Sonntagsfragen

Walulis: „Werde mich an einen Weiher setzen und Nacktbilder von Katzen malen“

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Im Interview spricht Philipp Walulis über den Sinn des Jugendkanals, die Zeit nach EinsPlus und das Vorführen von Menschen.

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Du hast schon gesagt, es gibt auch gutes Fernsehen. Aber guckst Du selbst gerne mal Trash-Formate?
Ähm, ja. (überlegt) Also ich weiß nicht ob es Trash ist, aber ab und zu schaue ich mal das «Promi Dinner»...

Das darf man schon Trash nennen.
Das ist schon in gewisser Weise ein nochmaliges Vorführen und wir versuchen das so kurz wie möglich zu halten.
Walulis über das Parodieren von Formaten wie «Bauer sucht Frau»
Ist es halt schon, weil keine Promis da sind. Das ist ja schon ein Betrug im Titel. Immer diese vier Kandidaten, die man erst googlen muss. Danach rate ich immer, wen VOX für den „größten“ Promi hält und daher erst am Schluss zeigt. Weil die Zuschauer ja darauf warten, zu sehen wie der Hund von Jürgen Drews privat auf Mallorca lebt. Und solche Sachen schaue ich gerne. Ich bin auch tatsächlich ein Freund von total abgefahrener Scripted Reality. Es gibt da die Produktionsfirma Straßenfeger, die machen so was auch vereinzelt. Und das was die machen ist immer so abgedreht und lustig, dass es schon fast wieder Spaß macht, es zu sehen. Weil die sich einfach überhaupt nicht mehr Ernst nehmen, sondern sich absolute Blödelgeschichten ausdenken. Stichworte sind da „zu dick für den Führerschein“ oder „süchtig nach Käse“. Da stehen ja auch die Leute, die mitspielen drüber. Ich würde da unterstellen, dass Menschen, die das Drehbuch lesen und erkennen, dass sich über ihren Körperumfang lustig gemacht wird checken, was da los ist. Deswegen schaue ich das auch mit einem einigermaßen reinen Gewissen an. Schwierig wird es erst, wenn das Fernsehen diese Leute vorführt und sie absichtlich anlügt. Wenn man sich da zum Beispiel die Kandidaten bei «Schwer verliebt» anschaut, denen dann versprochen wird, die Liebe des Lebens zu finden, aber in Wirklichkeit will man nur bizarre Hobbys wie Straßenbahnfotos sammeln zeigen oder ein Sahnewettessen filmen.

Aber solche Formate wie «Bauer sucht Frau» habt ihr ja in früheren Folgen auch dargestellt, dessen Protagonisten von den ausstrahlenden Sendern teilweise vorgeführt werden. Wenn Ihr solche Menschen parodiert, tun Ihr dann nicht selbst genau das, was Ihr kritisiert – also Menschen vorführen?
Das stimmt schon. Das ist ein richtiges Argument, das Du da hast. Darüber denken wir auch immer wieder nach, auch wenn wir Ausschnitte aus diesen Sendungen zeigen. Das ist dann schon in gewisser Weise ein nochmaliges Vorführen und wir versuchen das so kurz wie möglich zu halten und einzuordnen. Wir wollen nicht nur dieses „Haha, der ist dick“ oder „Guck mal, der Bauer ist dumm und schielt“, sondern auch Hintergrundinformationen mitliefern.

Aber lachen müsst ihr darüber schon auch manchmal?
Na, alles andere wäre ziemlich gelogen. Wir sitzen da auch nicht vor und gucken das jedes Mal mit todernster Empörungsmiene. Ich denke da muss jeder einmal bei doofen Alliterationen schmunzeln, oder wenn er einen dicken Menschen im Badeanzug sieht. Aber da muss man halt auch die Waage finden. Ein bisschen Spaß darf schon auch sein.

Gerade wenn es um so schwierige Fragen geht: Habt Ihr mit «Walulis sieht fern» völlig freie Hand oder gab es schon mal Ansagen von oben, so von wegen „das Thema geht eher nicht“ oder „das sollte man besser nicht machen“?
Ne, da gab es überhaupt nichts, das finde ich grandios. Wenn man sich da mit anderen Kollegen unterhält, was bei deren Sendungen so angemerkt wird, da bin ich sehr happy, dass keiner auch nur ansatzweise sagt, „versucht vielleicht mal nicht den Intendanten nackt zu zeigen“ oder so was. Das lässt sich aber vielleicht auch einfach durch unser Versteck im Digitalkanal erklären, dass es da dann eventuell doch egal ist. Aber wir haben schon festgestellt: Bei brennenden Kreuzen schreiben tatsächlich Zuschauer. Das hätte ich auch nicht gedacht.

So was wie bei Carolin Kebekus gab es dann also nicht? Das ist dann höchstens durch den Zuschauer reglementiert?
Also reglementiert würde ich das dann gar nicht nennen. Wenn die Zuschauer sich beschweren wollen, sollen sie sich beschweren. Ich nehme das zur Kenntnis und dann ist es auch gut. Da kann man natürlich drüber diskutieren, aber wir machen das ja nicht einfach so zum Krawall. Das hat ja auch einen Sinn und einen satirischen Hintergrund. Und das kann man dann eben auch erklären, da braucht es eben Überspitzung und Schockeffekte, sonst funktioniert es halt nicht. Aber beschnitten wird da erst einmal nichts.

