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Rudi Carrell - Ein Leben für die Show

von  |  Quelle: Quotenmeter.de
Am vergangenen Freitag schied Rudi Carrell aus dem Leben. Der gebürtige Holländer war einer der größten Entertainer Deutschlands. Am Ende siegte der Lungenkrebs über ihn. Die Krebserkrankung verwunderte den Entertainer aber nicht; er habe stets gewusst, dass es sich irgendwann bemerkbar machen werde, am Tag bis zu drei Schachteln „Lord Extra“ geraucht zu haben. „Hätte ich schon längst haben müssen“, meinte er in seinem letzten Interview.

Das Licht der Welt erblickte Rudolf Wijbrand Kesselaar, wie Carrell wirklich hieß, am 19. Dezember 1934 in Alkmaar. Bereits sein Vater wie auch sein Großvater waren in Holland im Showgeschäft tätig. Kesselaar selbst stand mit 17 Jahren zum ersten Mal im Rampenlicht: Er sprang in einem Gastspiel für seinen Vater ein. Mit 25 Jahren - also acht Jahre später - bekam Rudi Carrell seine erste TV-Show, welche auch nach ihm benannt war.



"Am laufenden Band" erfolgreich

Für eine komödiantische Interpretation des Robinson Crusoe in der «Rudi Carrell Show» gewann er 1964 sogar die Silberne Rose von Montreux. Er hatte sich etwas Sand ins Studio schütten lassen und imitierte die Abenteuer Crusoes. Begleitet wurde er von einem Affen, der die Rolle des Freitags inne hatte und einer Schauspielerin, die eine Nixe verkörperte. Nur beim Eurovision Song Contest hatte er - wie in letzter Zeit so viele deutsche Entertainer - wenig Glück. Als er 1960 mit dem Titel „Wat een geluk“ auftrat, reichte es nur zum vorletzten Platz.


Fernsehpremiere in Deutschland feierte Kesselaar im Jahr 1965: Radio Bremen strahlte zu diesem Zeitpunkt zum ersten Mal seine «Rudi Carrell Show» aus. Und so nahm Carrells Karriere ihren Lauf: Schnell stieg er in den Showolymp auf und fand sich neben populären Moderatoren wie Hans-Joachim Kulenkampff wieder. Kurzum: Ein neuer Star für die Samstagabend-Show war geboren. So wurde die «Rudi Carrell Show» 1974 durch «Am laufenden Band» ersetzt. Die Spielidee war einfach: Ein Kandidat, ein Laufband und ganz viele Gegenstände. Das Förderband transportierte alle an dem Mitspieler vorbei. Jeden Gegenstand, an den sich der Kandidat am Ende noch erinnerte, durfte dieser fortan sein Eigen nennen. Die Show war ein voller Erfolg, erreichte in ihrer besten Zeit Einschaltquoten von bis zu 64 Prozent.


In den 70ern war Rudi Carrell jedoch nicht nur als TV-Moderator erfolgreich: Er stand in Schlager- und Schnulzenfilmchen vor der Kamera und bildete mit dem jungen Ilja Richter ein unschlagbares Duo. Damit aber nicht genug: Mit dem Hit „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer“ landete Rudi Carrell einen Chart-Hit, der vielen von uns heute noch im Ohr liegt. Drei Jahre später, 1978, hatte er noch einen großen Charterfolg, der heute allerdings nicht mehr so bekannt ist: Die Platte hieß „Goethe war gut“.


Seine Autobiografie „Gib mir mein Fahrrad wieder“ erschien 1979; 1981 ging «Rudi kann’s nicht lassen» auf Sendung. Im gleichen Jahr startete auch die Radio-Bremen Sendung «Rudis Tagesshow», eine Persiflage der Nachrichtensendung «Tagesschau». Ab 1984 lief «Die verflixte Sieben», eine Show, die an den Erfolg des laufenden Bandes anknüpfen sollte, es aber nicht wirklich tat. Jeder Kandidat erhielt und tauschte während der Sendung sieben symbolische Gegenstände. Jeder Gegenstand stand verschlüsselt für einen Gewinn oder eine Niete. Ziel war es, am Schluss das zurückbehaltene, vermeintlich wertvollste Symbol gegen einen Gewinn - der eben auch eine Niete sein konnte - einzutauschen. Zum geflügelten Wort entwickelte sich dabei der in jeder Folge mehrfach vorkommende Ausspruch „Das wäre Ihr Preis gewesen!“ Das Konzept der Sendung war klar komplizierter als seine ehemalige Sendung «Am laufenden Band».


"Flirten ist ein wahnsinniges Thema"

Auch mit über 60 steckte Rudi Carrell noch voller Ideen: So startete 1987 die von vielen an kultig angesehene Kuppel-Show «Herzblatt». „Flirten ist ein wahnsinniges Thema – warum haben wir das eigentlich nicht?“, dachte sich Carrell, als er im britischen Fernsehen zufällig eine Flirtshow sah. Das Konzept ging schnell auf: Millionen Menschen lachten mit dem Niederländer und den – oftmals einfallslosen – Sprüchen der Kandidaten. Sechs weitere Moderatoren folgten ihm, doch kaum einer von ihnen brachte nur annähernd den Charme Carrells mit. Kurz vor seinem Tod wurde «Herzblatt» schließlich eingestellt.



