Die Kritiker

Ohne Möhring geht es rund in «Stralsund»

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Nach über einem Jahr kehrt die Krimireihe «Stralsund» auf die Fernsehschirme zurück. Ohne Wotan Wilke Möhring läuft es qualitativ gesehen gar nicht so schlecht.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Katharina Wackernagel («Das Adlon») als Nina Petersen, Alexander Held («Die Päpstin») als Karl Hidde, Michael Rotschopf («Kriminaldauerdienst») als Gregor Meyer, André M. Hennicke («Sophie Scholl – Die letzten Tage») als Klaus Ewert, Michaela Caspar als Maren Fenske, Wanja Mues («GSG 9») als Max Morolf, Anke Retzlaff als Sabine Lieber, Harald Schrott («Allein gegen die Angst») als Michael Broder und Jasmin Gerat («Kokowääh») als Martina Görges


Hinter den Kulissen:
Regie: Lars Gunnar Lotz, Buch: Martin Eigler, Sven Poser, Musik: Oliver Kranz, Kamera: Jan Prahl, Schnitt: Darius Simaifar, Produktion: Network Movie, Film- und Fernsehproduktion Wolfgang Cimera

Selbst für deutsche Krimireihen ist es ungewöhnlich, wenn zwischen zwei filmischen Episoden über ein Jahr vergeht: Es war noch im Jahr 2013, als das ZDF den bis dato letzten Fall der Ermittler aus «Stralsund» zeigte. Das erst am letzten Januartag 2015 eine neue Folge auf den Sender geht, hat dabei einen einfachen Grund: Eigentlich gab man im Juni 2013 bekannt, dass die Serie keine Fortsetzung finden soll, weil Hauptdarsteller Wotan Wilke Möhring anderweitige Verpflichtungen (Stichwort: «Tatort») habe. Aus qualitativer Hinsicht jedenfalls war das nicht überaus bedauernswert, gerade Möhrings Inszenierung wirkte zum Ende hin eher seltsam. Doch beim ZDF entschied man sich nach einiger Zeit dann doch, die Reihe fortzusetzen – ohne Möhring versteht sich. Unter dem Titel «Kreuzfeuer» ermittelt nun das Team rund um Katharina Wackernagel in der Rolle der Nina Petersen.

Doch wer die vorangegangenen Episoden gesehen hat, der weiß auch, dass die Geschichte um Möhring nicht wirklich ein Ende gefunden hat, mit dem man es einfach gut sein lassen könnte. Für Beobachter der Reihe wäre es mehr als nur unglücklich, über die Abwesenheit der vormaligen Hauptfigur einfach hinwegzugehen. Weil die allerdings ohnehin zum Ende des letzten Falles ins Gefängnis einfahren musste, wäre es recht einfach, jedoch zugleich nicht wenig unbefriedigend, so man sagen würde, dass Benjamin Lietz (so der Rollenname) einfach in ein Gefängnis weiter weg verlegt wurde. Hat man aber nicht. Anstatt dessen finden sich immer wieder Gründe, warum Nina Petersen, die Lietz seinerzeit mehr als nur nahe Stand, „ihren“ Benjamin nun doch nicht sehen kann, obwohl es doch eigentlich geplant war. Leider allerdings wirken diese Umstände in Summe doch arg konstruiert.

Insgesamt waren die Drehbuchautoren sehr intensiv damit beschäftigt, die Rahmenhandlung voranzutreiben. Bis auf die kleineren genannten Schwächen wird das auch sinnig und spannend umgesetzt. Und so wirkt auch der große Anteil an Rahmenhandlung im Vergleich zur Episodenhandlung nicht unangebracht. Viel mehr ist die Mischung – gerade aufgrund der längeren Pause – optimal gewählt. Deutlich bemerkbar macht sich hier auch der Wechsel des Regisseurs: Hat in den ersten fünf Fällen stets Martin Eigler das Zepter in den Händen gehalten, übernahm für den neuesten Film Lars Gunnar Lotz.

Erzählt wird die Geschichte von zwei Streifenpolizisten, die eigentlich nur Routinearbeit leisten, als sie ein Auto anhalten. Doch die Situation eskaliert, der männliche Teil der Streife muss sein Leben lassen, der weibliche Part wird vom Fahrer kurzerhand mitgenommen. Schnell stellt sich heraus: Ein Motiv hinter den Morden könnte der Hass auf Polizisten und Uniformierte sein. Während das Team um Nina Petersen die Suche nach dem Täter aufnimmt, konfrontiert ihr Chef sie mit ihrer instabilen psychischen Situation. Wer an dieser Stelle allerdings die vorangegangenen Fälle nicht verfolgt hat, der wird die Hintergründe kaum verstehen. Um allerdings in der Handlung insgesamt mitzukommen reicht es dennoch allemal: Hochkomplex ist die Story zumindest nicht.

Was die Episode anbelangt geht es mit einer wilden, aber spannend inszenierten Schießerei weiter, auch im Folgenden kommt die Action nicht zu kurz, wirkt dabei aber stets glaubhaft. Zu verdanken ist das insbesondere Katharina Wackernagel, die ihre Figur stark spielt. Sie ist zugleich das überzeugendste Ensemblemitglied. Kollege Alexander Held als Karl Hidde spielt manchmal überraschend, aber stets sehr überzeugend und ist damit ebenfalls positiv zu bemerken. Insgesamt hat man fast das Gefühl, der Cast spielt nach dem Abgang Möhrings ein Stück weit befreit auf. Freilich wäre eine solche Aussage aber als rein spekulativ zu betrachten.

Kleinere Unglaubwürdigkeiten schmerzen dabei nur wenig. Ausgerechnet eine klassische Schwäche tritt aber auf: Der extrascharfe Zoom. Warum Krimiautoren so oft meinen, sie müssten aus einem mäßig scharfen Bild einen ultrascharfen Kleinstausschnitt filtern, wird wohl allen Zuschauern ein ewiges Rätsel bleiben. Nicht nur deswegen allerdings ist dieser Fall ein klassischer Krimi. Manchmal bekommt man fast den Eindruck, dass er ein wenig zu klassisch ist: Gelegentlich wirkt der Film wie in ein Korsett gepresst. Das ist schade, weil unnötig. Dem Gesamteindruck ist dies aber dennoch nur wenig abträglich. Und wenn es doch minimal schadet, wird der Zuschauer durch das Finale entschädigt. Erst denkt man nämlich, dass das „End“ eventuell ein wenig zu „happy“ ist. Warum es doch nicht so ist, begreift man erst einige Momente später. Hier ist ein gelungener finaler Kniff angewendet worden.

Ob das Fehlen des prominenten Ex-Hauptdarstellers, die kreative Pause oder der Wechsel des Regisseurs entscheidend waren, ist nicht abschließend zu klären. Jedenfalls lässt sich sagen, dass der neueste Fall der Kripo Stralsund deutlich besser anmutet, als sein direkter Vorgänger. Sollte es in dieser Kontinuität weiter gehen, mag der Reihe eine ordentliche Zukunft bevorstehen – zumindest die Grundsituation lässt das zu. Wenn die Abwesenheit Möhrings nicht allzu konfus erzählt wird und ordentliche Kriminalfälle aufgetischt werden, gibt es vermutlich nicht wieder allzu schnell eine solch lange Pause zwischen zwei Filmen. Wotan Wilke Möhring dürften so jedenfalls nur absolute Fans des Mimen vermissen, nicht aber gemeine Krimi-Freunde.

«Stralsund – Kreuzfeuer» ist am Samstag, 31. Januar um 20.15 Uhr im ZDF zu sehen.

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