Interview

«Berlin - Tag & Nacht»-Produzentin Marie Hölker: „Die vielen Veränderungen sind ein immenser Kraftakt“

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Seit vergangenem Herbst arbeitet Marie Hölker jetzt als Produzentin für «Berlin – Tag & Nacht». Sie wechselte von der Konkurrenz, von «Gute Zeiten, schlechte Zeiten»: Die authentische RTL II-Soap will sie jetzt Rejustieren. Erste Veränderungen sind auf dem Schirm schon zu sehen, weitere sollen folgen. Mit uns sprach sie über «Köln 50667» als Vorbild, die Streitkultur in ihrer Serie, das neue Arbeiten mit Regisseuren sowie die geänderte Vermarktung der «BTN»-Stars.

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Sie erzählen zur Zeit eine Geschichte rund um eine Vergewaltigung, eine andere Figur will, um an Geld zu kommen, eine Niere verkaufen. Das sind ja keine harmlosen Themen. Gibt es Grenzen in solchen Serien?
Ja und nein. Nein, weil tägliche Serie ja längst und relativ leichthändig sogar Mord und Totschlag erzählt hat, bei «Alles was zählt» ist die Rolle Maximilian einmal von einem bösen Widersacher lebendig begraben worden. Das wäre ja unerträglich, müsste man es ganz ernst nehmen. Entscheidend ist also nicht nur das Thema, sondern auch die Tonlage einer Story und die Frage, in welcher Welt eine Serie spielt - all das bestimmt darüber, wie nah ein Thema den Zuschauern emotional kommt. Von «BTN» erwarten die Zuschauer Charaktere und Konflikte, die sie aus ihren eigenen Lebensumständen heraus glaubwürdig finden können, überzeugend, nachvollziehbar, echt. Sie wollen das Leben in der Serie so gezeigt bekommen, wie es wirklich ist. Ich muss mich also zuerst fragen: Kann ich ein Thema so umsetzen, dass es diesem hohen Anspruch an Authentizität gerecht wird? Falls ja, folgt die Frage: Kann ich unserem Publikum die tägliche Auseinandersetzung mit dem Thema zumuten? Und da gibt es dann Grenzen. Ganz abgesehen davon, dass wir auch noch den Jugendschutz beachten müssen.

Es gibt in der Branche durchaus die Ansicht, tägliche Serie in der access primetime solle nicht mehr sein als das vertraute Hintergrundrauschen, während das Abendbrot zubereitet wird. Ich finde aber, als Serienmacher kommuniziert man mit seinem Publikum und transportiert Bilder - Männerbilder, Frauenbilder sind das griffigste Beispiel. Tragen alle Frauen in einer täglichen Serie High heels, sind schlank und perfekt geschminkt, dann ist das eine Botschaft.
Marie Hölker, seit Ende 2017 Produzentin von «Berlin - Tag & Nacht»
Ebenfalls in unserem Interview von 2012 hatten Sie erzählt, dass sich aus Ihrer Sicht der ganz klassische Antagonist totgelaufen habe. Lieber Graustufen als schwarz und weiß sozusagen. Gilt das auch heute noch?
Mehr denn je. Wir leben meiner Meinung nach in einer Zeit gefährlicher Vereinfachungen - Fake News, polemisierende Zuspitzungen, mit Nachdruck vorgetragene, aber unbewiesene Behauptungen, schlichte Freund-Feind-Achsen bestimmen ganz offen politisches Weltgeschehen. Sie können jetzt fragen, was hat das mit täglicher Serie zu tun? Es gibt in der Branche durchaus die Ansicht, tägliche Serie in der access primetime solle nicht mehr sein als das vertraute Hintergrundrauschen, während das Abendbrot zubereitet wird. Ich finde aber, als Serienmacher kommuniziert man mit seinem Publikum und transportiert Bilder - Männerbilder, Frauenbilder sind das griffigste Beispiel. Tragen alle Frauen in einer täglichen Serie High heels, sind schlank und perfekt geschminkt, dann ist das eine Botschaft. Macht eine tägliche Serie es sich einfach und unterteilt die Welt in Gute und Böse, dann entfaltet auch das auf Strecke eine Wirkung. Ich möchte nach wie vor lieber dazu einladen, zweimal hinzuschauen, bevor man sich eine Meinung bildet.

