Die Kritiker

«Endlich Witwer»: Man weiß erst, was man hat, wenn man es nicht mehr hat

von

Kurz nach der Dieter-Hallervorden-Komödie «Mein Freund, das Ekel» zeigt das ZDF eine weitere Komödie über einen grantigen alten Herren, in dem sich etwas Gutes versteckt.

Cast und Crew

  • Regie: Pia Strietmann
  • Drehbuch: Martin Rauhaus
  • Darsteller: Joachim Król, Anneke Kim Sarnau, Friederike Kempter, Tristan Seith, Andreas Hoppe, Moritz Hoyer, Peter Jordan, Hilmar Eichhorn, Dieter Hallervorden
  • Kamera: Florian Emmerich
  • Schnitt: Sandy Saffeels
  • Musik: Martina Eisenreich
Erst meckerte sich Dieter Hallervorden durch eine ZDF-Komödie mit ernsten Zwischenklängen, nun ist Joachim Król am Zug: In der ZDF-Tragikomödie «Endlich Witwer» dreht sich alles um den grantigen Kunstrasenfabrikanten Georg Weiser, der seine Gattin nicht ausstehen kann. Sie meckert ihm zu viel (während alle, die ihn kennen, ironischerweise ihn als den größten Knurrhahn von allen erachten) und würde viel zu stark über seinen Alltag bestimmen. So verstopft sie mit ihren Vorräten den Kühlschrank, so dass er sein Bier mit Eiswürfeln trinken muss. Und ihre Fernsehprogrammwahl erst ..! Daher erklärt er ihr eines Tages in einem langen Monolog, dass er ihr Scheidungsgesuch dankend akzeptiert. Zu spät, jedoch. Denn am Ende seines Monologs erkennt er, dass seine Frau entschlafen ist.

Den Tod seiner Frau empfindet er zunächst als Befreiung, statt als Unglück. Endlich kann er ihren Tinnef und ihre piefigen Decken rausschmeißen und sich ein fettes Soundsystem kaufen. Der tragisch errungene, vermeintliche Seelenfrieden hält jedoch nicht lange. Denn zwischen Georg und seinem Sohn Gerd flammt ein alter Streit neu auf, während sich Tochter Susanne ununterbrochen um ihn zu kümmern versucht. Und dann kreuzt auch noch die neue Haushaltshilfe Gisela Rückert, auf, die ihm Lebenslektionen erteilt …

Von dieser Situation ausgehend erzählt Regisseurin Pia Strietmann («Blaumacher», «Tage, die bleiben») eine ebenso gewitzte wie einfühlsame Dramödie über Familiensinn, den simplen, und dennoch so oft vergessenen Umstand, dass wir erst dann erkennen, was wir haben, wenn es weg ist, und über einen Misanthropen, der Empathie und das Glücklichsein erlernt. Dabei erweist sich das Besetzen der Hauptrolle mit Joachim Król als Volltreffer: Diese Verfilmung eines Martin-Rauhaus-Drehbuches profitiert enorm davon, wie scheinbar mühelos der gefeierte Darsteller mehrere Emotionslagen zu vereinen weiß. Wenn Król in «Endlich Witwer» als ewiger Stinkstiefel rummotzt, tut er dies zumeist mit einer dezent amüsierten Melodie in der Stimme:

Man glaubt gerne, dass Georg nicht wirklich alles und jeden hasst, sondern beispielsweise bei seinem Eröffnungsmonolog ins Schwadronieren geraten ist und denkt, mit bösem Humor seine Botschaft launiger zu gestalten. Gleichzeitig ist Georg aber so tief in diesem ewig gleichen "Ist doch nur Spaß, aber, eigentlich meine ich schon, was ich sage, nur nicht exakt so"-Tonfall festgefahren, dass man es seinen Kindern prompt abkauft, wenn sie darüber klagen, wie unausstehlich und rechthaberisch er als Vater ist und dass seine Frau ihnen zu Lebzeiten vorjammerte, den Tyrannen nicht länger auszuhalten.

Dank Króls ebenso kurzweiligem wie überzeugend-fiesem Spiel und der geschliffen geschriebenen Meckermonologe schafft «Endlich Witwer», woran manche Stinkstiefel-Dramödien scheitern: Der Protagonist ist als unausstehlicher Meckerfritze glaubwürdig und dennoch als Film-Hauptfigur ansprechend – oft genug fällt eine dieser Variablen ab. Die Leistung Pia Strietmanns darf allerdings keinesfalls unterschätzt werden: Gewiss, ohne Król wäre dieser Film schwer vorstellbar, zumal er die sukzessive, schleichende "Menschwerdung" dieses Ekels berührend und plausibel durch eine stete, minimale Aufhellung seines Spiels so gut verkauft. Aber ohne Strietmanns tonale Balanceakt rund um Króls Spiel würde auch diese Schauspielleistung auf wackligen Beinen stehen.

Strietmann lässt mit einem ruhigen Schnitt wiederholt Raum, um eine Szene, einen Satz, einen Blick atmen zu lassen und gegebenenfalls mit sämtlicher Widersprüchlichkeit auf das Publikum zu wirken. So werden die tonalen Nuancen deutlich, sei es, dass ein gemeiner Spruch trotz aller Boshaftigkeit einfach einfallsreich und daher lustig sein kann, oder in einem Vater-Kind-Streitgespräch genügend Luft bleibt, um sich zwar auf eine Seite zu schlagen, die andere aber wenigstens ein Stück weit nachzuvollziehen. Darüber hinaus erzeugen Strietmann und ihr Kameramann Florian Emmerich Mitgefühl für diesen Fiesling, indem sie den Film oft in engen Bildern erzählen, mit vergilbter Lichtgebung und nur sehr spärlich gesetzten, ansprechenden Anblicken: Obwohl Rauhaus' Skript keine Zweifel daran lässt, dass Georg sich nicht immer so anstellen sollte, und obendrein die überhöht-kitschige Gesamtläuterung ausbleibt, erzeugt die Bildsprache ein gewisses Grundverständnis für seinen trüben Weltblick.

Der punktgenaue Gastauftritt des Darstellers eines anderen ZDF-Ekelpakets und die zurückhaltende, grundsympathische und gleichzeitig spürbar jeglicher Geduld für den Film-Papa beraubte Darbietung von Friederike Kempter und Tristan Seith als Georgs Kinder, sowie eine sehr leise Optimismus verbreitende Anneke Kim Sarnau als Georgs starrsinnige Haushälterin runden diese Dramödie ab: «Endlich Witwer» ist eine dieser TV-Dramödien, nach denen man sich fragt: "Wieso geht das nicht öfter so!?"

«Endlich Witwer» ist am 13. Mai 2019 ab 20.15 Uhr im ZDF zu sehen.

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