«Eine himmlische Familie» gehörte in den späten 1990er- und frühen 2000er-Jahren zu den erfolgreichsten, aber auch moralisch eindeutigsten Familienserien im US-Fernsehen. Die Geschichte um die siebenköpfige Pfarrersfamilie Camden war ein Quotenmagnet für The WB – ein Sender, der sich damals über Serien wie «Dawson’s Creek», «Buffy» oder «Charmed» definierte. In Deutschland lief die Serie lange Zeit erfolgreich bei VOX. Wer heute allerdings über «7th Heaven» spricht, redet nicht mehr über saubere Familienwerte, sondern über einen der größten Skandale der amerikanischen TV-Geschichte. Denn 2014 wurde ein Audiomitschnitt öffentlich, in dem Stephen Collins, Darsteller des Familienvaters Reverend Eric Camden, zugab, Minderjährige sexuell belästigt zu haben. Innerhalb weniger Stunden war das einstige Wohlfühlformat verbrannt. Kaum eine Serie hat ein nachträglich so zerstörtes Vermächtnis.Doch selbst ohne den späteren Skandal: Das Ende von «Eine himmlische Familie» war bereits chaotisch genug. Die Serie sollte nach Staffel 10 enden – mit einem großen, runden Finale. Doch dann passierte etwas Unerwartetes, das sowohl Fans als auch die Produktion überrumpelte: The WB fusionierte mit UPN zu The CW, und der neue Sender brauchte dringend Programm, das stabil lief. Also entschied sich The CW, die Serie für eine 11. Staffel wiederzubeleben – obwohl sämtliche Beteiligten bereits Abschied genommen hatten. Das führte zu kreativen Brüchen, ausgedünnten Casts, unlogischen Entwicklungen und Storylines, die so erzwungen wirkten, dass selbst langjährige Fans ratlos zurückblieben.
Der ursprüngliche Plan war klar: Staffel 10 sollte das Ende sein. Barry Watson, der als Matt Camden früh zum Teenie-Star wurde, war bereits nur noch sporadisch zu sehen. Jessica Biel, seit Jahren ein Hollywood-Nachwuchstalent, war schon lange ausgestiegen. David Gallagher (Simon), der das Fanherz der Serie maßgeblich geprägt hatte, konzentrierte sich zunehmend auf Filmprojekte. Adam LaVorgna, Ashlee Simpson, Tyler Hoechlin, George Stults – viele kamen und gingen, viele wurden reingeschrieben, rausgeschrieben, ersetzt oder sporadisch für Spezialfolgen zurückgeholt. Die Serie war zu diesem Zeitpunkt längst ein rotierendes Ensemble, bei dem jede Episode zum Überraschungsei wurde: Wer ist noch da, wer nicht, wer spielt heute gerade Tante, Babysitter oder Halb-Dauergast?Bereits die späteren Staffeln litten stark unter sinkenden Budgets. Die einst große Camden-Familie wurde zunehmend ausgedünnt, um Gagen zu sparen. Figuren verschwanden plötzlich über Monate, erhielten Off-Screen-Erzählungen oder wurden nur noch am Telefon erwähnt. Beverly Mitchell (Lucy) blieb zwar verlässlich, doch selbst sie bekam zunehmend dünne Handlungsstränge, die häufig um ihre Rolle als junge Pastorin kreisten. Gleichzeitig versuchte die Produktion, mit neuen Figuren frischen Wind hereinzubringen – etwa durch die Prominenten der 2000er wie Ashlee Simpson, die als Cecelia eine Art neue Teenie-Linie einführen sollte. Doch jeder neue Charakter fühlte sich eher wie ein Lückenfüller an und weniger wie ein organischer Teil der Serie.
Staffel 10 hatte dennoch einen Abschluss, der sich wie ein echtes Ende anfühlte. Die Camdens verabschiedeten sich, die Familienentwicklungen wurden logisch zu Ende erzählt, und der Ton der Serie kehrte ein letztes Mal zur familiären Wärme zurück, die die frühen Staffeln ausgezeichnet hatte. Doch dann kam die Entscheidung des neuen Senders: Weiter geht’s. Und diese Entscheidung erwies sich als fatal für die Serie.
