Popcorn & Rollenwechsel

Sony und die rote Laterne

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Sony Pictures klagt über desaströse Einspielergebnisse und glaubt, die mangelnde Bekanntheit seiner Marken habe Schuld daran. Sidney Schering denkt, dass Sonys aus anderen Gründen versagt.

Wäre Hollywood ein Pausenhof, so wäre Sony wohl dieses eine Schulkind, dass seit Monaten auf Krücken läuft, sich das Gestell seiner Brille mit Panzertape geflickt hat und obendrein ganz allein im Regen stehen bleiben muss. Denn seit jemand Sony sein Smartphone weggenommen und vor versammelter Mannschaft peinliche Mails und WhatsApp-Nachrichten verlesen hat, will niemand mehr mit Sony spielen. Und wäre Hollywood die Fressmeile einer Großstadt, so wäre Sony derzeit der Laden, der partout keine Gäste anzulocken vermag.

Sieben Monate ist das Jahr 2015 mittlerweile alt, und unter den sechs großen US-Studios bildet Sony Pictures ganz klar das Schlusslicht: Gerade einmal 564 Millionen Dollar wurden in die Kassen des Studios gespült. Eine Summe, die dem Durchschnittskinogänger ein luxuriöses Leben garantieren würde, in Hollywood aber gerade einmal für die Produktion zweier «The Amazing Spider-Man»-Filme und eines kleinen Dramas genügt. Zum Vergleich: Das, was Sony weltweit eingenommen hat, überbietet «Jurassic World» allein in den USA und Kanada um 80 Millionen Dollar. Sonys größter Hit des Jahres? Bislang trägt «Der Kaufhaus Cop 2» diesen Titel mit einem mickrigen Einspiel von 104 Millionen Dollar. Blickt man etwa auf den Konkurrenten Disney, hat dort selbst Platz fünf der bisherigen Jahrescharts («A World Beyond») 100 Millionen Dollar mehr zu bieten.

Laut 'The Hollywood Reporter' hat Geschäftsfrau Amy Pascal, als sie noch die Geschicke von Sony Pictures leitete, im November 2014 genau dies vorgesehen. In einer der vielen geleakten Sony-Mails warnte sie: „WIR HABEN ZU VIELE DRAMEN/NICHT GENUG BLOCKBUSTER/KEINE OFFENSICHTLICHEN ÜBERRASCHUNGSHITS.“ Und partiell hatte Pascal recht. Sonys Filmkalender 2015 hat mit «SPECTRE» nur eine übermächtige Franchiseproduktion aufzuweisen. Diese wird im Herbst die Bilanz des Studios zwar aufbessern, nicht aber retten können. Disney etwa blickt bereits auf zwei Marvel-Hits zurück, bringt 2015 gleich zwei Pixar-Filme heraus und «Star Wars» wird noch Unsummen einspielen. Universal hat mit «Fifty Shades of Grey», «Fast & Furious 7», «Jurassic World» und «Minions» zudem ebenfalls zahlreiche Blockbuster auf dem Zettel. Das kann «SPECTRE» allein nicht überbieten.

Doch wenn wir von den zwei erfolgreichsten Studios des Jahres Abstand nehmen, sehen wir, dass Pascal eine wichtige Sache übersehen hat. Den nicht zu vernachlässigenden Faktor der Qualität. Ja, die genannten Filme von Disney und Universal sind garantierte Profitbringer – und eine gute filmische Umsetzung gießt bei solchen Werken nur zusätzliches Öl ins Feuer. Aber wie uns dieses Jahr etwa Warner Bros. zeigt, ist es ein Leichtes, Sony ohne solche Selbstläufer zu überbieten. «Mad Max: Fury Road» ist zwar das dritte Sequel in einer langlebigen Filmreihe, jedoch genoss dieses Franchise längst nicht solch eine Bekanntheit wie die Marken, die Disney und Universal dieses Jahr weitergesponnen haben. Doch mit umwerfender Qualität und dank entsprechend feuriger Mundpropaganda erarbeitete sich George Millers Actionmeisterwerk weltweit 367,87 Millionen Dollar. So viel haben Sonys Top 3 des Jahres nicht einmal zusammengerechnet zu bieten. Was ein gerechtes Ergebnis ist, schließlich bietet «Mad Max: Fury Road» im direkten Vergleich auch das Zigfache an Sehvergnügen.

Oder blicken wir auf Fox: Die zwei Agentenkomödien, die das Studio mit der einprägsamen Fanfare startete, generierten global 231,35 Millionen («Spy – Susan Cooper Undercover») und 406,74 Millionen Dollar («Kingsman – The Secret Service»). Also zusammen ein gutes Stück mehr als sämtliche Sony-Filme des bisherigen Jahres. Während «Kingsman» auf einem völlig unbekannten Comic basiert und mit Taron Egerton einen Niemand in der Hauptrolle aufweist, umspannt Sonys «Pixels» mehrere bekannte Arcade-Videospiele und nennt Kevin James sowie Adam Sandler seine Hauptdarsteller. Dem Franchisedenken nach müsste letzterer der größere Hit sein. Stattdessen kommt der qualitative Flop auf geringere Einnahmen als die herrliche Spion-Persiflage «Spy», deren Hauptdarstellerin Melissa McCarthy zuletzt aufgrund einiger Comedy-Rohrkrepierer an Publikumsgunst verlor. Doch ihre Kooperation mit Jude Law, Jason Statham und Rose Byrne zündete wieder – weshalb sie mit guten Besucherzahlen belohnt wird.

Also. Liebe Filmemacher, liebe Studios. Sucht die Schuld nicht immer im Bekanntheitsgrad des von euch behandelten Materials. Vielleicht liegen die Einnahmen manchmal eben doch daran, wie gut oder schlecht etwas ist. Der Kunde schlingt auch nicht alles herunter, was man ihm vorsetzt!

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