Die Kino-Kritiker

«Enzo und die wundersame Welt der Menschen» - Noch ein Hundefilm? Ja, bitte!

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Basierend auf dem internationalen Bestseller «The Art of Racing in the Rain» erzählt Simon Curtis‘ Tragikomödie «Enzo und die wundersame Welt der Menschen» ein Leben aus Hundesicht nach.

Filmfacts: «Enzo und die wundersame Welt der Menschen»

  • Start: 3. Oktober 2019
  • Genre: Tragikomödie
  • FSK: 6
  • Laufzeit: 109 Min.
  • Kamera: Ross Emery
  • Musik: Volker Bertelmann, Dustin O'Halloran
  • Buch: Mark Bomback
  • Regie: Simon Curtis
  • Darsteller: Milo Ventimiglia, Kevin Costner, Amanda Seyfried, Kathy Baker, Gary Cole, Martin Donovan
  • OT: The Art of Racing in the Rain (USA 2019)
Ein Blick auf aktuelle Kinotrends lässt einen den Eindruck gewinnen, Filme in denen Tiere eine nicht unwesentliche Rolle spielen, haben sich zum neuen Allheilmittel entwickelt. In Deutschland erleben Familienfilme über Pferde dank «Ostwind» und Co. eine Renaissance, das Genrekino legte kürzlich mit dem Alligator-Schocker «Crawl» einen Überraschungshit vor und dann sind da ja auch noch Hundegeschichten wie «Bailey», die trotz widriger Entstehungsumstände und ungünstiger Vorzeichen sogar eine Fortsetzung erhielten, einfach weil sie auf ihrem Gebiet wirklich erfolgreiche Zahlen vorweisen konnten. Nun erscheint mit «Enzo und die wundersame Welt der Menschen» die Verfilmung eines bislang in 38 Sprachen übersetzten Weltbestsellers in den Kinos, in dem ebenfalls das Schicksal eines Vierbeiners im Mittelpunkt steht. Der nach dem Gründer des Automobilimperiums Ferrari benannte Hund Enzo nimmt sein Publikum darin mit durch sein Leben als Mittelpunkt einer Familie.

Durch Enzos Augen durchleben wir all ihre Höhen und Tiefen, die mit fortlaufender Spieldauer immer bittersüßer werden und trotzdem nie den Silberstreif am Horizont aus den Augen verlieren. So abgeschmackt das klingt, so aufrichtig trägt Regisseur Simon Curtis («Goodbye Christopher Robin») die unaufgeregte Geschichte in Form einer Tragikomödie vor, an deren Ende man tatsächlich ein klein bisschen weiser das Kino zu verlassen scheint.



Mit den Augen eines Hundes


Enzo ist ein gutmütiger, im Stillen vor sich hin philosophierender Hund (im Original gesprochen von Kevin Costner), den eine tiefe Freundschaft mit seinem Besitzer Denny Swift (Milo Ventimiglia) verbindet. Als aufstrebender Formel-1-Fahrer nimmt Denny seinen vierbeinigen Freund häufig mit an die Rennstrecke, wo Enzo über die Jahre einen tiefen Einblick in das Wesen der Menschen erhält. Er begreift, dass die Techniken, die auf der Rennstrecke angewendet werden, auch von Nutzen sein können, die Stürme des Lebens erfolgreich zu navigieren. Und diese Stürme kommen Schlag auf Schlag, als Denny sich in die wunderschöne Eve (Amanda Seyfried) verliebt. Die beiden heiraten, bekommen eine gemeinsame Tochter namens Zoe (Ryan Kieran Armstrong) genießen ihr Leben gemeinsam an der Seite ihres besten Freundes Enzo. Doch die Zeiten der Harmonie sollen rasch vorbei sein, als ein tragischer Schicksalsschlag die Familie vor große Herausforderungen stellt…

Das Kinoplakat von «Enzo und die wundersame Welt der Menschen» wirbt mit „Vom Studio von «Marley & Ich»“. Diesen Vergleich nicht anzustellen, wäre ganz schön fatal, denn beide Filme verfolgen letztlich dieselbe Idee. Zwar lässt die Off-Erzählung des Hundes Enzo (im Deutschen übrigens von Kevin Costners Stammsynchronsprecher Frank Glaubrecht eingesprochen) eher Vergleiche zu «Bailey – Ein Freund fürs Leben» zu – dazu kommen wir später. Doch wie schon im Falle von «Marley und ich» geht es bei «Enzo» gar nicht so sehr um nervenaufreibende Ereignisse oder zu bewältigende Probleme, die einer stringenten Dramaturgie folgen. Nein, auch «Enzo und die wundersame Welt der Menschen» ist viel eher ein Beiwohnen alltäglicher Situationen, in deren Mittelpunkt erst ein Single-Mann, dann ein Pärchen und später eine kleine Familie stehen. Die sich auf der Leinwand entspinnenden Ereignisse ergeben sich aus der Situation heraus und scheinen nur selten einen gezielten dramaturgischen Zweck zu erfüllen.

