn dann duellieren sich am Vorabend der beiden größten deutschen Privatsender zwei Telenovelas und zwei Daily-Soaps.

Begonnen hatte alles Ende Februar 2005. Sat.1 nahm als erster Privatsender eine eigenproduzierte Telenovela, also eine Liebesgeschichte mit garantiertem Happy End, ins Programm auf. Alexandra Neldel spielte darin die Hauptrolle und verkörperte Lisa Plenske, ein Mädchen aus Göberitz, das nach Berlin kommt und im Modeunternehmen Kerima anheuert. Schon am ersten Tag verliebt sie sich in David Seidel, der aber leider bereits schon vergeben ist. Lisa selbst hat aber kaum Chancen bei David, was nicht zuletzt an ihrer großen Brille, der Zahnspange und ihrer molligeren Figur liegt.

«Verliebt in Berlin» wurde zum Publikumsrenner – die Telenovela war so erfolgreich, dass Sat.1 die Serie sogar um ein halbes Jahr verlängerte. Dem direkten Konkurrenten, RTL, war das gar nicht recht, denn seit der Ausstrahlung der Telenovela brachen die Quoten des Vorabend-Urgesteins «Explosiv» ein. Am 1. September steht die Hochzeit von Lisa auf dem Programm – wen sie heiratet, David oder Rokko, ist strengstens geheim. So viel steht in jedem Fall fest: Alle drei Hauptdarsteller werden die Serie verlassen. Doch die Geschichte rund um das Modeunternehmen Kerima ist noch nicht zu Ende erzählt. Am 4. September schickt Sat.1 einen Nachfolger ins Rennen: Bruno, Lisas Halbbruder, taucht in Berlin auf – er ist auf der Suche nach seinem leiblichen Vater. In weiteren Folgen soll fortan die Liebesgeschichte von Bruno und Nora erzählt werden. Neben einigen neuen Darstellern werden auch einige altbekannte Gesichter der Serie erhalten bleiben: Unter anderem wird Familie Seidel (samt Tochter Kim) weiterhin für Trouble sorgen, Kioskbesitzer Jürgen ein offenes Ohr haben und Bösewichtin Sophie weiterhin Intrigen spinnen.

„Dass Lisas Halbbruder Bruno (Bild) mit seiner Art bei Kerima und natürlich in Göberitz für Aufregung sorgt, ist logisch. Wenn ein Chef eine Firma verlässt, kommt es häufig dazu, dass sich neue Allianzen bilden, dass es Leute gibt, die das Bewährt-Erfolgreiche fortsetzen wollen, aber auch Menschen, die eine Chance für Macht und Karriere wittern und diese dann versuchen, gnadenlos durchzusetzen“, sagt Sat.1-Sendersprecherin Kristina Faßler zu Quotenmeter.de. Auch Lisas Aufstieg bei Kerima sei nicht unkompliziert gewesen. „Sie hat Freunde und Feinde, und die werden sich nach ihrem Weggang teilweise neu positionieren.“

Erstmals in Deutschland hat eine Telenovela fortan einen männlichen Hauptdarsteller. Egal ob «Bianca» oder «Julia» (Bild), «Sturm der Liebe» oder «Lotta in Love» - stets war die Hauptfigur weiblich. Dass nun ein Mann im Mittelpunkt steht, möchte man in Berlin aber auch nicht überbewerten: „Wir haben uns zuallererst für eine Geschichte entscheiden, von der wir glauben, dass sie die «Verliebt in Berlin»-Fans interessiert, und dass diese nun eine männliche Hauptperson hat, ist sicherlich spannend und ein Novum im deutschen Fernsehen“, so Faßler. Viel wichtiger sei gewesen, einen Hauptdarsteller zu finden, der der Herausforderung, einen sympathischen Hochstapler zu spielen, gerecht werden könne. Tim Sander, der zuvor schon bei «Gute Zeiten, schlechte Zeiten» oder «Unter den Linden» mitspielte, sei hierfür die Idealbesetzung.

Sat.1 ist aber auch auf einem anderen Gebiet ein Vorreiter: Noch nie wurde in einer Telenovela in Deutschland eine Fortsetzung nach der Hochzeit der ersten Hauptperson angeboten: Wie groß ist das Risiko, das da mitschwingt? „Das kann man verschieden bewerten“, lautet die Antwort aus Berlin. Tatsache sei, dass «Verliebt in Berlin» ein großes Fanpublikum habe und diese Menschen zumindest daran interessiert seien, wie es in der Welt von Kerima weitergehe und was für ein Typ Lisas Halbbruder sei. „Eine neue Telenovela oder Daily Soap muss sich einen Fanstamm immer erst aufbauen. Hier hat die Fortsetzung von «Verliebt in Berlin» einen deutlichen Vorteil“, so Kristina Faßler im Gespräch mit unserer Redaktion. Ein Vorteil gegenüber der neuen RTL-Soap «Alles was zählt». Eines kann Kristina Faßler den Fans versprechen – langweilig wird’s in der Welt von Kerima auch im nächsten Jahr nicht: „Wir haben bei der Entwicklung der Geschichte sehr darauf geachtet, dass wir Neues bieten, dass neue spannende Geschichten sich entwickeln, aber dass auch die vertraute Welt erhalten bleibt. Das war auch in den vergangenen 1,5 Jahren das Erfolgsrezept von «Verliebt in Berlin» und das soll so bleiben.“ Die alles entscheidende Frage wird sein: Wie viele Menschen lassen sich auf die neue Liebesgeschichte zwischen Bruno und Nora ein? Die Antwort erhalten wir am Dienstagmorgen.

