Die Kino-Kritiker

«Maria Stuart, Königin von Schottland» - Machtkampf der Frauen

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In «Maria Stuart, Königin von Schottland» nimmt Theaterregisseurin Josie Rourke das Leben der gleichnamigen Monarchin ins Visier.

Filmfacts: «Maria Stuart»

  • Start: 17. Januar 2019
  • Genre: Biopic/Drama
  • FSK: 12
  • Laufzeit: 124 Min.
  • Musik: Max Richter
  • Kamera: John Mathieson
  • Buch: Beau Willimon
  • Regie: Josie Rourke
  • Darsteller: Saoirse Ronan, Margot Robbie, Jack Lowden, Thom Petty, Angela Bain, Richard Cant
  • OT: Mary Queen of Scots (UK 2018)
Wie schafft man es, einem Film durchgehend zu Spannung und Atmosphäre zu verhelfen, selbst wenn davon auszugehen ist, dass das Publikum das Ende der erzählten Geschichte kennt? Die vor allem für ihre Theaterarbeiten bekannte Regisseurin Josie Rourke geht offen mit dieser Annahme ins Gericht, wenn sie ihr Spielfilmdebüt „Maria Stuart, Königin von Schottland“ mit dem Ende beginnen lässt, in dem die titelgebende Regentin im Alter von gerade einmal 44 Jahren hingerichtet wird. Zuvor hatte ihre ständige Rivalin Königin Elisabeth, I. das Todesurteil eigenhändig unterzeichnet, nachdem ihr Versuch, Maria Stuart durch einen Gefängniswärter ermorden zu lassen, fehlgeschlagen war. Die Hinrichtung am Schafott, die erst nach einem dreimaligen Axthieb vollständig ausgeübt war, ist genau überliefert; vor allem das von der Verurteilten getragene, dunkelrote Satinmieder sollte die junge Ex-Königin über Schottland rückwirkend wie eine Märtyrerin aussehen lassen. Es gibt sogar Erzählungen von einem Hund, der noch während der Hinrichtung an Marias Seite gewesen und den Platz der Exekution anschließend blutüberströmt verlassen haben soll.

Mit diesem Wissen im Hinterkopf sind die diesem Ereignis vorausgehenden Geschehnisse natürlich umso interessanter. Was führt Jemanden (in diesem Fall Königin Elisabeth) dazu, selbst entgegen der damaligen Vorstellung der herrschenden Klasse die amtierende Königin töten zu lassen? Insofern ist es nur legitim, dass Drehbuchautor Beau Willimon («House of Cards») das ohnehin bekannte Ende vorwegnimmt. Spannend ist nicht, worauf die Geschichte hinausläuft. Sondern was passiert, während sie auf das unweigerliche tragische Ende zusteuert.

Königin gegen Königin


Maria Stuart (Saoirse Ronan), die bereits im Alter von nur neun Monaten zur Königin von Schottland gekrönt wurde, kehrt mit 18 Jahren nach dem Tod ihres jungen Ehemannes von Frankreich nach Schottland zurück, um rechtmäßig den Thron zu beanspruchen. Dadurch tritt sie in einen Machtkampf mit Königin Elisabeth I. (Margot Robbie), die bis dahin Alleinherrscherin über das englische Königreich ist. Maria Stuart erkennt Elisabeth nicht als rechtmäßige Königin von England und Schottland an. Elisabeth, die ebenfalls keine Nebenbuhlerin akzeptiert, wird in ihrem Machtanspruch herausgefordert. Aufstände, Verschwörungen und Betrug bedrohen den Thron beider Königinnen, die trotz ihrer Rivalität voneinander fasziniert sind. Als junge, selbstbewusste Regentinnen streiten sie um die Krone, um Liebe und um Macht in einer männerdominierten Welt, wodurch sich das Schicksal ihres Landes für immer verändern wird.

Wenn in Filmen vor allem Frauenfiguren im Mittelpunkt stehen, fühlt man sich heutzutage fast schon genötigt, die Information hinterherzuwerfen, dass er damit ganz hervorragend in die von der #MeToo-Debatte geprägte Zeit passt. Und tatsächlich sind es mit Margot Robbie («I, Tonya») und Saoirse Ronan («Am Strand») hier vor allem zwei Schauspielerinnen, die die 124 Minuten Historiendramakino mit ihrer überragend-aufopferungsvollen Präsenz prägen. Gleichzeitig ist es nicht das erste Mal, dass sich Filmschaffende dem Schicksal Maria Stuarts annehmen: Zwischen 1895 und 2013 gab es ein knappes Dutzend Spielfilme über die Königin, mit «Reign» lief von Oktober 2013 bis Juni 2017 sogar eine komplette TV-Serie auf The CW über den Aufstieg und Fall der bereits im Kindesalter zur Königin ernannten Schottin. Rourkes Projekt so spannend macht indes die intensive Auseinandersetzung mit Queen Elisabeth, I., die für den historischen Verlauf von ebenbürtiger Wichtigkeit ist.

