Die Kritiker

«Herzjagen»

von

Was, wenn das Herz auf einmal so kann, wie es sollte? Aber man sich an den Status als kranke Person gewöhnt hat?

Hinter den Kulissen

  • Regie und Drehbuch: Elisabeth Scharang (nach der Novelle von Julya Rabinowich)
  • Darsteller: Martina Gedeck, Rainer Wöss, Anton Noori, Ruth Brauer-Kvam, Alexander E. Fennon, Inge Maux u.a.
  • Kamera: Jörg Widmer
  • Schnitt: Alarich Lenz
  • Musik: Thomas Jarmer
  • Redaktion: Julia Sengstschmid (ORF), Klaus Lintschinger (ORF), Amke Ferlemann (BR)
  • Produktion: Lotus-Film (Produzenten: Tommy Pridnig, Peter Wirthensohn) in Koproduktion mit ORF und BR, gefördert von Fernsehfonds Austria und Filmfonds Wien
Frei nach der fast gleichnamigen Novelle von Julya Rabinowich erzählt das Fernsehdrama «Herzjagen» von einer Frau, der sich die Gelegenheit bietet, sich von einer Krankheit zu lösen, die bisher ihr Leben dominiert hat. Doch das führt zugleich dazu, dass sie um ihre Identität bangt – oder darum, was sie für ihre Identität hält …

Caroline Binder (Martina Gedeck) hat seit vielen Jahren ein schönes Zuhause, eine funktionierende Ehe – und ein chronisch krankes Herz. Herzspezialist Paul Hoffmann (Anton Noori) verspricht seiner Patientin zwar sichere Heilung durch eine etwas riskante, aber letztlich doch routinemäßige OP-Methode. Aber Caroline hat Angst. Sie will nicht wie ein Stück Fleisch aufgeschnitten werden und fühlt sich unsicher: Wo kommt sie während der Narkose hin? Und sie hat unterschwellige, tiefer gehende Ängste:

Ängste, was mit ihr passieren soll, wenn die Krankheit weg ist, nach der sie ihr ganzes Leben ausgerichtet hat. Sie gab ihren Beruf auf. Sie lebt im langsamen Schongang, der für sie zu einer heimeligen Schutzweste geworden ist. Und der langsam-sinnliche Sex mit ihrem Mann Sebastian (Rainer Wöss) ist für sie zur einzigen, aber auch denkbar schönsten Option in Sachen Erotik geworden. Wer ist Caroline, wenn sie sich nicht mehr mit jeder Faser nach ihrer Krankheit ausrichtet ..?

Wie sehr Carolines Leben von Dauerentschleunigung abhängig ist (zunächst gesundheitlich, später, weil sie denkt, sich nur so wohlzufühlen), wird in «Herzjagen» sehr stimmungsreich und findig durch den Soundtrack verdeutlicht: Der entspannte, ruhige Score von Thomas Jarmer wird durchsetzt von langsamen, sanften Instrumental-Coverversionen von Popklassikern. Dadurch erreicht Regisseurin Elisabeth Scharang eine gedämpfte Atmosphäre, mit der sie uns in die Position ihrer Protagonistin Caroline versetzen möchte.

Und auch die oft abgedunkelten, in Blautönen gehaltenen (und nur sehr gezielt-sporadisch aufhellenden) Stimmungsbilder des Schauplatzes Wien (Kamera: Jörg Widmer) tragen dazu bei, uns in Carolines gedämpftes, von ihren Herzsorgen dominiertes Leben zu versetzen. Damit trägt die Ästhetik teils mehr dazu bei, Carolines Handeln nachvollziehbar zu skizzieren, als das Skript selbst:

Wie sehr sich Caroline anfangs gegen eine Behandlung wert, und wie sehr sie daraufhin in eine Krise verfällt, obwohl sie sich befreit fühlen müsste, ist zuweilen schwer nachvollziehbar – die von Gedeck ebenso getragen wie nachdrücklich verkörperte Herzpatientin ist schon arg eigensinnig geraten.

Das wird im Laufe des Films zu einer Stärke von «Herzjagen», macht den Einstieg in dieses Drama allerdings schwierig. Wieso sollte man mit einer eigentlich klugen Frau mitfühlen, die sich völlig irrational gegen eine Behebung ihrer Sorgen wehrt? «Herzjagen» macht schleichend nachvollziehbar, wie sehr Caroline in ihren Erfahrungen und ihren Anpassungsmechanismen gefangen ist – und umso berührender sind die Momente, in denen ihr Glück unmissverständlich und hart erkämpft ist.

«Herzjagen» ist am 17. Juni 2020 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.

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