Die Kino-Kritiker

Turbulente Produktionsgeschichte, harmloser Film: «Solo: A Star Wars Story»

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Viel wurde über den Rummel hinter den Kulissen von «Solo: A Star Wars Story» geschrieben und gesagt. Dieser Wirbel ist dem fertigen Film allerdings nicht anzumerken.

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Genremix


«Star Wars» an den deutschen Kinokassen

  • «Krieg der Sterne»: 8,02 Mio. Ticketverkäufe
  • «Das Imperium schlägt zurück»: 5,05 Mio. Ticketverkäufe
  • «Die Rückkehr der Jedi-Ritter»: 5,05 Mio. Ticketverkäufe
  • «Die dunkle Bedrohung»: 8,97 Mio. Ticketverkäufe
  • «Angriff der Klonkrieger»: 5,70 Mio. Ticketverkäufe
  • «Die Rache der Sith»: 5,62 Mio. Ticketverkäufe
  • «Das Erwachen der Macht»: 9,02 Mio. Ticketverkäufe
  • «Rogue One»: 3,99 Mio. Ticketverkäufe
  • «Die letzten Jedi»: 5,89 Mio. Ticketverkäufe
Aber was gibt es denn nun zu sehen, wenn man weder erwartet, ein filmtechnisches Wrack zu bestaunen, das durch einen chaotischen Produktionsprozess manövriert wurde, noch, dass «Solo» dank Telepathie alle eigenen Theorien über seine Titelfigur auf die Leinwand bringt? Nun, entgegen der Aussagen Donald Glovers, der wenige Wochen vor Kinostart behauptete, «Solo» sei der bislang lustigste «Star Wars»-Film, steht keine Weltall-Abenteuerkomödie zu erwarten. In Sachen Gagfrequenz reicht «Solo» längst nicht an «Star Wars – Das Erwachen der Macht» oder «Star Wars – Die Rückkehr der Jedi-Ritter» heran. Allerdings ist «Solo» gewissermaßen der leichtfüßigste aller bisherigen «Star Wars»-Realfilme.

Ohne die hochdramatische Skywalker-Familiengeschichte, das Schicksal der Galaxie entscheidende Schlachten und eine unmittelbare, ständige Präsenz des finsteren Imperiums geht «Solo» ein großes Element der Bedrohung abhanden, das sonst die «Star Wars»-Narrative vorantreibt. «Solo» handelt primär davon, wie Han Solo durch eine Reihe von Betrügereien/Missionen/Herausforderungen von einem orientierungslosen Niemand mit großer Klappe zu dem abenteuererfahrenen, kernigen Typen wird, den wir aus dem «Star Wars»-Originalfilm von 1977 kennen. Das ist eh schon eine eher behutsame Charakterentwicklung, und die Kasdans sowie Regisseur Ron Howard packen dies in den meisten Szenen mit einer entsprechenden Unbekümmertheit an. «Solo» ist ein Mischmasch aus Weltallwestern, Heist-Movie und Rabaukenabenteuer, und als solches will dieser Film in erster Linie unterhalten, in zweiter Linie ab und zu ein paar Lacher provozieren und erst in dritter Linie Spannung schüren oder zum Staunen einladen.

Zuweilen scheinen die Filmschaffenden die nahezu zwangsweise niedrige Fallhöhe durch Szenen kompensieren zu wollen, die den Mangel an Dramatik in «Solo» ungelenk überkompensieren. Anders als eine gewisse Trilogie innerhalb der «Star Wars»-Saga, die ebenfalls eine Geschichte mit klarem Ausgang anreißt, erzählt «Solo» nun einmal nicht vom tiefen, tiefen Fall ihrer Hauptfigur. Dass sich die Kasdans nicht völlig auf die relative 'Harmlosigkeit' ihrer Han-Solo-Geschichte verlassen wollen, und daher ein paar aufrüttelnde Nebenschauplätze aufmachen, ist in der Theorie ja noch nachvollziehbar. Allerdings ist es fraglich, ob sie so sehr übers Ziel hinausschießen mussten wie in «Solo» geschehen. Zwischenzeitlich wird dieses Han-Solo-Soloabenteuer nämlich, um den Vergleich zu einem 'benachbarten' Franchise aufzumachen, fast schon zum «Iron Man 2» des «Star Wars»-Universums. Statt neue Elemente der Filmwelt nebenbei einzuführen, unterbrechen die Kasdans diese vermeintlich in sich abgeschlossene, dabei als Teil eines größeren Ganzen dienende, Geschichte, um redselig, unsubtil und schwerfällig potentiellen Stoff für kommende «Star Wars»-Projekte zu etablieren.