Dass man mit den Figuren auf der Leinwand dennoch mitfiebert, wenn sie sich durch die Höhen, erst recht aber durch die niederschmetternden Tiefen des Lebens zu schlagen haben, liegt ganz einfach daran, dass Drehbuchautor Mark Bomback («Planet der Affen: Survival») nicht nur bei der Figurenzeichnung auf Nahbarkeit und Sympathie setzt, sondern sich die emotionalen Niederschläge manchmal so rapide auf das Zusammenleben der Familie auswirken, dass man trotz des behutsam-konsequenten (Skeptiker würden sagen: überraschungsarmen) Aufbaus jederzeit nachfühlen kann, wie sich die Protagonisten gerade fühlen mögen.

Das menschliche Drama im Mittelpunkt


Die Probleme, mit denen sich die kleine Familie hier konfrontiert sieht, sind darüber hinaus aus dem Leben gegriffen. Krankheiten und gerichtliche Streitigkeiten sind nur ein Teilaspekt dessen, womit sich Eve und Denny auseinandersetzen müssen. Doch auch der erzählerische Überbau rund um die Welt der Formel 1 (der Roman trägt im Original nicht umsonst den deutlich poetischeren Titel «The Art of Racing in the Rain») kommt nicht zu kurz. Simon Curtis gelingt es mit Leichtigkeit – auch dank seines hochengagiert aufspielenden Hauptdarstellers Milo Ventimiglia («Manhattan Queen») – die Begeisterung für den Rennsport aufs Publikum sowie die im Training angewandten Fähigkeiten auf die Bewältigung von Alltagsproblemen zu übertragen. Dafür wendet das Skript hier und da auch etwas plumpere Gleichnisse auf; hin und wieder kommen einzelne Ratschläge und Erkenntnisse von Seiten Enzo nicht über die Tiefe simpler Abreißkalendersprüche hinaus.

Gleichzeitig nimmt sich Curtis aber gerade durch den Hund als Erzählstimme einige Rechte zur Vereinfachung heraus. Zumal dank des gleichermaßen leidenschaftlichen wie in sich ruhenden Voice-Overs von Kevin Costner respektive Frank Glaubrecht die allzu große Verniedlichung ausbleibt. Störte insbesondere am ersten «Bailey»-Film ja noch die mit grobem Pinselstrich herausgestellte Naivität des alles beobachtenden Hundes, vereinfacht Enzo in seinem Abenteuer die Dinge zwar hier und da, begreift große Zusammenhänge aber wesentlich rascher, als noch sein von Florian David Fitz synchronisierter Hundekollege.

Hierdurch sagt sich «Enzo und die wundersame Welt der Menschen» – ähnlich wie schon «Marley & Ich» – vom Status des für jede Altersklasse geeigneten Familienfilms los und richtet sich vornehmlich an Erwachsene. Natürlich ist auch in Simon Curtis‘ Film immer mal wieder Luft für einige amüsante Momente mit dem vierbeinigen Hauptcharakter, doch letztlich stehen dann eben doch die familiären Dramen der Swift-Familie im Mittelpunkt. Neben Milo Ventimiglia als gleichermaßen für seinen Sport wie für seine Lieben brennender Formel-1-Fahrer besticht in der Rolle der als Lehrerin arbeitenden Ehefrau und Mutter Eve die umwerfende Amanda Seyfried («Mamma Mia 2: Here We Go Again») einmal mehr mit ihrer Natürlichkeit. Insbesondere im Mittelteil gelingen der Mimin einige besonders einprägsame Szenen, in denen ihre Figur mit innerer Stärke körperliche Zerbrechlichkeit zu überspielen versucht und den Umständen entsprechend glaubhaft daran scheitert. Auch die Newcomerin Ryan Kiera Armstrong («Es: Kapitel 2») überzeugt mit ihrem ungezwungenen Auftreten vor der Kamera, die in der Interaktion mit ihren erwachsenen Kollegen ganz besonders aus sich herauskommt.

Ergänzt wird dieses stimmige Ensemble nur noch mit Enzo selbst. Und obwohl die Geschichte aus seiner Perspektive erzählt wird, hat man nie das Gefühl, die Macher würden die Wichtigkeit der menschlichen Schicksale dem Niedlichkeitsfaktor eines alles kommentierenden Hundes unterordnen. «Enzo und die wundersame Welt der Menschen» erzählt eben ganz einfach aus dem Leben. Aus dem Leben mit Hund.

Fazit


In «Enzo und die wundersame Welt der Menschen» geht es eigentlich um Nichts und dann wieder doch um alles. Die Verfilmung des gleichnamigen Romans ist ein herrlich unkitschiges Familiendrama, erzählt aus den Augen eines Hundes, das durch seinen vierbeinigen Erzähler zwar durchaus an Niedlichkeit gewinnt, über diese aber nicht vergisst, den ernsten, bisweilen tottraurigen Themen genug Aufmerksamkeit zu widmen.

«Enzo und die wundersame Welt der Menschen» ist ab dem 3. Oktober in den deutschen Kinos zu sehen.

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