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Hollywoods langsame Näherung an queere Themen

von   |  6 Kommentare

Die Repräsentation der LGBTQ+-Community schleicht sich langsam aus dem nischigen Drama in Hollywoods Mainstream. Aber es gibt noch immer Produktionen, bei denen Hollywood Scheuklappen aufsetzt.

Seit vergangener Dekade ist Hollywood im Umgang mit Schwulen und Lesben eindeutig vorangekommen. Noch gegen Ende der 2000er-Jahre war es in Mainstreamfilmen Alltag, dass queere Menschen entweder gar nicht vorkommen oder als Ziel abwertender Gags herhalten mussten. Laut selbstkritischen Aussagen von einigen Filmschaffenden nicht einmal stets aus intoleranter Absicht, sondern gelegentlich aus beschämender Nachlässigkeit. So blickt Seth Rogen unzufrieden auf die von ihm geschriebene Teeniekomödie «Superbad» aus dem Jahr 2007 zurück. Rogen, der seit vielen Jahren mit seiner schwulen Fangemeinde kokettiert und für das Queer-Fotomagazin 'PINUPS' posierte, sagte mit einigen Jahren Abstand zu diesem Film, dass er einige der Dialoge in «Superbad» als homophob erachtet – was nicht seine Absicht gewesen sei. Er hätte die Geschichte schlicht zu intensiv aus der Sicht pubertierender, sich in Machogehabe übender Jungs erzählt und deren Vokabular zu unkritisch übernommen.

Neuere Filme von Seth Rogen vermeiden solche Fehltritte. «Bad Neighbors 2» etwa zeigt eine gleichgeschlechtliche Beziehung zwischen zwei männlichen Nebenfiguren und wendet nicht einen einzelnen Gag darüber auf, sondern feiert die Verlobung der beiden Figuren als etwas ebenso schönes wie normales. Die Schlagzahl solcher Filme nimmt zu, ebenso wie die von Filmen wie «Battle of the Sexes – Gegen jede Regel», einer Sportler-Dramödie mit Emma Stone und Andrea Riseborough, die die lesbische Tennisspielerin Billie Jean King zelebriert und ihre sexuelle Orientierung bloß als ein Unterthema des Films anpackt, statt daran die gesamte Handlung anzupacken, wie es einst der Fall gewesen wäre. Und mit «Love, Simon» gibt es nun endlich auch eine Teeniekomödie eines Hollywood-Major-Studios, die eine gleichgeschlechtliche Beziehung im Fokus hat.

Auf zum Oscargold


Zudem sind seit den 2014 abgehaltenen, 86. Academy Awards kontinuierlich Filme mit queeren Themen unter den Nominierungen und (wichtiger noch) unter den Gewinnern vorzufinden. Diese Reihe begann mit dem AIDS-Drama «Dallas Buyers Club», das sechs Nominierungen und drei Preise erhielt, bei den 87. Oscars folgte «Imitation Game», das achtfach nominierte biografische Drama über Alan Turing, den Erfinder des Computers, der aufgrund seiner Homosexualität im England der 1950er-Jahre zum unmenschlichen Prozess der chemischen Kastration gezwungen wurde. Der Film mit Benedict Cumberbatch und Keira Knightley gewann einen Academy Award, und zwar fürs beste Drehbuch.

Die 88. Academy Awards trumpften mit dem sechsfach nominierten Lesbendrama «Carol» mit Rooney Mara und Cate Blanchett auf, das übrigens demnächst im Ersten ausgestrahlt wird. Außerdem wurde «The Danish Girl» für vier Oscars nominiert. Das Historiendrama über die erste geschlechtsanpassende Operation erhielt einen Academy Award, und zwar für Nebendarstellerin Alicia Vikander.

Bei den legendär gewordenen 89. Academy Awards gewann das Schwulendrama «Moonlight» drei Oscars – darunter (nach einer Verwechslung, die «La La Land» involvierte) den für den besten Film. Insgesamt wurde der einfühlsame Film über die Lebenssituation homosexueller Schwarzer aus finanzschwachen Schichten für acht Oscars nominiert. Bei den diesjährigen Academy Awards repräsentierte wiederum «Call Me by Your Name» das queere Kino. Der rührende Film über einen jungen Italiener, der sich in einen etwas älteren Amerikaner verliebt, gewann die Trophäe in der Kategorie 'Bestes adaptiertes Drehbuch' und wurde in drei weiteren Kategorien nominiert.

