Die Kino-Kritiker

«Fighting With My Family» - Rührendes Wrestlerinnen-Biopic mit Dwayne Johnson

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Das tragikomische Biopic «Fighting with my Family» entpuppt sich entgegen durch die Werbung geschürte Erwartungen als inspirierende Nacherzählung einer unglaublichen Wrestling-Karriere, in der ein herrlich selbstironisch aufspielender Dwayne Johnson noch lange nicht das Highlight ist.

«Fighting With My Family»

  • Start: 1. Mai 2019
  • Genre: Tragikomödie/Biopic
  • Laufzeit: 108 Min.
  • FSK: 12
  • Kamera: Remi Adefarasin
  • Musik: Vik Sharma
  • Buch & Regie: Stephen Merchant
  • Darsteller: Florence Pugh, Jack Lowden, Nick Frost Dwayne Johnson, Lena Headey, Vince Vaughn, Olivia Bernstone
  • OT: Fighting With My Family (UK/USA 2019)
Schon oft haben wir uns an dieser Stelle über falsches Filmmarketing beschwert. Da versprechen Trailer und Werbespots schon mal etwas ganz Anderes, als es das Kinoerlebnis letztlich bietet. Das ist in der Regel immer ein recht billiger, sich vor allem aber wie ein Boomerang gegen die Verantwortlichen richtender Schritt, denn wenn man einen «Drive» als Actionfilm promotet, gehen möglicherweise mehr Leute rein, als in ein Neo-Noir-Thrillerdrama, aber letztlich wirkt es sich nur negativ auf die Resonanz aus. Im Falle von «Fighting With My Family» lässt sich dieses Prozedere allerdings erstmals nachvollziehen; zumindest auf den deutschsprachigen Raum bezogen. Die Trailer verkaufen das tragikomische Wrestlerinnen-Biopic nämlich als nächste Dwayne-Johnson-Haudrauf-Komödie. Dabei hat dieser nur eine kleine Nebenrolle und den Film mitproduziert sowie das Konzept entwickelt. Gleichzeitig ist die Wrestling-Lobby hierzulande weitaus weniger ausgeprägt denn in den Vereinigten Staaten.

Und so ist wohl kaum davon auszugehen, dass sich auch nur irgendjemand «Fighting With My Family» ansehen würde, würde man den größten PR-Trumpf in Form des ehemaligen Wrestlers und heutigen Hollywood-Megastars nicht genau so prominent in Szene setzen, wie man es nun getan hat; man schaue nur auf das Plakat. Das Beste an der ganzen Sache ist aber ohnehin, dass es letztlich eigentlich komplett egal ist, wie man den Film nun eigentlich an den Mann zu bringen versucht. Richtig stark ist der nämlich allemal – gerade weil er keine Dwayne-Johnson-Haudrauf-Komödie ist.

Wrestling als Berufung


Für ihre Familie ist Wrestling mehr als ein Sport, es ist das einzig Wahre im Leben – Paige (Florence Pugh) und ihr Bruder Zak (Jack Lowden), aufgewachsen in Englands Provinz, sehen ihre kühnsten Träume wahr werden, als sie beim Probetraining der World Wrestling Entertainment antreten dürfen. Die Wege der Geschwister trennen sich allerdings, als nur Paige einen Platz im hart umkämpften Ausbildungsprogramm erhält. Sie muss ihre Familie verlassen und sich von nun an allein im Ring dieser gnadenlosen Welt des Showbiz stellen. Sie ist keine konventionelle Cheerleader-Schönheit wie der Großteil ihrer Mitstreiterinnen, doch sie hat Talent, jede Menge Ehrgeiz und ein großes Ziel vor Augen: sie will endlich ihren Traum vom Wrestling leben…

Es genügt schon ein Blick darauf, wo «Fighting With My Family» Ende Januar 2019 seine Weltpremiere feierte: Das war nämlich auf dem Sundance Filmfestival; eine Veranstaltung, die sich vor allem auf kleinere Independent-Produktionen spezialisiert hat, wo schon viele Geheimtipps («Saw», «Donnie Darko», «Little Miss Sunshine»…) ihre Geburtsstunde erlebt haben. Auch der erste Kinostart am 14. Februar erfolgte lediglich in ausgewählte Kinos, eh die elf Millionen US-Dollar teure Produktion dank positiver Resonanz eine gute Woche später eine breite Veröffentlichung erhielt. Der Film spielte darauf hin mehr als das Dreifache seines Budgets wieder ein und erhielt von den Kritikern fast ausschließlich positive Besprechungen. Das ist aber auch kein Wunder, denn «Fighting With My Family» erweist sich als so etwas wie das Rundum-Sorglos-Paket einer Wohlfühl-Komödie, die die durchaus tragische Lebensgeschichte der ehemaligen Profi-Wrestlerin Saraya-Jade Bevis mit viel Fingerspitzengefühl und nie auf Kosten billiger Gags nacherzählt.