Genau an diesem Punkt setzt jedoch der Marktführer RTL an. Schließlich gibt es auch keine bessere Möglichkeit, Sat.1 hier Zuschauer abzunehmen. Exakt am 4. September, dem ersten Werktag nach der „Ära Lisa Plenske“ schickt RTL seine dritte Daily-Soap ins Rennen. Eine Soap, wie es sie bisher noch nicht gab. «Alles was zählt» ist moderner als ihrer Vorgänger und erzählt vor allem die Geschichte von Diana, die als Inline-Kurier arbeitet, aber Eisläuferin werden möchte. Diese Chance bekommt sie vom Imperium Steinkamp – wo sie sich sofort in Julian verliebt.

„«Alles was zählt» kommt genau zum richtigen Zeitpunkt und mit großer gesellschaftlicher Relevanz: zwei Familien, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, arm und reich, Arbeits- und Privatwelt, Intrigen und Humor und eine wunderbare Liebesgeschichte zeigen soziale Realität und geben uns Raum zum träumen,“ erklärt RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger. Besonders stolz sei er, ein starkes Ensemble gefunden und starke Geschichten entwickelt zu haben. Die Hauptrolle der 23-jährigen Diana Sommer übernimmt Tanja Szewczenko, die mehrmals deutsche Meisterin im Eiskunstlauf war und zudem reichlich Soap-Erfahrung hat: Von 2002 bis 2005 spielte sie eine Hauptrolle in der RTL-Soap «Unter uns».

Auch wenn die Liebesgeschichte von Diana und Julian, der natürlich zunächst vergeben ist, an eine Story von typischen Telenovelas erinnert, RTL legt größten Wert darauf, eine Daily-Soap zu produzieren. „Parallele Handlungsstränge geben uns die Möglichkeit, Geschichten auf verschiedenen Ebenen und perspektivisch langfristig zu erzählen“, so Tom Sänger (Bild) im Gespräch mit Quotenmeter.de. Eine Happy-End-Garantie, wie es bei «Verliebt in Berlin» der Fall ist, gibt es bei der neuen RTL-Soap nicht. „Wir wollen den Zuschauern doch an dieser Stelle nicht den Spaß und die Spannung nehmen, indem wir erzählen, wie die Liebesgeschichte ausgeht. Was zwischen den beiden und ihren Familien passiert, kann man ab Montag, den 4. September, 19.05 Uhr verfolgen“, so Sänger. Prinzipiell gehe es in der Serie ja aber nicht nur um eine Liebesgeschichte, sondern auch um die Sorgen und Probleme des restlichen Ensembles.

Der Schritt, vollkommen gegen den Trend zu schwimmen, und nach Jahren eine neue Daily Soap an den Tag zu bringen, darf durchaus als mutig beschrieben werden. Überhaupt taten sich neue tägliche Serien in der Vergangenheit schwer. Tom Sänger: "Wir haben den Markt und das kurzlebige Genre Telenovela genau beobachtet, bessere Alternativen entwickelt und uns auf unsere Kernkompetenz Soap konzentriert: Unser großer und nachhaltiger Erfolg mit «Gute Zeiten, schlechte Zeiten» und «Unter Uns» geben uns Grund genug, eine weitere tägliche Serie zu etablieren“, so der Unterhaltungschef des Senders. „Mit «Alles was zählt» und «Gute Zeiten, schlechte Zeiten» bieten wir jetzt den Zuschauern und Soap-Fans eine ganze Stunde fiktionale Unterhaltung am Vorabend.“

Auch der Ort an dem die Geschichte spielt, unterscheidet sich deutlich von anderen Formaten, die bislang in München, Köln oder Berlin beheimatet waren. «Alles was zählt» erzählt jedoch vom Leben in Essen – und das, obwohl in Köln gedreht wird. „Das Ruhrgebiet ist mit rund 5,3 Millionen Einwohnern einer der größten Ballungsräume Europas, hat Tradition und Moderne, Wohlstand und Konflikte. Es ist das lebensnahe Setting unserer Geschichte um zwei Familien, arm und reich, Arbeits- und Privatwelt“, begründet Sänger die Entscheidung, die Soap in Essen anzusiedeln. In Köln-Ossendorf werde gedreht, weil der Sender dort die nötigen Studio-Kapazitäten und das erfahrene Team, das für die aufwändige Produktion einer täglichen Serie erforderlich sei, habe. Diverse Außenaufnahmen werden allerdings in Essen gedreht. „«Alles was zählt» ist nicht künstlich und abgehoben, sondern nah an den Menschen - dafür steht auch eine Region wie das Ruhrgebiet“, verspricht Sänger im Quotenmeter.de-Interview.

