Sonntagsfragen

'Weil wir auf Tour sind, wissen wir, was draußen im Land wirklich los ist'

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Vor dem Start der neuen Kabarett-Sendung «Mann, Sieber!» spricht Quotenmeter.de mit den Moderatoren Tobias Mann und Christoph Sieber über ihre Vorzüge gegenüber den 'Fernsehfuzzis', über Vorbilder und darüber, wie ihre ZDF-Zusammenarbeit entstanden ist.

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Wir haben als Land diese Situation mitverursacht. Dem müssen wir uns endlich stellen, das wäre eine gesunde Willkommenskultur.
Christoph Sieber über die Flüchtlingslage
Für die Sendung selbst drängt sich inhaltlich ein Thema ja aktuell auf …
Sieber: Klar, Flüchtlinge werden ein großes Thema sein. Wobei wir uns entschlossen haben, nicht an der Oberfläche zu kratzen und einfach nur die zwei Extreme abzuzeichnen: Hier stehen die Leute, die Flüchtlinge am Bahnhof wie Rockstars begrüßen, und hier stehen die Idioten, die mit Brandsätzen werfen. Wir möchten uns intensiv mit den Ursachen auseinandersetzen: Warum kommen Menschen auf die Idee, überhaupt zu fliehen? In der breiten Öffentlichkeit werden ja nur Assad und IS behandelt, jedoch gibt es noch ganz andere Gründe. Wir haben journalistische Mitarbeiter, die da in der Vorbereitung in die Tiefe gegangen sind. Das wird aufzeigen, dass sich Deutschland seine bisherige Willkommenskultur am Ende sonst wo hinstecken kann, denn wir haben als Land diese Situation mitverursacht. Dem müssen wir uns endlich stellen, das wäre eine gesunde Willkommenskultur. Wegen solcher Sachen wird es in der Sendung zwischendurch auch überhaupt nicht lustig, darauf sollten sich die Zuschauer besser einstellen.

Es wird Sie überraschen, aber für mich war das eher Realismus als Pessimismus.
Sieber: Schön. Realismus und Pessimismus sind eins, da müssen wir ganz realistisch sein. Alles andere ist ein Mangel an Information, wie es ein Kollege gern formuliert. Je mehr du dich mit der Welt beschäftigt, desto deutlicher wird das. Wir haben uns ja auch ins Netz eingewählt, um einige Hasskommentare zu durchstöbern. Wenn du dich damit beschäftigst, dann … (schüttelt den Kopf)

Mann: Ich habe ja eher ein sonniges Gemüt. Aber als wir uns damit beschäftigt haben, zu welchen verbalen Untaten Menschen fähig sind, da hat es mir die Laune verdorben. Das ist echt krass, was wir da gelesen haben. Nun ist es für uns als Satiriker ja die Aufgabe, daraus dann etwas Lustiges zu machen, was in diesem Fall eine herbe Herausforderung ist. Aber die haben wir gerne angenommen.

Um ein wenig in die Zukunft zu blicken: Gibt es schon einen Plan, wie die Themensuche in Zukunft vonstatten gehen wird, wenn sich die Schlagzeilen weniger stark aufdrängen? Wird «Mann, Sieber!» gewisse Schwerpunkte setzen, um sich thematisch von anderen ZDF-Satireformaten abzugrenzen?

Mann: Ich denke, dass das Konzept allein schon ausreicht, um uns von den anderen Sendungen abzuheben. Wir reden da ja etwa über die «heute-show», die eine klassische Nachrichtensatire ist, und das wunderbar macht. «Die Anstalt» geht das dagegen wie ein kabarettistisches Theaterstück an, und wir machen eben Late-Night.

Sieber: Wir sind da die Mitte. Nicht politisch, auch nicht im Sinne, dass wir mehr Mainstream sind. Aber in dem Sinne, dass wir wie die «heute-show» mit Einspielern und Grafiken mediale Mittel benutzen, die in der «Anstalt» gar nicht zum Tragen kommen. Auf der anderen Seite kommen wir mit einer klaren politischen Haltung auf der Bühne. Anders als eine Nachrichtenparodie repräsentieren wir also unsere unterschiedlichen Meinungen und grundsätzlichen Haltungen. Ich denke, da muss man sich keine Sorge machen, dass sich die Sendungen zu sehr ähneln, wenn wir alle dasselbe Thema behandeln. Wenn ich daran denke, wie es im Bühnenkabarett ist: Wenn ich einen Ausschnitt aus dem Programm eines Kollegen sehe, kann es sein, dass wir über dasselbe sprechen, das Ergebnis aber total anders ist. Jeder von uns hat eigene Gedanken und eigene Ideen. So sieht es auch in den USA mit Late-Night aus. Bei uns war Late-Night immer Harald Schmidt, in den USA aber gibt es zig Sendungen in dem Bereich. Und sie alle sind total anders, selbst wenn sie gelegentlich dieselben Dinge anpacken.

