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RTL II: Ein Spaßsender soll ernst(er) werden

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«Berlin – Tag & Nacht», «Big Brother» und der «Frauentausch» prägten in der Vergangenheit das Bild von RTL II, dem Sender, bei dem die junge Generation ganz viel Fun zu sehen bekommt. In der Zukunft will man mehr anbieten.

Ein Jahr und zwei Wochen ist es her, dass Andreas Bartl beim Münchner Sender RTL II das Ruder übernommen hat. Das Programm war in den Jahren zuvor durch die Ideen von Ex-Programmdirektor Holger Andersen und Senderchef Jochen Starke geprägt und inhaltlich ähnlich zugespitzt wie die einzelnen Formate. Abgesehen von Serienhighlights wie «Game of Thrones» und «The Walking Dead», wo die Ex-Senderführung ein sehr gutes Näschen bewies, konzentrierte sich viel auf gescriptete Formate, die ein sehr junges Publikum ansprechen, dem Ruf des Senders aber vielleicht nicht unbedingt gut tun.

Gerade im Bereich der Daytime folgten viele Entwicklungen dem Vorbild «Berlin – Tag & Nacht» - seien es Versuche weitere Scripted Realitys von filmpool zu etablieren oder die dort vorhandene Esakalationsstufe auf andere Formate wie die Dating-Show «Next, Please» zu übertragen. Andersen, der den Sender schon vor einiger Zeit verließ, und Jochen Starke fuhren bis zum Ende ihrer Zeit in Grünwald erfolgreich. Das Risiko, dass auch der Boom solcher Formate irgendwann zu Ende gehen wird, nahmen sie in Kauf – vielleicht halten sich Shows wie diese ja länger als mancher denkt. Andreas Bartl, schon zu Zeiten bei ProSiebenSat.1 stets als kreativer Fernsehmanager geschätzt, sah das wohl ein bisschen anders.

Er holte „Mr. «Galileo»“ Tom Zwiessler in sein Management-Team, um RTL II – weiter das junge Publikum im Blick – auch für andere Programmfarben und Produzenten zu öffnen. Dieser Umbruch dauert ein bisschen, weshalb das Programm des Senders heute nur an wenigen Ecken anders aussieht als noch vier zwölf Monaten. Die große Eile besteht schließlich auch nicht. Dennoch: Geht es nach dem neuen Management, dann sieht der Sender in einem Jahr wohl deutlich anders aus. Die Doku-Soap-Strecke wurde mit Publikumsliebling Daniela Katzenberger verstärkt, «Die Geissens» bekommen mehr Mitspracherecht bei der Produktion ihrer Show, die Vorabendsoap «Berlin – Tag & Nacht» wird via Ableger im Hauptabendprogramm getestet und auch sonst gibt es Gedankenspiele über fiktionales Erzählen zur besten Sendezeit.

Hauptanker des neuen RTL II ist aber junger Journalismus. Mit den «Vice Reports» machten Bartl und Zwiessler einen ersten Schritt in die neue Richtung, mit dem in Kürze startenden «Echtzeit» soll am Sonntagabend ein weiterer folgen. 15 Produktionsfirmen, die mit RTL II zuvor kaum etwas am Hut hatten, dürfen sich in der frischen Reportagereihe ausprobieren. Noch vor drei Jahren wäre wohl eher weniger denkbar gewesen, dass «Maybrit Illner»-Produzent DocLights ernsthaft mit dem Fun-Sender aus Grünwald arbeitet. Im Herbst, so ist nun zu hören, soll auch das neue und jüngere Konzept der «RTL II News» greifen – in dem vermehrt Reporter in den Mittelpunkt gestellt werden sollen und das auch die bessere Verbreitung nachrichtlicher Stoffe von RTL II im Netz in den Fokus stellt.

So löblich die Vorhaben von Bartl und Zwiessler auch sind, klar dürfte sein, dass die Köpfe in den nächsten Wochen und Monaten noch einige Male rauchen werden, wenn morgens die Quotendaten eintrudeln. Ein Selbstläufer dürfte keines der Formate werden – das zeigen auch die Werte der «Vice Reports» in den ersten Wochen. Vielmehr müssen sich anspruchsvolle Formate auf dem Fun-Sender ihre Zuschauer erst erstreiten. Und die, die von RTL II bisher eine Rund-um-die-Uhr-Bedudelung gewohnt waren, könnten künftig vermehrt fernbleiben. Wie groß der Spagat zwischen «Berlin – Tag & Nacht» und «Vice» wirklich wird, werden erst die Monate der neuen Fernsehsaison zeigen, wenn quasi die zweite Stufe des Wandels gezündet ist.

Tendenziell übrigens gehen die Quoten des Senders aktuell leicht zurück. Zum Start der TV-Saison generierte der Kanal 6,4 und 6,7 Prozent. Der Bestwert der abgelaufenen Saison wurde im Oktober erzielt, als RTL II Free-TV-Erstausstrahlungen von «The Walking Dead» im Programm hatte. Im Januar folgte dann der bisherige Tiefstwert mit gerade einmal noch 5,9 Prozent bei den Jungen. Inzwischen hat sich die von Bartl geleitete TV-Station wieder leicht nach oben gekämpft, lag im April bei 6,1 und im Juni bei 6,0 Prozent. Rasche Absetzungen wie die des – aus der Ferne betrachtet ohne Not ausprobierten – Serien-Mittwochs zeigen aber, dass die Luft nach unten dünner geworden ist. Oder wie man sagen könnte: Auch hier ist der Spaß dem Ernst gewichen.

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