Um die Tragweite ihrer Geschichte zu verstehen, muss man kein Wrestling-Fan sein. Die Begeisterung für den Sport überträgt sich durch die im Mittelpunkt der Geschichte stehende Knight, deren Zusammenhalt mindestens genauso stark ist, wie der Wille, irgendwann einmal bei den ganz Großen des Business mitzuwirken, mindestens genauso groß ist, sodass es nicht lange dauert, bis sich der Enthusiasmus auch auf das Publikum überträgt.

Weniger Witz, viel mehr Herz


Dabei ist der Filmtitel «Fighting With My Familiy» absolut mehrdeutig zu verstehen. Regisseur und Autor Stephen Merchant (arbeitete mit Dwayne Johnson bereits für «Zahnfee auf Bewährung» zusammen) erzählt in seiner 108 Minuten langen Tragikomödie nicht bloß von einer sportbegeisterten Familie mitsamt sportfilmtypischem Aufstieg einer einzelnen Athletin. Die Kämpfe, die die einzelnen Familienmitglieder austragen, sind vor allem emotionaler Natur. Im Zentrum steht hier in erster Linie das Geschwisterpaar Zak und Paige, dessen enge Bindung durch Paiges Karriereweg auf eine harte Probe gestellt wird. Wenngleich Merchant bei der Inszenierung letztlich nur die klassischen Stationen ähnlich gelagerter Genrekost à la «Rocky» abklappert – danach, in welchem Abstand sich hier Aufstieg, Fall und Wiederaufstieg abspielen, lässt sich eigentlich sogar die Uhr stellen – tut er das durch den Fokus auf Paige und ihren Bruder mit so viel Aufrichtigkeit, dass der Sport selbst plötzlich einen viel höheren Stellenwert gewinnt, als einzig und allein auf Erfolg abzielende Körperertüchtigung zu sein.

Stattdessen geht es um die Ängste: Auf der einen Seite Paiges Angst davor, im Business nicht zu bestehen. Auf der anderen Seite Zaks Angst davor, am geplatzten Traum von der Profikarriere zu zerbrechen. Und letztlich die Angst beider, dass durch all das das geschwisterliche Band zwischen ihnen zerreißt.

Künstlich auf die Tränendrüse drückt Stephen Merchant dabei nie; selbst wenn er die Glaubwürdigkeit einiger erzählerischen Entwicklungen in der zweiten Hälfte (von denen die echte Familie Knight stets behauptet, ihr Wahrheitsgehalt läge bei 97 Prozent) klar der Dramaturgie unterordnet, liegt sein Fokus im Falle von «Fighting With My Family» auf dem Spaß – ironisch, wenn man sich einmal anschaut, wie die Karriere der echten Paige letztlich ihr tragisches Ende nahm. Dazu passt auch die Besetzung; etwa dass der Vater Ricky Knight von Komiker Nick Frost («The World’s End») verkörpert wird, oder der erbarmungslose WWE-Trainer Hutch Morgan von Vollblut-Comedian Vince Vaughn («Hacksaw Ridge – Die Entscheidung»), während sich Hauptdarstellerin Florence Pugh («The Commuter») aufgrund ihres wandlungsfähigen, aufopferungsvollen Spiels als fantastische Neuentdeckung erweist.

So richtig albern wird es allerdings nie. Stattdessen ergibt sich die Komik oftmals ganz natürlich aus der Situation heraus und bleibt einen ein ums andere Mal sogar regelrecht im Halse stecken (etwa wenn Stephen Merchant drei ehemalige Models und Cheerleaderinnen als den ständig freizügig herumlaufenden Männertraum eines dummen Blondchens inszeniert, nur um ausgerechnet Hauptfigur Paige dieses Vorurteil in einem besonders starken Moment um die Ohren zu hauen). Auch Selbstfindung und -akzeptanz spielen in «Fighting With My Family» eine große Rolle und machen aus dem Film letztlich eine absolut inspirierende, wahre Geschichte, die den Sport durch übersichtlich gefilmte und durchdacht choreographierte Wrestlingszenen letztlich auch für Laien faszinierend veranschaulicht.

Fazit


«Fighting With My Family» ist eine herzerwärmende Geschichte über familiären Zusammenhalt und ein inspirierendes Plädoyer für den Glauben an sich selbst. Damit erzählt Regisseur und Autor Stephen Merchant eigentlich nichts Neues. Aber das, was er erzählt, trägt er voller Inbrunst und Aufrichtigkeit vor, sodass man gar nicht anders kann, als mit der ehrgeizigen Wrestlerin Paige mitzufiebern.

«Fighting With My Family» ist ab dem 1. Mai in den deutschen Kinos zu sehen.

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