Da sich dieses bemühte "Weltbilden zum Zweck des Quasiankündigens weiterer Erzählungen" in «Solo» zudem in seiner schlimmsten Form an einer einzelnen Stelle ballt, geht «Solo» schlussendlich die erzählerische Puste aus sowie seine intendierte Rabauken-Abenteuerlaune. Kombiniert damit, dass zumindest die Nahkämpfe in diesem Film weder Flair noch eine innere Dramaturgie aufweisen, bleiben nur zwei Elemente als die Stärken dieser «Star Wars Story» übrig: Geplänkel und Raubzüge.

Solo und seine Spießgesellen


Getreu seiner Heist-Movie-Elemente ist «Solo» dann am besten, wenn eigenwillige Figuren verbal interagieren oder eine knifflige Mission planen und umsetzen. Selbst wenn letztgenannter Punkt in keine atemberaubenden Setpieces mündet, sind die Ecken des «Star Wars»-Universums, in denen hier geplündert wird, visuell interessant gestaltet und Kameramann Bradford Young («Arrival») verleiht ihnen durch eine meist sehr schattige, je nach Schauplatz von unterschiedlichen Farbtönen geprägte Beleuchtung eine ganz eigene Stimmung. Und selbst ohne mitreißende Actionchoreografie weiß die semi-funktionale Figurentruppe rund um den von Alden Ehrenreich schroff-charmant gespielten Han Solo, der ein größeres Herz hat als er zuzugeben gewillt ist, diese Raubzüge narrativ zu tragen.

Insofern ist es bedauerlich, dass die Helden wider Willen (oder sind es doch Anti-Helden wider Willen?) trotz einer Filmlaufzeit von 135 Minuten vergleichsweise wenig Gelegenheit haben, einfach nur miteinander zu plaudern. Denn in diesen Passagen laufen das Ensemble, das Skript der Kasdans und die Regieführung zu ihrer besten Form auf. Wenn Solo etwa daran arbeitet, sich einen Ruf aufzubauen. Wenn Szenendieb Donald Glover sich köstlich darin genießt, als Lando fabelhaft in der Gegend herumzusitzen und zufrieden zu grinsen. Wenn Woody Harrelson wieder einmal eine Variante seiner selbst spielt. Oder Emilia Clarke in ihrer Rolle der Qi'ra zügig zwischen nostalgischen Kindheitsgefühlen und kühler Eleganz hin und her wechselt. Und natürlich, wenn wieder einmal ein «Star Wars»-Film von seinen Droiden überschattet wird, dieses Mal von Phoebe Waller-Bridge als die keinerlei Ungerechtigkeit erduldende Droidin L3-37.

Wortgefechte, Planbesprechungen und auch einige der ruhigeren Momente (Ehrenreich und Clarke haben eine glaubwürdige Raufbold-und-Abenteurerin-Chemie miteinander) sind es also, die «Solo» am Laufen halten, wenn der Plot phasenweise zu vorhersehbar und die Action zu gleichgültig geraten. Und während der von «Avengers | Infinity War»-Ensemblemitglied Paul Bettany gespielte Gangsterboss Dryden Vos trotz kecker Selbstgefälligkeit angesichts seiner austauschbaren Plotfunktion zu einem der lahmeren «Star Wars»-Schurken wird, tobt sich zumindest Komponist John Powell («Drachenzähmen leicht gemacht») unbehelligt von den Aufs und Abs des Filmgeschehens aus.

Powell kombiniert Versatzstücke bekannter musikalischer Motive aus der «Star Wars»-Originaltrilogie mit markanten, neuen Stücken, die sich aber an der von John Williams etablierten, akustischen Grammatik bedienen. Dies ergibt eine vergnügt-verwegene Klangtapete, die zudem behände zwischen begleitender Funktion und aggressiverer Präsenz im Film zu switchen weiß. Darüber hinaus schafft es Powell, in seinen Kompositionen sehr subtil und gewieft bereits im ersten Filmdrittel Elemente aus dem Finale vorzubereiten. Was das Drehbuch also gelegentlich an Cleverness missen lässt, hat immerhin der Soundtrack zu bieten.

Fazit


«Solo: A Star Wars Story» ist ein vergleichsweise kleiner, unaufgeregter «Star Wars»-Film, dem seine Produktionsgeschichte nicht anzumerken ist und der seinen Status als launige Weltallwesternganovenposse gegen Ende aufgibt, um in «Iron Man 2»-Manier aufdringlich mögliche Fortsetzungen und/oder Ablegerfilme anzukündigen. Während die Action eher enttäuscht, ist die Figureninteraktion kurzweilig geraten – nur will sich dieser Film nicht auf diese Stärke beruhen.

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