Im gleichen Jahr, in dem die Kuppelshow ins Fernsehen kam, sorgte Carrell jedoch für noch größeres Aufsehen – sogar weltweit. Am 15. Februar 1987 zeigte er in seiner «Tagesshow» wie Ayatollah Khomeini in Damenunterwäsche wühlte: Zuerst wurde Khomeini mit nach unten ausgestreckten Händen gezeigt, im nächsten Schnitt waren Hände zu sehen, die in einen mit BHs und sonstigen Dessous gefüllten Korb griffen. Dieser 6-sekündige "Gag" war für Carrell folgenschwer, denn binnen weniger Tage waren die Beziehungen zwischen Deutschland und dem Iran schwer gestört. Deutsche Diplomaten wurden ausgewiesen und das Goethe-Institut sogar geschlossen. Selbst viele Flüge nach Teheran wurden abgesagt. Am Ende musste sich Carrell öffentlich entschuldigen.



Auch, wenn er diesen Scherz nicht mehr machen würde, wie er einmal sagte, so gab es für ihn keine Humor-Grenzen: „Solange ich darüber lachen kann“, sagte Carrell Anfang dieses Jahres, „gefällt mir alles.“



Von 1988 bis 1992 moderierte Rudi Carrell wiederum die «Rudi-Carrell-Show» – diesmal jedoch mit dem Zusatz «Lass dich überraschen». In 24 Folgen überraschte Carrell Menschen aus dem Publikum und erfüllte ihnen Herzenswünsche. Ein Jahr später wechselte er schließlich zu RTL, wo er mit «Die Post geht ab!» seinen ersten großen Flop einstecken musste. Relativ kurzlebig waren zudem «Rudis Tiershow», «Rudis Hundeshow» und «Rudis Urlaubsshow».



1996 landete Carrell schließlich einen wahren Glücksgriff: Als Produzent und Teil des Stammtisches von «7 Tage – 7 Köpfe» erreichte er Woche für Woche oft weit mehr als sechs Millionen Zuschauer. Doch nach sechs Jahren zog er sich hinter die Kamera zurück, nur bei besonderen Anlässen zeigte er sich vor der Kamera. Ein bewegender Moment war sicherlich die letzte Folge, die im Dezember 2005 ausgestrahlt wurde: Wortlos schüttete der von schwerer Krankheit gezeichnete Entertainer seinem Kollegen Harald Schmidt ein Glas Wasser über die Hose.



Carrell wusste früh: "Das geht irgendwann schief"

Mit dem Lungenkrebs ging Carrell bis zuletzt fast schon sorglos um. Als er im November 2005 der „Bunten“ von seiner Erkrankung erzählte, sagte er froh, ihm seien „all diese typischen Krankheitssymptome bisher Gott sei Dank erspart“ geblieben, aber er habe sich nach 51 Jahren endlich das Rauchen abgewöhnt. Ohnehin hatte er immer mit der Krankheit gerechnet: „Ich war nicht überrascht. Es war etwas Selbstverständliches“, so Carrell in diesem Jahr gegenüber dem „SZ-Magazin“. „Ich habe immer fünf Tage vor einer Show so gut wie ohne Essen gearbeitet, nach einer Show nur Bier getrunken und mindestens sechzig Lord Extra am Tag geraucht. Ich wusste: Das geht irgendwann schief.“



Seinen letzten Fernsehauftritt hatte Rudi Carrell im Februar, als er die „Goldene Kamera“ für sein Lebenswerk - bereits deutlich geschwächt – entgegen nahm. „Ich glaube, man hat bei der «Goldenen Kamera» gemerkt, dass ich sehr dankbar bin. Ich habe mein Leben genießen dürfen“, so Carrell. „Wäre ich in Holland geblieben, wäre ich vielleicht Intendant eines Fernsehkanals geworden. Wie langweilig! Deutschland hat mir zehnmal mehr gegeben, als ich mir je erhofft habe. Ich verdanke diesem wunderbaren Land mein Leben.“



Humorvoll bis zum Tod

Seinen Humor verlor Rudi Carrell bis zu seinem Tod am vergangenen Freitag nicht: „Ich habe zu meinen Kindern gesagt, dass ich keine öffentliche Beerdigung will. Aus Angst vor den »Jacob Sisters«! Mit ihren komischen Pudeln zerstören sie doch jede Atmosphäre. Die sind auch bei Moshammer aufgetaucht!“ Die Deutschen werden Rudi Carrell so in Erinnerung behalten, wie er es sich immer wünschte: Als einen Mann, der sie gut unterhalten hat.

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