Die 11. Staffel von «Eine himmlische Familie» ist heute ein Paradebeispiel dafür, wie man eine in sich geschlossene Serie an einem Punkt künstlich verlängert, an dem keine organische Erzählstruktur mehr existiert. Stephen Collins blieb zwar an Bord, doch viele seiner Serienkinder nur eingeschränkt. Simon tauchte kaum noch auf, Matt und Mary praktisch gar nicht. Lucy erhielt künstlich verlängerte Pastorinnen-Geschichten, während Eric Camden – dessen Rolle eigentlich Hauptfigur war – plötzlich weniger im Mittelpunkt stand als je zuvor. Die Budgetkürzungen waren deutlich sichtbar: Weniger Sets, weniger Außendrehs, weniger Extras, weniger komplexe Episoden. Die Serie verlor ihren erzählerischen Kern und lebte zunehmend von Moralpredigten, die selbst für «7th Heaven»-Verhältnisse überzeichnet waren.
Viele Fans wussten ab diesem Zeitpunkt tatsächlich „gar nichts mehr“. Die Serie wirkte wie ein Echo ihrer selbst – vertraut, aber leer. Die Camdens wirkten wie Pappfiguren, die durch Handlungsstränge schoben, die eigentlich längst erzählt waren. Die Teenie-Storylines hatten keinen echten Bezug mehr zu den Camden-Kindern, weil die meisten bereits aus der Serie geschrieben worden waren. Stattdessen wurden neue Teenager eingeführt, die erneut für „gute Werte“ kämpfen sollten – nur eben ohne den Charme der Originalfiguren.
Das Finale der 11. Staffel versuchte dann erneut, ein Ende zu gestalten. Doch anders als Staffel 10 war es kein natürlicher Abschluss. Stattdessen war es ein halbgarer Ausstieg, der mehr Fragen offenließ als beantwortete. Die Camdens beschlossen, mit einem Wohnmobil durchs Land zu reisen, um anderen Familien zu helfen – ein Ende, das so unpassend wirkte, dass man sich fragte, wie eine Serie, die einst über den Alltag einer großen Patchworkfamilie erzählt hatte, plötzlich zu einem Road-Mission-Konzept mutierte. Es war ein Serienende, das weniger erzählerischer Abschluss war als vielmehr eine Notlösung für ein Format, das längst keine klare Richtung mehr hatte.
Und dann kam der Skandal, der die Serie im Nachhinein vollständig zerstörte. 2014 wurde ein Mitschnitt veröffentlicht, in dem Stephen Collins zugibt, mehrere Minderjährige sexuell belästigt zu haben. Sofort distanzierten sich ehemalige Kolleginnen und Kollegen. Wiederholungen der Serie wurden aus dem Programm genommen, DVDs verschwanden aus dem Handel, Streamingdienste entfernten die Serie in Teilen. Jessica Biel und andere Stars der Serie reagierten bestürzt, aber betonten auch, dass sie nichts von den Vorfällen gewusst hätten. Der Skandal rückte die gesamte Serie in ein anderes Licht – nicht wegen des Inhalts, sondern wegen des Mannes, der im Zentrum stand. Ein Serienvater, der moralisch predigte, während der Schauspieler dahinter eine schwerwiegende kriminelle Vergangenheit hatte.
Damit ist die Geschichte von «Eine himmlische Familie» ein doppeltes Scheitern: ein erzählerisches und ein moralisches. Die Serie wäre schon ohne den Skandal als überdehntes, chaotisches TV-Relikt in Erinnerung geblieben, das nach Staffel 10 ein würdiges Ende hatte und danach künstlich weiterlebte. Doch durch die Enthüllungen um Stephen Collins wurde sie endgültig zum Tabu. Eine Serie, die einst das Ideal der amerikanischen Kleinstadtfamilie darstellen wollte, wurde zum Symbol für die Heuchelei ihres eigenen Hauptdarstellers. Das macht «Eine himmlische Familie» zum seltenen Fall einer Serie, deren Ende niemand mehr feiern will – weder das erzählerische noch das reale.







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