Je größer das Budget, umso niedriger die Repräsentationsquote


Es gibt jedoch noch immer Nachholbedarf. Denn sobald es um die ganz großen Kinofilme geht, die Blockbuster, die über das Budget einer kleinen Nation verfügen, ist Hollywood munter darin, Repräsentation zu versprechen. Aber im Liefern dieser Repräsentation ist die Traumfabrik noch arg zurückhaltend. Der größte 'Übeltäter' dahingehend ist aktuell wohl «Star Wars»: In Interviews vor dem «Solo: A Star Wars Story»-Start erklärten Donald Glover und Drehbuch-Koautor Jonathan Kasdan, dass Glovers Figur Lando pansexuell sei – was im Film jedoch nicht angesprochen wird. Es sei denn man nimmt einen Gag darüber, dass körperliche Mensch-Droiden-Beziehungen möglich sind, und läuft damit Kopfkinoamok. Ebenso wird in einem Begleitroman zu «Star Wars – Die letzten Jedi» angedeutet, dass Laura Derns Figur General Holdo nicht heteronormativ fühlt und denkt, aber auf die Leinwand hat es diese Seite Holdos nicht geschafft. Ebenso sehr wurde eine der beliebtesten Kuppeleien der «Star Wars – Das Erwachen der Macht»-Fans in Rian Johnsons Blockbuster torpediert: Zahlreiche Fans wünschten sich eine Beziehung zwischen Finn und Poe – eine Idee, die die Darsteller John Boyega und Oscar Isaac in Interviews eifrig unterstützen, aber weiterhin bloßes Wunschdenken ist.

Das «Star Wars»-Schwesternfranchise, das ebenfalls im Disney-Konzern beheimatete 'Marvel Cinematic Universe', befindet sich in einer ähnlichen Lage. Während in den Fernsehserien queere Figuren auftauchen, darunter die von Carrie-Anne Moss gespielte Anwältin Jeri, gibt es in den Kinofilmen der Marvel-Studios-Reihe keine offene Thematisierung von non-hetero Beziehungen. Im Falle der «Thor – Tag der Entscheidung»-Nebenfigur Valkyrie wurde sogar eine bereits abgedrehte Szene, die klar machen sollte, dass sie nicht nur an Männern interessiert ist, aus dem Film gekürzt – vermeintlich aus Tempogründen. Valkyries Outing als bisexuell kam so einmal mehr exklusiv in Form von Interviewaussagen.

Aber nicht nur der Disney-Konzern hält sich damit zurück, in seinen kostspieligsten Filmen die LGBTQ+-Community zu repräsentieren. So outete «Harry Potter»-Schriftstellerin J. K. Rowling Fanliebling und Harry-Mentor Albus Dumbledore als schwul, was weder in den Romanen, noch in den bisherigen Filmen thematisiert wurde und Vorabberichten zufolge auch im kommenden «Phantastische Tierwesen»-Sequel ausgeblendet wird. All dies sind nur ein paar von vielen Beispielen. Schwule, lesbische und bisexuelle Repräsentation sind in den teuersten Popcornfilmen noch eine Rarität, geschweige denn die von Transgendern. Hollywood entwickelt sich, hat aber dennoch einiges aufzuholen.

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Es gibt 6 Kommentare zum Artikel
Quotermain
29.06.2018 09:20 Uhr 1
War ja zu erwarten, so ein Artikel
STAC
29.06.2018 11:33 Uhr 2
War ja zu erwarten, so ein Kommentar.
ZehnGrammZucker
29.06.2018 12:03 Uhr 3
Prinzipiell finde ich den Artikel gut ... zumindest die Tatsache, dass es ihn gibt. Aber mit dem 2. Abschnitt stimme ich nicht ganz überein.