Wir beide spielen ungeheuerlich gerne live, und das würden wir ungern aufgeben. Bei mir ist es auch so, dass ich aus den Liveauftritten die Energie fürs Fernsehen ziehe.
Tobias Mann darüber, weshalb er und Sieber keine wöchentliche TV-Sendung anstreben
Auf wie viele Folgen «Mann, Sieber!» pro Jahr dürften wir uns denn freuen, sollte die anfangs prognostizierte Überschrift „Dank Traumquote fortgesetzt!“ Realität werden und es daher nach Staffel eins weitergehen?
Mann: Ich denke, wir werden den monatlichen Rhythmus beibehalten, weil sich der mit dem Touralltag vereinbaren lässt. Wir beide spielen ungeheuerlich gerne live, und das würden wir ungern aufgeben. Bei mir ist es auch so, dass ich aus den Liveauftritten die Energie fürs Fernsehen ziehe.

Sieber: Man muss ja auch bedenken, dass es immer besser ist, sich etwas rar zu machen, so dass sich der Zuschauer freut, wenn die nächste Sendung kommt. Und dass er eben nicht denkt: „Bah, die Zwei schon wieder!“ Darum schätze ich, dass es auch in einer eventuellen zweiten Staffel dabei bleibt: Unser großes Ziel ist es, live auf Tour zu gehen und einmal im Monat eine Sendung zu machen. Das muss reichen.

Mann: Das hat auch den Vorteil, dass wir die Eindrücke, die wir unterwegs machen, in der Sendung verarbeiten können.

Sieber: Genau. War wir den „Fernsehfuzzis“ voraus haben, ist dass wir noch unter Leute kommen. Weil wir auf Tour sind, wissen wir, was draußen im Land wirklich los ist, worüber die Leute reden und was sie bewegt. Ich würde durchdrehen, würde ich nur noch in einer Redaktionsstube sitzen und ausschließlich drüber berichten können, wie die Stimmung im Netz oder in der Presse ist.

Mann: Das ist zu abstrakt.

Sieber: Ich habe es lieber, wenn nach der Show zwanzig Personen zu mir kommen und sagen: „Ey, Sieber, Sie haben völlig Recht!“ Oder: „Mann, Sieber, Sie liegen so falsch“, oder auch: „Sieber, leider haben Sie Recht!“ Diese Form des Kontakts möchte ich gerne behalten.

Gibt es eine journalistische oder satirische Form, die im Ausland existiert, die Deutschland aber noch dringend braucht?
Mann: Ich finde, Deutschland kann auf jeden Fall noch mehr Late-Night-Shows vertragen. Was in Amerika los ist, ist einfach brillant, und in Deutschland … Hier wird das Genre so auf Harald Schmidt reduziert, der natürlich grandios war, trotzdem ist in Deutschland noch viel Platz für mehr Late-Night.

Sieber: Mir ist das Fernsehen egal. Ich gucke auch privat nahezu gar kein Fernsehen. Für mich gibt es noch Dinge wie Bücher …

Mann: Das musst du mir mal zeigen, wie die Dinger funktionieren!

Sieber: Das mache ich bei Gelegenheit …

Mann: Klasse!

Sieber: Außerdem gehe ich gerne ins Kino. Aber zur Quote trage ich überhaupt nicht bei. Ich bin ein Mann, der im Fernsehen gelandet ist, obwohl er dieses Medium selber nicht gern konsumiert. Aber das muss ja auch nicht sein. Es gibt immerhin auch Metzger, die selber Vegetarier sind.

Und genauso gut gibt es Metzger, die Fernsehen machen.

Mann: Noch!

Sieber: Ja, noch! Da wird ja Ende des Jahres etwas frei. Das hätte durchaus praktische Folgen für uns. Unser Studio befindet sich ja in unmittelbarer Nähe vom «TV total»-Gelände. Wenn wir zwei uns also eines Tages nicht mehr leiden können, kann sich einer ja einfach nebenan niederlassen . Wir ziehen «Mann, Sieber!» dann so auf, dass jeder sein eigenes Studio hat und wir nur via Splitscreen miteinander kommunizieren. Ich glaub, mir gefällt die Idee!

Herzlichen Dank für das interessante Gespräch!
Die erste Folge «Mann, Sieber» ist am 15. September 2015 ab 22.45 Uhr im ZDF zu sehen.

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