Aber es sind ja dann schon Ausnahmefälle, wenn es wirklich böse wird. Wünscht man sich nicht manchmal richtig zu provozieren?
Es ist so: Was richtige Provokation bedeutet, hatten wir schon vor einiger Zeit beim Studentenradio, als wir „Aggro Grünwald“ gemacht haben, eine Parodie auf Aggro Berlin und schnöselige Münchner, wo es hieß „Hey kleiner Mann, deine Armut kotzt uns an, hast du keinen Vater, keine Mutter, die was kann?“ Da haben wir genug Reaktionen von Menschen bekommen und gesehen was passiert, wenn man da so draufhaut und hart an der Ironiegrenze unterwegs ist. Deswegen finde ich so wahnsinnige Provokation ist auch einfach sehr Kraft aufreibend. Aber wenn es nötig ist, schrecken wir nicht zurück. Mit zunehmendem Alter drängt sich auch die Erkenntnis auf, dass nicht alles Schwarz-Weiß ist, vor allem beim Fernsehen. Es gibt hinter jeder schlechten Sendung komplexe Prozesse, die dazu geführt haben. Da stellt sich niemand hin und sagt „jetzt machen wir mal 'ne schlechte Sendung“, sondern da gibt es Ursachen. Und dann zu sagen „Das ist scheiße“ ist ja zu kurz gedacht. Wir wollen eben zeigen, was dazu geführt hat, dass es so ist. Das finde ich persönlich auch charmanter als irgendwelche Kardinäle zu zeigen, die auf den Koran urinieren.

Wenn ihr aber so einordnet und versucht zu bewerten: Was unterscheidet Euch noch von klassischen Journalisten?
Nachdem EinsPlus jetzt am Ende ist, werde ich mich auf mein Hobby der Malerei zurückziehen und mich an einen kleinen Weiher setzen und dort Nacktbilder von Katzen malen.
Walulis über seine Pläne für die Zukunft
Der Humor, möchte ich sagen. Ein Journalist bei «Zapp» will und soll nicht witzig sein, sondern die Tatsachen darlegen. Und wir wollen primär Spaß haben und den Zuschauer unterhalten. Dieser Sache wird alles andere untergeordnet.

Zum Abschluss dann noch der obligatorische Ausblick: Was dürfen wir in der Zukunft von Philipp Walulis erwarten?
Ja, ich denke nachdem EinsPlus jetzt am Ende ist, werde ich mich auf mein Hobby der Malerei zurückziehen und mich an einen kleinen Weiher setzen und dort Nacktbilder von Katzen malen. Sollte mich das allerdings unbefriedigt zurücklassen, dann würde ich mich persönlich freuen, unsere Art des Humors und der Sicht auf die Welt in möglichst breit gefächerter Form oder verschiedenen Ausspielwegen zu präsentieren. Das Internet als Parodieobjekt finde ich auch immer interessanter und ein Quell der Satirefreude. Da möchte ich mal unseren Heftig-Generator nehmen, der die Schlagzeilen von Zeit Online im Stil vom Heftig.co verarbeitet hat. So was funktioniert, der wurde schon über eine halbe Million mal angeklickt! Und dann die Parodie auf den Jugendkanal, die Du ja vorhin schon genannt hast. Auf diesem Kanal kann man noch sehr viel machen. Das habe ich in Deutschland noch nicht so oft gesehen. Und wenn ich meine Mutter heute anschaue, die lacht mittlerweile auch schon über Internet-Witze, weil sie so langsam mehr versteht, wie das alles funktioniert. Die Masse an Menschen, die für so was offen sind, steigt also.

Die Kollegen von «extra 3» haben 38 Jahre gebraucht – klingt so, als ginge der Blick bei Dir nicht in Richtung Hauptprogramm?
(lacht) Das ist natürlich eine schwierige Frage. Generell finde ich, dass das Hauptprogramm eigentlich ein Schaufenster der ARD im Ganzen sein sollte. Das heißt aber nicht, dass man von elf bis zwei Uhr eine Insel für Vierzehnjährige einrichten muss und das irgendwie mit dem Hammer verjüngt. Aber das Hauptprogramm langsam jünger zu machen wäre halt auch gar nicht so doof. So was wie «extra 3» ist da schon mal ein super Schritt, den ich begrüßen kann, weil es das Durchschnittsalter um zwei Jahre auf 74 senkt. Ich denke jedoch auch, dass ein Ausflug ins Hauptprogramm immer auch mit Abstrichen zu tun hat. Aber man sollte auch den Zuschauer nicht unterschätzen und von vorneherein sagen, alles was nicht von Florian Silbereisen angekündigt und auf einer Midi Orgel präsentiert wird, ist nicht geeignet für's Hauptprogramm.

Dann viel Erfolg beim Katzen malen und vielleicht ja doch irgendwann im Ersten. Danke für das Interview.
Danke, wir sehen uns dann 2035 wieder, wenn wir so alt sind wie das Hauptprogramm heute.

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