Ein Teil des Außensets soll eine Eishalle sein – denn schließlich will Diana hart dafür trainieren, eine gute Eiskunstläuferin zu werden. Auch ihre direkte Konkurrentin in der Liebe und auf dem Eis, Jenny, verbringt einige Zeit ihres Lebens auf dem rutschigen Untergrund. Aus diesem Grund hat sich das Produktionsteam zwei Vormittage in der Woche die Trainingshalle des DEL-Vereins „Kölner Haie“ gemietet. „Wir arbeiten hervorragend zusammen“, resümiert Sänger nach den ersten Wochen. Und gerade in diesem Punkt sieht RTL einen Vorteil zu anderen Produkten des Genres: „Durch die perfekte Logistik und die große Nähe von Studio und Außenlocation hat AWZ einen deutlich größeren Außendrehanteil als vergleichbare Sendungen in diesem Genre“, erklärt Tom Sänger.

Sowohl «Verliebt in Berlin» als auch «Alles was zählt» wird von Grundy Ufa produziert. Für Rainer Wemcken (Bild), Geschäftsführer der Produktionsfirma, dürfte es am Montag spannend werden, denn einerseits geht nicht nur «Verliebt in Berlin» erstmals ohne die bisherige Hauptdarstellerin Alexandra Neldel auf Sendung, zum anderen feiert auch die neue RTL-Soap «Alles was zählt» Premiere. Die Brisanz liegt in den Sendezeiten: «Alles was zählt» beginnt zehn Minuten vor der Sat.1-Telenovela und überschneidet sich auch noch mit der neuen Sat.1-Serie «Schmetterlinge im Bauch».

Wemcken hat bereits eine Lösung für Zuschauer, denen die Entscheidung schwer fällt: „Vielleicht werden jetzt wesentlich mehr Fernsehgeräte mit Splitscreenfunktion verkauft“, meint er gegenüber Quotenmeter.de. Probleme dürfte es außerdem beim Daumendrücken geben, denn wenn eine der Serien erfolgreich läuft, könnte die andere stark darunter leiden. Dennoch sieht Rainer Wemcken dieses Problem nicht. Im Gespräch mit Quotenmeter.de zeigte er sich optimistisch: „Wir hoffen natürlich, dass beide Serien über 20 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen liegen und die Zuschauer bei anderen Sendern abholen.“

Seit mehr als 13 Jahren erzählt das Babelsberger Produktionsunternehmen mit Produktionsstandorten in Berlin, Köln, Babelsberg und Budapest nun bereits laufend neue Geschichten und schafft damit für den deutschen und ungarischen TV-Markt erfolgreiche Programmmarken. Spezialisiert auf die Formate Daily Soap, Telenovela und Weekly Drama nimmt Grundy Ufa eine führende Stellung im Bereich der industriellen Serienproduktion in Europa ein.

Dass sowohl «Verliebt in Berlin» als auch die neue Soap «Alles was zählt» Erfolg haben können, glaubt der Geschäftsführer von Grund Ufa schon. Seiner Meinung nach handelt es sich um zwei „komplett unterschiedliche Programmfarben“.

Sollte das Wagnis nach den ersten Folgen sowohl für RTL als auch für Sat.1 aufgegangen sein, dürfte die verantwortliche Produktionsfirma ebenfalls freuen, schließlich wäre man dann bereits für sechs tägliche Serien verantwortlich - von weiteren wöchentlichen Formaten ganz zu schweigen. Dennoch hält sich Rainer Wemcken dezent zurück, wenn es um das Thema „Zufriedenheit“ geht: „Wir sind immer dann zufrieden, wenn unsere Serien gut laufen.“ Reines Auftragsvolumen sei für Grundy Ufa kein Maßstab, beteuert er.

Und so wächst die Spannung weiter - spätestens am Dienstag zeigt sich, ob die gewagte Rechnung aufging. Auch RTL erhofft sich - ähnlich wie Sat.1 - eine Verbesserung am Vorabend. Seit dem Start von «Verliebt in Berlin» musste das tägliche Magazin «Explosiv» deutlich Federn lassen. Das läuft nun übrigens in direkter Konkurrenz zum Sat.1-Pendant «Blitz». Wenn das nicht mal eine gute Abwechslung ist.

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