Die Kritiker

Altbackenheit als Leitmotiv

von

Ziemlich klischeehaft und muffig geht's beim «Tatort» aus Köln diese Woche zu.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Klaus J. Behrendt als Max Ballauf
Dietmar Bär als Freddy Schenk
Joe Bausch als Dr. Roth
Christian Tasche als Staatsanwalt von Prinz
Kathi Angerer als Gabi
Juliane Köhler als Lydia Rosenberg
Suzan Anbeh als Natascha Klein

Hinter der Kamera:
Produktion: Colonia Media
Drehbuch: Maxim Leo
Regie: André Erkau
Kamera: Gero Steffen
Ballauf und Schenk sind altmodische Typen. Wenn es eines gibt, das man aus ihrer neuen Folge mitnehmen kann, dann das.

Sie ermitteln diesmal im Umfeld einer kuriosen Online-Partnerschaftsvermittlung namens Lovecast. Deren Geschäftsführerin Natascha Klein liegt eines Morgens tot in ihrem Büro. Zusammen mit ihrem Business-Partner Gerd Machnow hatte sie einen Algorithmus entwickelt, mithilfe dessen sich für einen Kunden der ideale Partner aus der Datenbank finden lässt. So soll sich die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die vermittelte Beziehung nicht gleich wieder in die Brüche geht. Ziemlich schräg, finden auch Ballauf und Schenk. Seine Frau habe er noch ganz klassisch in einer Bar kennen gelernt, meint letzterer. Auch ein enttäuschter Kunde darf sich zu Wort melden und sein Sätzchen „Das fühlte sich alles nicht echt an“ aufsagen, während sich die beiden Kommissare, geeint in ihrer Verachtung für Algorithmen, bemüht-polemisch ein Rückgaberecht bei Nichtgefallen ausdenken. Internet, mathematische Formeln statt blindem Zufall, nee, das ist nichts für die beiden. Mensch, damals, als man Frauen noch in Bars kennen gelernt hat.

Während so beim Zuschauer das leicht verdiente „Recht ham se“ abgeholt werden soll, spinnt sich der Plotfaden zur ersten Spur: Ein Heiratsschwindler hat Lovecast an den Rand einer PR-Katastrophe gebracht, nachdem er unter verschiedenen Accounts drei Frauen um den Finger gewickelt und ihnen anschließend die Konten leergeräumt hat. Gut, dass der neue Franziska-Ersatz, die tollpatschige Aushilfe Gabi, sich prompt als Lockvogel anbietet. Noch besser, dass man an dieser Figur direkt erkennen kann, wie man sich beim WDR diese Assistentinnen so vorstellt: Waren zuvor in der Falschgeldabteilung, wirken den alten Hasen gegenüber erst ziemlich schüchtern, stecken sie am Schießstand dann aber in die Tasche. Stille Wasser als dramaturgisches Leitmotiv – blöd, dass sie in „Wahre Liebe“ nicht sonderlich tief sind.

Stattdessen gibt es Pathos, entweder voll auf die Zwölf oder vermengt mit dem Versuch, ihn ironisch zu brechen. Gleich am Anfang zum Beispiel, wenn Natascha Klein im Voice-Over über theatralisch aufsteigenden roten Herzchen-Ballons jedes Klischee über Liebe und Algorithmen runterrattern darf, das einem über einem «Tatort»-Drehbuch halt so einfällt. Je schmieriger desto plumper desto besser, so die WDR-Logik.

Fast alles wirkt völlig einfallslos zusammengenagelt: Enttäuschte Liebe, enttäuschte Ehemänner, enttäuschte Lover, enttäuschte Kollegen, in allen altbekannten Variationen, ideenlos, abgehalftert. Und natürlich ein Meer an Floskeln und Phrasen, von „Das fühlte sich alles nicht echt an“ bis hin zu „Wozu? Sie denken doch sowieso, dass ich es war?“ Das ironiefrei erzählte Erwartbare wird beim Kölner «Tatort» zum konzeptuellen Eckpfeiler.

Die moderne Welt, die hier auf Online-Dating und obskure Algorithmen reduziert wird, ist etwas zutiefst Seltsames, Fremdes und Eigenartiges. Wie toll lässt sich da die frühere Zeit verklären, wo man Frauen noch in Bars kennen gelernt hat und Algorithmen einem noch nicht die Tour vermasselten. Und der pensionierte ARD-Zuschauer soll am «Tatort»-Abend dann sagen: Recht ham se.

Alle anderen haben da schon weggeschaltet. Irgendwo anders hin, wo es nicht so gewollt altbacken, so gezwungen klischeehaft zugeht. Irgendwohin, wo ältere Herren über etwas Sinnigeres reden dürfen, als darüber, wie geil das damals war, als man seine Mädels noch in Bars kennen gelernt hat.

Recht ham se.

Das Erste zeigt «Tatort – Wahre Liebe» am Sonntag, den 28. September um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/73415
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