Mehr als ein kostümiertes Spektakel: In seiner neuen Serie erzählt AppleTV+ von einer wichtigen Epoche hawaiianischer Geschichte.

Mit der neuen AppleTV+-Serie «Chief of War» betritt das historische Epos Neuland – nicht nur geografisch, sondern auch narrativ. In einer Zeit, in der Serienproduktionen immer häufiger auf globale Stoffe und marginalisierte Perspektiven setzen, wirkt diese Erzählung aus dem kolonialen Umbruch Hawaiis um 1790 zunächst wie ein längst überfälliger Schritt. Und tatsächlich gelingt «Chief of War» das Kunststück, die Geschichte indigener Selbstbehauptung mit filmischer Wucht und kultureller Sensibilität zu erzählen – auch wenn nicht jeder erzählerische Pfeil ins Ziel trifft.
Im Zentrum steht Kaʻiana, gespielt von Jason Momoa, der auch als Mitschöpfer und Produzent der Serie fungiert. Der hawaiianische Krieger, der sich gegen koloniale Einflussnahme ebenso wie gegen politische Intrigen aus den eigenen Reihen behaupten muss, ist eine Figur voller innerer Spannungen. Momoa verkörpert ihn mit jener Mischung aus körperlicher Präsenz und verletzlicher Ernsthaftigkeit, die ihn bereits in früheren Rollen ausgezeichnet hat. Was hier jedoch auffällt: Seine Darstellung bleibt nicht bei Pose und Pathos stehen, sondern lässt Raum für Ambivalenzen. Kaʻiana ist nicht nur der Anführer, sondern auch der Zweifler – zwischen Loyalität, Überleben und Macht.
Die Serie, unter anderem inszeniert von Justin Chon, legt spürbar Wert auf Authentizität. Sie wurde größtenteils auf Hawaii gedreht, die Rituale und Traditionen der Inselkultur finden nicht nur als folkloristische Staffage, sondern als integraler Bestandteil der Erzählung ihren Platz. Gerade darin liegt eine der großen Stärken von «Chief of War»: Die Serie bemüht sich redlich, den Kolonialismus nicht nur als äußere Bedrohung zu zeichnen, sondern auch als kulturellen Einschnitt. Dass dabei nicht jeder historische Zusammenhang ausführlich beleuchtet wird, ist dem Format geschuldet – und vielleicht auch einer Dramaturgie, die stellenweise lieber große Bilder als komplexe Erklärungen bietet.

Diese Bilder jedoch sind eindrucksvoll. Die Kamera fängt die Landschaften mit einem Gespür für Größe und Stille ein, das mehr sagt als viele Dialoge. Die Natur ist hier nicht Kulisse, sondern Mitspieler: das Meer als Grenze und Versprechen, der Tropenwald als Rückzugsort und Bedrohung, das Feuer als Element von Zerstörung und Erneuerung.
Die Schwächen von «Chief of War» liegen weniger in der Ästhetik als im Erzähltempo und der Figurenzeichnung. Nebenfiguren bleiben oft skizzenhaft, politische Zusammenhänge werden vereinfacht, um der emotionalen Hauptlinie zu folgen. Das mag der Immersion dienen, raubt der Serie jedoch gelegentlich die analytische Schärfe. Wer sich vertiefte geopolitische Reflexion erhofft, wird eher in historischen Dokumentationen fündig.
Und dennoch: «Chief of War» ist mehr als ein kostümiertes Spektakel. Die Serie ist ein Versuch, eine verdrängte Geschichte aus Sicht derer zu erzählen, die sie gelebt haben. Gerade darin liegt ihre Relevanz. Sie erhebt die indigene Perspektive nicht zur Folklore, sondern zur tragenden Stimme. Dass AppleTV+ einem solchen Projekt Raum gibt – inklusive Originalsprache und nicht-westlichem Erzählduktus – ist ein starkes Signal.
«Chief of War» ist kein perfektes Werk. Aber es ist ein ehrliches, visuell kraftvolles und in seinen besten Momenten bewegendes Drama über Identität, Widerstand und Erinnerung. Wer es als das sieht, was es ist – der erste Schritt zu einer anderen Art des historischen Erzählens –, wird seine Qualitäten zu schätzen wissen.
Die Serie «Chief of War» wird von AppleTV+ ausgestrahlt.