Und so kommt es, dass «Maria Stuart, Königin von Schottland» eben nicht bloß das tragische Schicksal einer Frau beleuchtet, sondern vor allem, wie die beiden Leben der Herrscherinnen einander bedingten. Es würde trotz des eindeutigen Filmtitels sogar schwerfallen, genau festzumachen, wer hier Haupt- und wer Nebenfigur ist, denn an der Verfilmung des Romans «Queen of Scots: The True Life of Mary Stuart» von John Guy ist ja eben so interessant, dass sich keine der beiden Frauen von der jeweils anderen in den Schatten stellen lässt – dieser Umstand legt den Grundstein für ein Duell auf Augenhöhe.

Ein starkes Stück Schauspielerinnenkino


Während «Maria Stuart, Königin von Schottland» die gesellschaftlichen Zustände zur damaligen Zeit nahezu vollständig ausklammert, inszeniert Josie Rourke den Machtkampf zwischen den beiden Herrscherinnen als eine Mischung aus hysterischer Fehde zwei eitler Frauen und knallhartem Politbattle. Obwohl beides zusammengehört und die Figuren erst dadurch zu jenen komplexen Charakteren werden, anhand derer sich die Ereignisse so richtig schön hochschaukeln können, erweisen sich die persönlichen Streitereien als deutlich interessanterer Aspekt. Dies liegt zum einen daran, dass Rourke mehr Ambitionen an den Tag legt, wenn es darum geht, die Auswirkungen der Geschehnisse auf die Frauen als Privatperson zu zeigen; durch das, was passiert, sehen sich die beiden vor allem in ihrer Würde verletzt und nehmen die Attacken der Kontrahentin persönlich.

Die langen Verhandlungen zu Regierungsentscheidungen gestalten sich zum anderen austauschbarer, schließlich wurde das Schicksal der beiden Frauen schon oft filmisch inszeniert und da sich die Verantwortlichen – mit einer Ausnahme – an der Realität orientieren, mangelt es «Maria Stuart, Königin von Schottland» eben zeitweise doch an Spannung, woran auch die theatereske Inszenierung nicht ganz unschuldig ist. Wenn sich die Herrscherinnen mit ihren Heerscharen an Beratern zu wichtigen Entscheidungen zurückziehen und es zu hochtrabenden Rededuellen kommt, weil trotz des Machtkampfes zwischen Maria Stuart und Elisabeth, 1. ja auch noch zwei Länder regiert werden wollen, macht Josie Rourke wenig daraus, dass sie mit dem schottischen Edinburgh und der Ortschaft Glencoe zwei eigentlich imposante Drehkulissen zur Verfügung hatte. Diese pickt sie sich dafür für prägende Einzelszenen heraus; ansonsten scheint bei der reduzierten Kammerspielinszenierung Rourkes Theaterherkunft durch.

Dass sich die Regisseurin mit «Maria Stuart, Königin von Schottland» trotzdem mehr vorgenommen hat als die x-te Inszenierung bekannter historischer Ereignisse, macht sie anhand einer, nämlich der einzigen geschichtlich nicht belegbaren Szene im Film deutlich, in der sie die beiden Gegnerinnen aufeinandertreffen lässt. Die Szene ist nicht bloß an Spannung kaum zu übertreffen (Kameramann John Mathieson folgt den Schauspielerinnen auf Schritt und Tritt in ein – im wahrsten Sinne des Wortes – brodelndes Waschhaus und bringt die symbolische Hitze zwischen den beiden Frauen dadurch auch auf optischer Ebene zum Ausdruck), sie unterstreicht zudem noch einmal, wie sehr es hier darum geht, dass nicht nur die eine Frau von der anderen abhängig ist, sondern auch andersherum. Gab es schon zuvor immer wieder Bemühungen um eine Kooperation, ist dies die ultimative Konfrontation mit der anderen Seite – und es wäre rein theoretisch möglich gewesen, dass die Geschichte ganz anders ausgeht, hätten sich hier zwei Menschen nicht auf ihre Positionen als Gegnerinnen versteift, sondern stattdessen miteinander kooperiert.

Gleichzeitig kommen in dieser Szene aber auch all die Unsicherheiten beider Frauen zum Ausdruck, die mit dafür verantwortlich sind, dass es zu ebenjener Kooperation nicht gekommen ist. Und vorab haben viele kleine Szenen (darunter auch die explizit gezeigte Ermordung eines geheim homosexuellen Lords) dafür gesorgt, die Hauptfiguren in ihrem Dasein zu prägen, sodass sich anhand ihres Handelns vor allem der damalige Zustand der Länder ablesen lässt, die sie regiert haben.

Fazit


«Maria Stuart, Königin von Schottland» ist der überragend gespielte Machtkampf zwischen zwei Herrscherinnen, der immer dann besonders spannend ist, wenn Regisseurin Josie Rourke die Persönlichkeiten der Hauptfiguren in den Fokus rückt und weniger das politische Drumherum.

«Maria Stuart, Königin von Schottland» ist ab dem 17. Januar in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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