Interview‚Als Staatsanwalt spreche ich nicht als Privatmensch, sondern im Namen des Staates‘

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Im Interview spricht Wolf Danny Homann über den Wechsel von historischen Serienwelten zur juristischen Gegenwart, das Spannungsfeld zwischen Gesetz und Ausnahmezustand sowie die besondere Zusammenarbeit mit Dietrich Brüggemann und Ulrich Tukur.

Herr Homann, mit der historischen Serie «Haus Kummerveldt» haben Sie Fernsehgeschichte geschrieben – nun stehen Sie erstmals als Staatsanwalt im «Tatort» vor der Kamera. Wie hat sich dieser Rollenwechsel angefühlt?
Was für ein aufregender Wechsel! Vom schüchternen, verliebten und sich selbst im Weg stehenden Dr. Ernst Büchner zum selbstsicheren Staatsanwalt Froese. Die beiden verbindet nur der Anzug, den sie beide tragen wie eine Rüstung. Runter vom Pferd; rein in die Suche nach einem vermissten Kind. Als Staatsanwalt spreche ich im Namen des Staates, nicht als Privatmensch. Das fühlt sich anders an als andere Rollen, Emotionen werden verdrängt und Verantwortung wird übernommen für einen kompletten Kriminalfall.

Ihr Staatsanwalt Froese trifft auf einen der ungewöhnlichsten Ermittler des «Tatort»-Kosmos: Felix Murot. Wie würden Sie das Kräfteverhältnis zwischen Juristerei und Murots Grenzüberschreitungen beschreiben?
Es ist ein bisschen wie Schach spielen gegen jemanden, der plötzlich beschließt, zwei Figuren gleichzeitig zu ziehen. Murot macht, was er will! Und das auch hinterm Rücken der Justiz. Das ist kein persönlicher Machtkampf, sondern ein systemischer. Froese steht für das Prinzip der Gesetzlichkeit, Murot für das Prinzip der Ausnahme. Beides ist notwendig. Beides ist gefährlich. Die Hierarchie zwischen den beiden wird immer wieder ausgehebelt, so dass Murot, wenn alles andere nicht hilft, auch einfach mal nach Hause geschickt werden muss.

„Murot und der Elefant im Raum“ verlässt die klassische Krimi-Logik und wagt sich tief in psychologische und fast schon surreale Räume. Was hat Sie an diesem Buch von Dietrich Brüggemann besonders gereizt?
Die Räume, die hier betreten werden, sind nicht nur 'fast' surreal, sondern vollkommen surreal. (lacht) Eine Reise tief ins Unterbewusstsein und damit in eine wahnsinnig abgedrehte Parallelwelt. Dieser besondere Humor, den Dietrich hier erfunden hat, hat mich gereizt. Der sich nicht nur beschränkt aufs dargestellte Unterbewusstsein, sondern auch im Kommissariat, direkt am Krisentisch, Einhalt gebietet. Die Situationskomik, die absurden Dialoge, die gut beobachteten und lustigen Charaktere haben mich schon beim ersten Lesen des Drehbuchs laut auflachen lassen.

Staatsanwälte im «Tatort» sind oft Korrektiv, Antagonist oder moralische Instanz. Wo würden Sie Froese in diesem Spannungsfeld verorten?
Froese ist als moralische Instanz verortet. Ich bestehe in meiner Rolle als Staatsanwalt darauf, dass Ermittlungsarbeit nicht nur erfolgreich, sondern auch gerecht sein muss; ich insistiere auf rechtsstaatlichen Prinzipien, versuche aber auch moralische Grauzonen auszuhalten, ohne sie vorschnell zu relativieren. Es geht um ein entführtes Kind, das alleine zurückgelassen wurde, es geht um jede Minute.

Der Film stellt Fragen nach Verantwortung, Kontrolle und psychischer Belastung – Themen, die auch juristisch hochrelevant sind. Wie viel davon steckt in Ihrer Figur?
Viel. Froese ist jemand, der Verantwortung trägt wie einen Rucksack, den er nie absetzt. Irgendwann drückt der. Und dann reagiert man eben nicht mehr flexibel, sondern korrekt. Das ist menschlich – und tragisch. Was die psychische Belastung angeht, starten wir in den Film mit Murot beim Psychologen. Das versucht er zu vertuschen. Froese ist ein junger, strebsamer Karrierist, sicher hat auch er viel, was es mit einer*m Psycholog*in zu bearbeiten gäbe – das wird im Film aber nicht thematisiert.

Die Zusammenarbeit mit Dietrich Brüggemann als Autor, Regisseur und sogar Komponist ist außergewöhnlich. Wie haben Sie diese konzentrierte kreative Handschrift am Set erlebt?
Für mich war diese Zusammenarbeit vor allem klar und bereichernd. Dietrich hatte eine unglaublich präzise Vorstellung davon, was er erzählen will – inhaltlich, formal und auch rhythmisch. Für mich als Schauspieler war das extrem spannend, weil ich mich ganz auf diese eine Handschrift einlassen konnte. Was ich liebe, ist, dass er darüber hinaus allen mit einem großen Vertrauen gegenübertritt und Raum lässt, die Figuren auch von innen heraus mit eigenen Ideen zu füllen.

Ulrich Tukur prägt den „Murot“-«Tatort» seit Jahren mit großer Eigenwilligkeit. Wie war es, mit ihm in dieses spezielle Universum einzutreten?
Als die Anfrage von Casting Director Nathalie Mischel herein gekommen ist habe ich riesige Luftsprünge gemacht. Der «Tatort» aus Wiesbaden hat mit seiner Eigenwilligkeit, die du ansprichst, ein besonderes Alleinstellungsmerkmal in der Tatortwelt. Nun, an der Seite von Ulrich, Teil dieses Universums zu sein ist ein echtes Geschenk. Vor aber auch abseits der Kamera ist dies eine Reise gewesen, die mich beflügelte. Von Ulrich konnte ich sehr viel lernen und mitnehmen; nebenbei ist auch der Spaß nie zu kurz gekommen. (lacht)

Zum Abschluss: Dieser «Tatort» rundet das Jahr 2025 für Sie ab – was bringt 2026?
Mit Stolz und inzwischen ganz offiziell kann ich erzählen, dass der Film «Als wäre es leicht» im Frühjahr 2026 ins Kino kommt. Es geht um Kathi, sie ist gehörlos, und Florian, er ist blind. Eine Liebesgeschichte, die über eine Sprache jenseits von Worten und Blicken entsteht. Regie führt Milan Skrobanek. Da freue ich mich schon jetzt drauf! Aber zuerst: mit meiner ganzen Familie bei meiner Oma auf dem Sofa, «Tatort» schauen und den „Elefanten im Raum“ suchen.

Vielen Dank für Ihre Zeit!
Danke auch und guten Rutsch ins neue Jahr!

Dieser «Tatort» ist am Sonntag, den 28. Dezember, um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.