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Geht’s noch?

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«Berlin – Tag & Nacht» darf am 2. Oktober auf einen Deutschen Fernsehpreis hoffen. Die Empörung dürfte groß sein. Ein Kommentar von Manuel Weis.

Wie kurios dürfen Nominierungen beim Deutschen Fernsehpreis sein? Schon im Vorjahr gab es unter den Bundesbürgern Kopfschütteln darüber, wie die Jury «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!», besser bekannt als „Dschungel-Camp“ ernsthaft in die elitäre Liste von Qualitätsfernsehformaten aufnehmen kann. Sie tat dies, weil sie es besser wusste als der gemeine TV-Zuschauer. Sie tat dies, weil die Nominierung des Formats verdient war.

In diesem Jahr dürfte sich das Spiel wiederholen. Wie kann man nur «Berlin – Tag & Nacht», ein sicherlich zu Recht umstrittenes Format, für einen Preis nominieren, für den auch Sendungen wie «Götter wie wir», die «heute-Show» oder im fiktionalen Bereich «Unsere Mütter, unsere Väter» vorgeschlagen sind? Zweifelsohne eine berechtigte Frage. Die Jury aber handelt richtig und zwar nicht hauptsächlich, weil das Fernsehen auch 2013 noch dem Zuschauer und nicht nur dem Kritiker schmecken soll.

Was bei aller Kritik an authentischen Soaps wie «BTN» gerne vergessen wird, ist die Tatsache, dass es die Serie und alle an der Produktion Beteiligten damals aus dem Stand geschafft haben, eine ganz neue Darstellungsform von Daily-Formaten zu kreieren. «Berlin – Tag & Nacht» ist weniger steif als eine durchschnittliche Soap, erzählt die Geschichten auf der Überholspur und sieht aus wie ein Format aus dem Jahr 2013. Das kann man mancher Daily auf größeren Privaten, die aus Kostengründen teilweise seit fünf Jahren oder länger in den gleichen Sets drehen, nicht attestieren.

Dass in solchen Soaps Laiendarsteller arbeiten, die ihr Handwerk nicht erlernt haben, aber es trotzdem ausüben, mag richtig sein. Dass «BTN» deshalb mit mitunter überbordenden Aggressionen arbeitet und auch die Storylines meist simpel gestrickt und vorhersehbar sind, stimmt auch. Vielleicht sind die Geschichten aber – so kurios das klingt – deshalb näher an der Lebensrealität der anvisierten Zielgruppe als manches Hochglanzprodukt bei RTL oder der ARD.

Die filmpool-Serien werden auch nach dieser Fernsehpreis-Nominierung ebenso umstritten bleiben wie eben jene. Schön ist aber, dass so manches Format, das im Volksmund verrissen wird, von der Jury doch mit dieser Aufmerksamkeit bedacht wird. Das dürfte für die Produktion schon ausreichen – egal, ob man im Oktober nun den Preis mitnimmt oder nicht. Und danach darf Fernsehdeutschland auch wieder weitermeckern, zumindest so lange es noch ausreichend einschaltet.


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