«Köln 50667» ist zur Zeit regelmäßig noch erfolgreicher als «BTN» – zunächst gefragt: In welchen zentralen Punkten unterscheiden sich die beiden Soaps denn voneinander?
Ich möchte mit allem Respekt für die erfolgreiche Arbeit der Kölner Kollegen und in aller Dankbarkeit für das starke Lead-in, von dem wir ohne jeden Zweifel profitieren, der Prämisse widersprechen. Die Sendeplätze sind nicht ohne Weiteres miteinander vergleichbar. «Berlin Tag & Nacht» läuft in Konkurrenz zu zwei starken Marken täglichen Erzählens, «AWZ» und «GZSZ». Natürlich wünsche ich mir noch deutlich höhere Quoten für uns, aber ich bin schon sehr glücklich darüber, wie wir im Vergleich zum Vorjahr aktuell dastehen. Etwas, das die Kollegen von «Köln 50667» uns aber voraus haben: Sie haben die Rejustierung ihrer Serie zum richtigen Zeitpunkt vollzogen. Doch das Flagschiff grundsätzlich anzupacken, birgt in der Wahrnehmung aller Beteiligten in Produktion, Produktionsfirma und Sender immer ein besonderes Risiko. Das längere Zögern bei «BTN» ist also verständlich. Hier war es außerdem klug, nicht beide Serien gleichzeitig in einen Veränderungsprozess zu schicken.

Und: Können Sie sich von den Kollegen auch etwas abschauen?
Beide Serien sind längst eigenständige Marken, deshalb sollten beide Serien auch unterschiedliche Schwerpunkte setzen - ich denke, die Kölner Kollegen wären wenig erfreut, wenn ich anfangen würde, sie zu kopieren. Aber ich höre immer wieder mal, dass es in der Kölner Produktion wohltuend entspannt zugehen soll - den Zustand wünsche ich mir für das Berliner Team unbedingt auch und bin wild entschlossen, ihn nach der Umbruchphase auch zu erreichen!

Wenn wir bei «BTN» mal auf den Sommer und Herbst 2018 blicken: Welche Veränderungen wollen Sie anstoßen? Kommen neue Figuren, welche großen Geschichten stehen an?
Ich möchte den begonnenen Weg hin zu einer ambitionierten, ehrlichen, alltagsnahen fiktionalen täglichen Serie fortsetzen. Mehrere neue Figuren werden den BTN-Kosmos bereichern. Nik aus der Kids-WG wird von seiner Vergangenheit eingeholt und wir werden langsam verstehen, warum er sich seit einiger Zeit immer öfter in Party-Exzesse stürzt, als gäbe es kein Morgen. Jannes wird als Konsequenz seines leichtfertigen Umgangs mit den Legal Highs eine sehr harte Zeit durchleben und wir müssen uns wirklich Sorgen um ihn machen, ob er wieder ganz der Alte wird. Gegen eine Figur scheint sich das Leben verschworen zu haben, während eine andere fest an eine neue große Liebe glaubt - vielleicht zurecht? Mindestens ein Paar findet sich und schwebt auf Wolke sieben, mindestens eines verliert sich. Während Berlin eine laue Sommernacht feiert, hat jemand das Gefühl, so nicht weiterleben zu können. Und Papa Joe möchte nach erneuter Enttäuschung einmal mehr endlich egoistischer werden, anstatt sich für alle verantwortlich zu fühlen - ob er es diesmal schafft? Das war jetzt der Sommer...

Danke für das Gespräch.

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