Als Mitglied der LGBT+ Community brauche ich persönlich keine Lovestories in den genannten Blockbustern und vermisse sie auch nicht. Ist ja nicht so als gäbe es bei MCU und Star Wars zig Liebesgeschichten. Selbst Hetero-Beziehungen sind da doch Mangelware. Und das ist ja nicht schlimm. Denn die Geschichte soll dem Film dienen und nicht umgekehrt. Finn und Poe müssen nicht On-Screen ein Paar sein, wenn es einfach null mit der Story zu tun hat. Falls doch, dann gerne.



Genauso verhält es sich mit Dumbledore im HP-Franchise. Rowling hat Dumbledores sexuelle Orientierung nie in den Vordergrund gestellt oder zum Teil der Geschichte gemacht. Sie hat die Figur lediglich geoutet, weil die Autoren des 6. Films Dumbledore ursprünglich eine Zeile im Film hatten, in der er sagt, er sei einst auch in eine Frau verliebt gewesen. Rowling lies das rausstreichen, weil Dumbledore in IHREN Gedanken eben schwul ist. Aber das ändert nichts an der restlichen Story. Dabei hätte Rowling genug Möglichkeiten gehabt die Beziehung zu Grindelwald besser hervorzuheben, aber dann frag ich mich eben: Wieso sollte Sie? Nur der Diversity wegen? Ich bräuchte auch keine dramatische Liebesgeschichte, wenn Grindelwald eine Frau wäre, weil es auf den Verlauf der Hauptfigur (in dem Fall: Harry Potter und nicht Dumbledore) keinen Einfluss hat.
Quotermain
29.06.2018 13:41 Uhr 4


Genau so ist es.

Die Geschichte muß sich selbst tragen und was zu erzählen haben, was dem Film nutzt.



Aber das paßt so nicht in diese Schwulen/Feminismusdiskussionen.

Wenn man sich schon die Synopsis von "Love, Simon" anschaut, der ja eigentlich auf einem Buch namens "Simon vs. the Homo Sapiens Agenda" beruht.

Lassen wir mal die "Agenda" weg, was bleibt ist die Charakterbeschreibung: Schwul und mag Oreos.

Das ist mal ne fundierte Charakterzeichnung.



Die ist ja noch flacher als die von Rey, Finn oder Poe.

Und wenn einem keine Chrakterzeichnung einfallen will, nimmt man heute halt gerne Message dazu.

Vielleicht ist Poe ja homosexueller Transgender?
STAC
29.06.2018 14:15 Uhr 5
Es handelt sich um einen Teenie-Liebesfilm. Da kenne ich wenige bis keine Beispiele, in denen die Figuren allzu detailliert und fein gezeichnet sind. In "Eine wie keine" beispielsweise sind es das Geek-Girl und der Sportler - natürlich hetero, das muss man da ja nicht dazu sagen, ist halt so.
Anonymous
29.06.2018 16:03 Uhr 6


Danke für deinen Kommentar. Und: Ja, so kann man es natürlich sehen, das ist absolut kein Problem. Und ich stimme dir eh insofern zu, dass auch in meinen Augen zu viele Blockbuster eine aufgezwungene Liebesgeschichte haben, die erzählerisch nichts trägt und formelhaft erscheint. Daher bin ich zum Beispiel jemand, der hofft, dass Rey aus der neuen SW-Trilogie Single bleibt. Einfach mal auslassen, das ganze romantische Gedöns.



Aber: WENN es schon romantische Nebenplots geben "muss", wieso dann nicht mehr Abwechslung und so erstens die Wirklichkeit mehr abbilden und zweitens stärker vorleben, dass es völlig selbstverständlich ist, nicht der Hetero-"Norm" zu entsprechen? Es schadet ja niemandem, kann aber jungen Menschen helfen, die entweder ihnen entsprechende Identifikationsfiguren brauchen (manche Leute brauchen sowas einfach, um stärker mitzufiebern und sich bestätigt zu fühlen, andere nicht) oder alternativ mediale Vorbilder, die etwaige Vorurteile gegenüber LGBTQ+ aus ihrem realen Umfeld aufwiegen. Denke, mediale Sichtbarkeit ist da so ein steter Tropfen, der so manchen Stein höhlen kann.
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