Schlüter sieht's

«Schlüter sieht's»: Erfolgsgeheimnis RTL

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RTL ist derzeit so beliebt wie seit Jahren nicht mehr. Was macht den aktuellen Mega-Erfolg aus?

Wenn RTL-Chefin Anke Schäferkordt aktuell morgens auf die Einschaltquoten und Marktanteile des Vortags ihres Senders blickt, dann dürfte es ziemlich oft vorkommen, dass ihr ein Lächeln oder sogar breites Grinsen über ihr Gesicht huscht. RTL ist momentan so erfolgreich wie seit vielen Jahren nicht: In der bisherigen TV-Saison, die im September 2009 begann, erreichen die Kölner 18,1 Prozent Marktanteil in der werberelevanten Zielgruppe. In den letzten fünf Jahren konnte der Sender nicht über 16,6 Prozent im Durchschnitt herauskommen und war damit lange Zeit deutlich weniger erfolgreich als momentan. Zuletzt kam man an die aktuellen Zahlen im TV-Jahr 2002/2003 heran, als der Hype um die erste Staffel von «Deutschland sucht den Superstar» den Kölnern einst noch bessere 18,9 Prozent bescherte. Doch was macht den aktuellen Erfolg aus? Warum ist RTL wieder mit großem Abstand das beliebteste Programm der jungen Zuschauer?

RTL versteht es perfekt, Programm zu inszenieren. Die Fähigkeit der Moderatoren vor und der Produzenten hinter der Kamera, Shows als Mega-Event zu verkaufen oder Dokus dem Zuschauergeschmack perfekt anzupassen, macht einen Großteil des Erfolgs aus. Die meist von Günther Jauchs Firma „i & u“ produzierten Spielshows haben immer ein sehr massenkompatibles Konzept, während sie allerdings auch den Anspruch auf intelligente Unterhaltung nicht vernachlässigen – beispielsweise in Form der Quiz-Sendungen wie «5 gegen Jauch» oder der Testshows wie früher «Der große IQ-Test».

Die Castingshows, vornehmlich «DSDS» und «Das Supertalent», gehören zu den erfolgreichsten RTL-Programmen. Einen großen Anteil an der Popularität hat Dieter Bohlen, der sich – wie die Shows – selbst inszeniert und die Rolle spielt, die das Publikum sehen will. Bohlen ist böse und beleidigend, aber er wird beim Publikum vornehmlich für seine Ehrlichkeit und Fachkompetenz geliebt. Diese Kombination macht Bohlen zu einer einzigartigen Fernsehfigur, die oben genannte Castingshows erfolgreich gemacht hat und heute zum Mythos ihrer selbst geworden ist. Weiterhin ist es wieder die Inszenierung der „Mega-Eventshow“, die das Programm zum Straßenfeger werden lässt: Die Top-10-Shows von «DSDS» suchen in ihrer Machart Ihresgleichen im deutschen Fernsehen. RTL schafft es, einen künstlichen Hype um die Kandidaten zu kreieren, der nicht einmal echt sein muss. Hauptsache, der Zuschauer vor dem Bildschirm fühlt sich gut unterhalten. Und schließlich verstehen es die Macher, die Sendungen von Staffel zu Staffel so zu verändern, dass sie über Jahre hinweg interessant bleiben. Bestes Beispiel ist «DSDS», das aktuell so erfolgreich ist wie seit der ersten Staffel nicht mehr.

Ein weiterer Baustein für den großen Erfolg des Senders ist der neue Nachmittag. RTL hatte den Mut, sich von den Talkshow-Relikten wie der «Oliver Geissen Show» und den Gerichtsshows zu trennen und auf die sogenannten Fake-Dokus zu setzen, die wie echte Dokumentationen aussehen, aber in Wahrheit geschauspielerte Storys erzählen. Man hat also das Konzept der Gerichts- und Beratershows, die ebenfalls nicht echt sind, auf das Doku-Genre übertragen. Und hat damit einen riesigen Erfolg. Auch wenn dieses Programm bei jedem halbwegs intelligenten Zuschauer allerhöchstens akuten Brechreiz verursacht, trifft es offensichtlich den Geschmack des Publikums, das am Nachmittag vor dem Fernseher sitzt. Denn RTL ist, seitdem Dokus wie «Verdachtsfälle» und «Familien im Brennpunkt» ausgestrahlt werden, ebenfalls Marktführer am Nachmittag und hat Sat.1 abgelöst.

Letztlich hat RTL sich über Jahre und Jahrzehnte ein diversifiziertes Image aufgebaut, das einerseits vom Unterschichten-Publikum lebt, das aber auch am Abend den intelligenten und anspruchsvollen Zuschauer anspricht – insbesondere auch mit den US-Serien. Kein anderer Sender kann dies von sich behaupten, kein anderer Sender verdient das Prädikat „Vollprogramm“ so sehr wie RTL. Während ProSieben vornehmlich die Zuschauer bis 29 Jahre anspricht, die Öffentlich-Rechtlichen fast nur die Älteren über 50 und Sat.1 ohnehin nur noch wenige Menschen, so vereint RTL alle Alters- und Bildungsklassen. RTL hat sich über viele Jahre ein Image beim Publikum aufgebaut, das zumindest gut produziertes Fernsehen verspricht, auch wenn es nicht immer inhaltlich ansprechen muss. Sat.1 leidet mit den aktuellen Quotenproblemen akut unter seinem schlechten Image, das sich über Jahre hinweg in den Köpfen der Zuschauer manifestiert hat - denn hier erwartet man schon fast kein gutes Programm mehr.

Mit TV-Gesichtern wie Günther Jauch und Dieter Bohlen haben die Kölner die beliebtesten Fernsehfiguren überhaupt unter Vertrag. Die inszenatorische Fähigkeit, die bei den perfekten Trailern anfängt, bei der programmlichen Eigenwerbung in den Boulevard-Magazinen weitergeht und bei den eigentlichen Sendungen aufhört, beherrscht RTL perfekt. Und wird dafür nun auch mit so guten Marktanteilen belohnt. An der Vormachtstellung von RTL im deutschen Fernsehen wird sich daher wohl auch in den nächsten Jahren nichts ändern.

Jan Schlüters Branchenkommentar beleuchtet das TV-Business von einer etwas anderen Seite und gibt neue Denkanstöße, um die Fernsehwelt ein wenig klarer zu sehen. Eine neue Ausgabe gibt es jeden Donnerstag nur auf Quotenmeter.de.

Kurz-URL: qmde.de/39863
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