Die Kino-Kritiker

Das spektakuläre Scheitern von «Im Netz der Versuchung»

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Mit einer absurden Idee und einer traumhaften Kulisse versucht sich Regisseur Steven Knight in «Im Netz der Versuchung» an einem Noir-Thriller alter Schule, kombiniert ihn allerdings mit einer Thematik, die ihn vermutlich zum größten Quatschfilm des Jahres macht.

Filmfacts: «Im Netz der Versuchung»

  • Start: 2. Mai
  • Genre: Thriller
  • Laufzeit: 106 Min.
  • FSK: 12
  • Kamera: Jess Hall
  • Musik: Benjamin Wallfisch
  • Buch & Regie: Steven Knight
  • Darsteller: Matthew McConaughey, Anne Hathaway, Diane Lane, Jason Clarke, Djimon Hounsou, Jeremy Strong
  • OT: Serenity (USA 2019)
Es gibt eine grundlegende Frage bei der Definition eines „Trashfilms“: Müssen die Macher einmal ernsthafte Absichten gehabt haben, an denen sie grundlegend gescheitert sind, sodass Dinge wie Budget und die Qualität der Darsteller keine Rolle spielen? Oder zäumt man das Pferd von hinten auf und nur, was wirklich billig und ambitionslos gemacht ist, vielleicht sogar mit dem Ziel, ein sogenannter Trashfilm zu sein, hat dieses Prädikat auch wirklich verdient? Vermutlich liegt die Antwort irgendwo dazwischen, in diesem Fall wählen wir aber klar erstere Definition, denn «Im Netz der Versuchung» bringt eigentlich alles mit, um ein hochklassiger Thriller zu sein – ist er aber nicht. Was auch immer Regisseur Steven Knight («No Turning Back») mit seinem in den USA krachend gescheiterten Projekt anvisiert hat: Es hat nicht funktioniert. Und das sogar auf so hanebüchene Weise, dass sich die Hauptdarsteller selbst mittlerweile von ihrem Projekt distanziert haben. Matthew McConaughey («White Boy Rick») und Anne Hathaway («Ocean’s 8») fühlten sich von der PR-Abteilung im Stich gelassen, die entgegen früher Ankündigungen auf eine umfangreiche Presse- und Marketingtour verzichteten, obwohl die beiden Megastars dieser bereits zugestimmt haben.

Auch ein breiter US-Start mit großer Kopienanzahl erfolgte entgegen der Empfehlung McConaugheys; sehen wollte den Film am Ende Niemand. Dabei muss man «Im Netz der Versuchung» eigentlich gesehen haben, um zu glauben, was sich Steven Knight hierbei gedacht hat. Was genau das ist, darüber lässt sich nur spekulieren.

Mörderpläne auf hoher See


Baker Dill (Matthew McConaughey) hat sich auf eine scheinbar paradiesische Insel zurückgezogen, wo er mit seinem Boot, unterstützt von seinem Maat Duke (Djimon Hounsou), Touristen zum Hochseefischen rausfährt. Zurück an Land stattet er meist seiner Geliebten Constance (Diane Lane) einen Besuch ab und beschließt die Abende in der örtlichen Hafenspelunke. Dies findet unerwartet ein Ende, als eine neue Figur in dem täglichen Spiel aufkreuzt: Baker Dills mysteriöse Ex-Frau Karen (Anne Hathaway). Verzweifelt bittet sie ihn um Hilfe. Baker soll ihren gewalttätigen neuen Ehemann Frank (Jason Clarke) umbringen. Karen fleht Baker an, Frank mit auf sein Boot zu nehmen und ihn für eine großzügige Entlohnung auf hoher See über Bord zu werfen. Um ihres gemeinsamen Sohnes willen…

Vorausgesetzt, man würde sich in einigen Jahren noch an «Im Netz der Versuchung» erinnern, dann sähe eine Kurzbeschreibung vermutlich so aus: „War das nicht der Film, in dem Matthew McConaughey die ganze Zeit angelt?“. Diese Aussage fasst natürlich nur einen Bruchteil dessen zusammen, worum es in dem im Original «Serenity» betitelten (Noir-)Thriller geht, aber es ist nun mal das Erste, was im Kopf bleibt – Matthew McConaughey frönt in der Geschichte nämlich wirklich einen Großteil seiner Screentime dem Angelsport. Und wenn er das gerade nicht tut, dann spricht er eben (möglichst kryptisch verschachtelt) darüber. Das hat zwar im Gesamtkontext alles irgendwie seinen Sinn, aber solange man nicht weiß, welche Idee hinter alldem steckt, wirken die ausgiebigen Angel-Odysseen schon mal unfreiwillig komisch. Überhaupt wirkt sehr viel an «Im Netz der Versuchung» unfreiwillig komisch, denn allzu lange bleibt offen, ob Steven Knight nun eine Parodie auf das Genre des Noir-Thrillers beabsichtigt.

Oder schlimmer noch: Meint er das alles ernst, scheitert aber wiederum an der Ernsthaftigkeit? Haben seine konsequent overactenden Schauspieler für den Film all ihr darstellerisches Talent – wortwörtlich – über Bord geworfen? Wie überragend muss die Idee hinter dem großen Ganzen sein, damit am Ende doch sämtliche noch so merkwürdigen Erzählstränge Sinn ergeben, die Knight mit der Zeit aufmacht. Der Berg an Andeutungen ist schon vielversprechend.

Was soll das?


So viel können wir verraten: Indem Steven Knight im finalen Drittel einen spektakulär-bekloppten Twist aus dem Hut zaubert, bei dem einem Hören und Sehen vergeht, ordnen sich die rückblickend vermeintlich sinnlosen Andeutungen zwar schon einer Art Masterplan unter. Gleichzeitig driftet «Im Netz der Versuchung» aber auch in erzählerische und inszenatorische Sphären ab, die den Film zu etwas ganz anderem werden lassen, als es das Marketing verspricht. Aus dem bis dato „nur“ lahmen, sich in Redundanz und dämlichen Dialogen verlierenden Thriller, der dieser Genrebezeichnung aufgrund soeben benannter Schwächen eigentlich gar nicht gerecht wird, entpuppt sich ein Film, der seine innere Logik außerhalb der Realität findet; und in dieser wiederum konsequent inkonsequent bleibt. Vor allem in den letzten zehn Minuten zelebriert Steven Knight eine absolut irre Entwicklung unter dem Deckmantel einer um Tiefsinnigkeit bemühten Botschaft, dass man ihm bei so viel Mut zur Hau-Drauf-Harmonie eigentlich schon fast wieder beglückwünschen möchte.

Doch die Rechnung geht nicht auf. Figuren handeln inkonsequent, innerfilmische Regeln werden nach Belieben variiert und auf den Kopf gestellt; von dem, was im wahren Leben möglich ist, ganz zu schweigen. Doch geschenkt: «Im Netz der Versuchung» ist – soviel kann verraten werden – letztlich ein Science-Fiction-Film. Das ist aller widrigen Erzählumstände zum Trotz regelrecht faszinierend.

Am ehesten ginge «Im Netz der Versuchung» womöglich noch als Langfilmfassung einer «Black Mirror»-Episode durch. Nur dass Steven Knight sowohl erzählerisch als auch inszenatorisch lange Zeit etwas völlig Anderes zu beabsichtigen scheint. Mit seiner Geschichte vom gestrauchelten Fisherman, der von einem bestimmten Fang besessen ist, und seiner vom neuen Ehemann misshandelten Ehefrau, die ihn gegen eine horrende Summe Geld dazu auffordert, ihren Gatten um die Ecke zu bringen, deutet alles auf klassische Crime-Thriller-Kost hin. Doch unter viel, viel Laberei – mal pseudophilosophisch, mal banal, mal wie das Klischee von aufgesetzt-verführerischen Film-Noir-Dialogen – geht jedweder Punch verloren. «Im Netz der Versuchung» ist nicht spannend, nicht sexy (trotz Anne Hathaways aufreizender Klamotten und ihrer verführerischen Säusel-Stimme), nicht emotional; mit Abschluss der Haupthandlung und Einleitung der Auflösung wird sogar alles erst so richtig banal. Von genereller Glaubwürdigkeit einmal abgesehen, bleiben bis zuletzt auch einfach viel zu viele Ansätze im Dunkeln, zu viele offene Fragen unbeantwortet.

Der Einzige, der hier gerafft zu haben schien, worin er da mitspielt, ist wohl Jason Clarke («Friedhof der Kuscheltiere»), der zwar auch schon deutlich subtiler aufgespielt hat, mit seiner sich selbst genießenden Arschloch-Attitüde aber so jenseits von Gut und Böse agiert, wie es wohl nur in einen Film wie diesen passt. «Im Netz der Versuchung» ist nämlich nichts davon. Ihm beim Scheitern zuzusehen, macht fast noch mehr Spaß, als der Film selbst. Doch so richtig böse sein, kann man Steven Knight kaum – immerhin hat er mal etwas riskiert.

Fazit


Mit welcher Überambition Autor und Regisseur Steve Knight hier scheitert, ist bemerkenswert und verhilft dem gleichermaßen hanebüchen-übertreibenden wie letztlich stinklangweiligen Möchtegern-Thriller «Im Netz der Versuchung» immerhin zu der Chance, dass man auch in vielen Jahren noch über ihn redet – über den Film, in dem Matthew McConaughey die ganze Zeit nix Anderes tut, als zu angeln.

«Im Netz der Versuchung» ist ab dem 2. Mai in den deutschen Kinos zu sehen.

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