360 Grad

Bauernfängerei

von
Ende Oktober meldet sich «Bauer sucht Frau» mit einer neuen Staffel auf RTL zurück. Julian Miller über die raubeinigen Rinderwirte.

Das Landleben soll einfach, dreckig und degeneriert sein. Landwirte gelten als einsame Vollidioten, denen Tischmanieren und taktvolle Umgangsformen fremd sind, und die an völlig überkommenen archaischen Prinzipien und Strukturen um jeden Preis festhalten. Zugegeben, meine persönliche Erfahrung hat mich gelehrt, dass es solche Exemplare in der deutschen Provinz noch gibt. Sogar in einer erschreckenden Anzahl. Doch RTL macht aus diesem Klischee eine ganze Sendung.

Ab Ende Oktober wird der Kölner Sender mit der neuen Staffel von «Bauer sucht Frau» den raubeinigen Rinderwirten und schüchternen Schweinezüchtern der Nation wieder ein Forum bieten, um für sie eine billige All-Round-Arbeitskraft und Köchin, pardon, natürlich eine Frau fürs Leben zu finden. Wie in den letzten Jahren sind wohl auch für die kommende Saison umwerfende Einschaltquoten zu erwarten. Grund genug für Inka Bause und die Produzenten, an dem bewährten Konzept festzuhalten, das vom Spiegel bereits mit Soldatenpuffs im ersten Weltkrieg verglichen wurde: Man karrt Frauen dahin, wo man sie brauch, in diesem Fall auf Bauernhöfe, die von verdatterten und geistig wie kulturell zurückgebliebenen Hinterwäldlern geführt werden, die wiederum zu einem beträchtlichen Anteil von ihren griesgrämigen Müttern dominiert werden. Umso besser, wenn besagtes Frischfleisch aus sozial schwachen Kreisen stammt und so Gefahr läuft, in eine feudale Abhängigkeit von Bauer und Mutter zu geraten. Die der überforderten Städterin dann auch gleich vorschreibt, was ihr Sohn denn gerne nach der harten Arbeit zu Futtern will und wie viele Eier für den Kuchenteig zu verwenden sind. Für diese großartige Unterhaltung liebe ich dich, mein RTL.

Der Chauvinismus ist in der Show allgegenwärtig. Er beginnt damit, dass die glücklichen Städterinnen nach der Ankunft am Hof erst einmal schnurstracks zum Melken und Ausmisten abkommandiert werden, und endet in dem desaströsen grundsätzlichen Frauenbild der gezeigten Landwirte. Die Damen sollen kochen, putzen und Wäsche waschen. Dafür sind sie da, dafür werden sie gebraucht. RTL präsentiert seinen Zuschauern mit «Bauer sucht Frau» die verkommensten archaischen Strukturen als einfache, ländliche Idylle.

Laut Bauernpräsident Gerd Sonnleitner hat die Show jedoch nichts mit der Realität zu tun. Immer wieder sollen sich bei ihm Landwirte darüber beschweren, dass RTL mit seiner dümmlichen Sendung ihren ganzen Berufsstand diskreditiert. Das ist beruhigend. Zu gruselig ist mir nämlich die Vorstellung, dass es um die deutsche Landwirtschaft so steht, wie Inka Bause es uns wöchentlich präsentiert. Dann kann man auch wieder unbesorgt einheimische Kartoffeln kaufen, ohne befürchten zu müssen, damit ein allegorisches Frontpuff zu subventionieren.

360 Grad erscheint immer freitags nur bei Quotenmeter.de

Kurz-URL: qmde.de/44904
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger ArtikelHoffnung für NBC: «LOLA» startet gutnächster ArtikelDie Kino-Kritiker: «Ich – einfach unverbesserlich»

Optionen

Drucken Merken Leserbrief




E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung