Die Kino-Kritiker

«Das Versprechen eines Lebens»

von

Oscar-Preisträger Russell Crowe führt mit dem soliden Drama «Das Versprechen eines Lebens» erstmals Regie bei einem Spielfilm.

Filmfacts «Das Versprechen eines Lebens»

  • Regie: Russell Crowe
  • Produktion: Troy Lum, Andrew Mason, Keith Rodger
  • Drehbuch: Andrew Anastasios, Andrew Knight
  • Darsteller: Russell Crowe, Olga Kurylenko, Jai Courtney, Cem Yılmaz, Yılmaz Erdoğan
  • Musik: David Hirschfelder
  • Kamera: Andrew Lesnie
  • Schnitt: Matt Villa
  • Laufzeit: 111 Minuten
Zu sagen, dass Russell Crowe förmlich am Filmset aufgewachsen ist, stellt keine Übertreibung dar: Die Eltern des Oscar-Preisträgers waren als Caterer für australische Film- und Fernsehproduktionen tätig und nahmen ihn regelmäßig mit zur Arbeit. Alsbald wurde er als Kinderdarsteller für Minirollen engagiert, als Jugendlicher schlug er dann gezielt eine Schauspielkarriere ein, die ihn zum Beispiel unter der Führung solcher Regie-Schwergewichte wie Michael Mann, Ridley Scott, Ron Howard und Peter Weir agieren ließ. Der 51-Jährige blickte in all dieser Zeit jedoch wiederholt über den Tellerrand und versuchte sich in anderen Bereichen – unter anderem betätigte er sich als Rocksänger sowie als Regisseur. Bislang begnügte sich Crowe aber mit zwei Kurzdokumentationen und einer weniger als 80 Minuten langen Tournee-Doku über seine Band 'Thirty Odd Foot of Grunts'.

Mit «Das Versprechen eines Lebens» aber feiert Crowe schlussendlich sein Debüt als Spielfilm-Regisseur – und obschon dieses Historien- und Kulturverständigungsdrama so seine Schwächen hat, kann man ihm eins nicht absprechen: Russell Crowe steckt all sein Herzblut in diese filmische Verarbeitung eines geschichtlichen Kapitels, das im Massenkino bislang nahezu gar keine Beachtung erhalten hat. Der Film handelt nämlich von der Schlacht von Gallipoli und den daraufhin angespannten Beziehungen zwischen der Türkei und Australien. Die Bezugsperson, mit der das Publikum dieses Thema für sich entdeckt, ist der australische Farmer Joshua Connor (Russell Crowe), dessen drei Söhne kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs freiwillig der Armee beitreten. Diese beteiligen sich am australischen Feldzug gegen die Türkei – und kehren nie wieder heim.

Joshua und seine Frau können mit dem Verlust ihrer Kinder nicht umgehen, wobei es der Mutter der drei Jungs Art, Henry und Edward durch diesen Schicksalsschlag deutlich schlechter ergeht. Nach ihrem unerwarteten Selbstmord besinnt sich der Witwer an das einst abgegebene Versprechen, seine Söhne zurück nach Hause zu holen – sei es, um sie wieder in seinen Armen halten zu können, oder um ihren sterblichen Resten eine würdevolle Bestattung auf heimischen Boden zu geben. In der Türkei angekommen, gerät Joshua aber an den bürokratischen Apparat der Briten sowie an das türkische Militär, das sich weigert, einen Angehörigen des Kriegsgegners zu unterstützen. Mit der moralischen Unterstütung der Hotelbesitzern Ayshe (Olga Kurylenko) und mit unverhoffter tatkräftiger Hilfe von Major Hasan (Yılmaz Erdoğan) sowie Sergeant Cemal (Cem Yılmaz) hält Joshua dennoch an seinem Vorhaben fest …

Wenn ein Schauspieler nach Jahrzehnten vor der Kamera plötzlich hinter die Kamera tritt und dann obendrein Themen wie Volkerverständigung und/oder Krieg anpackt, ist der Vorwurf nicht fern, dass sich der zum Regisseur gewandelte Mime nur in den Augen diverser Preisjurys profilieren möchte. «Das Versprechen eines Lebens» als solche Awards-Buhlerei zu etikettieren wäre jedoch voreilig. Nicht nur, weil sich Crowe entgegen der üblichen Oscar-Bait-Methoden für ein westlich der Türkei wenig diskutiertes geschichtliches Grundthema entschieden hat und obendrein die Figur des Joshua frei nach einem nicht in den Geschichtsbüchern festgehaltenen Mann interpretierte, der dem Mimen seine Familiengeschichte in einem Brief nacherzählte. Vor allem übertrifft «Das Versprechen eines Lebens» solche Machwerke wie Angelina Jolies verhohlenes Melodrama «Unbroken», da pathetische Tränenzieher-Momente ebenso ausbleiben wie berechnende Augenblicke, die der Publikumsanbiederung dienen.

So verzichtet das Drehbuch der Autoren Andrew Anastasios und Andrew Knight auf gestelzte Exposition, die dem geschichtlich weniger bewanderten Zuschauern ausführlich die Relevanz der besprochenen Ereignisse vorführt. Stattdessen halten Anastasios und Knight ihr Publikum für aufnahmefähig genug, sich dieses Wissen im Laufe des Films durch Dialoge und nonverbale Reaktionen der Figuren zu erschließen – sofern sie nicht eh mit ausreichendem Vorwissen ins Kino gehen. Darüber hinaus verschonen die Filmemacher die ins Auge gefassten Parteien nicht mit Kritik: «Das Versprechen eines Lebens» sagt unmissverständlich aus, dass sich die Türkei sowie Australien durch den Krieg nicht mit ethischem Ruhm bekleckert haben. Anders als Jolies bereits besagte Regiearbeit «Unbroken» oder zahlreiche weitere Kriegsdramen zwängt diese 22,5 Millionen Dollar teure Produktion ihren Zuschauern aber keine ungewollt peinlichen Monologe auf, in denen die Moral der Geschicht' explizit ausformuliert wird. Viel mehr lassen Crowes Regieführung und das Drehbuch die nahezu durchweg unterschwellig dargebotenen, stets eindringlichen Emotionen der zentralen Figuren Bände sprechen – was von einer ehrlichen Hingabe für die Thematik spricht und weniger für einen 'Schaut her, wir machen etwas von Bedeutung!'-Ansatz.

Gegen den Strich gebürstet

Mit Erdoğan und Yılmaz besetzte Russell Crowe zwei der beliebtesten türkischen Comedians in «Das Versprechen eines Lebens» – sie beide beweisen mit ihrem Auftritt, dass sie auch das dramatische Fach beherrschen.
Erzählerisch ist «Das Versprechen eines Lebens» dennoch nicht völlig rund geraten. Denn das Konstrukt aus zwei Zeitebenen und mehreren Schauplätzen mit ihren ganz eigenen thematischen Schwerpunkten findet nie einen fließenden Rhythmus: Zwar haben sämtliche Erzählstränge ihre Stärken (selbst der vergleichsweise beiläufig erzählte Hotelalltag rund um Olga Kurylenko, der mit altmodischem Screwball-Charme daherkommt), jedoch verläuft sich jeder dieser Plotfäden irgendwann in jeweils eine gefühlt endlose Szene, die auch nach verlorenem Momentum fortgeführt wird. Dies schadet der Spannungskurve, die aufgrund der einen bekannten Ausgang aufweisenden Rückblick-Passagen eh schon gemächlich verläuft. Dafür ist die Bildgewalt dieses Regiedebüts exoribitant: Der kürzlich verstorbene «Der Herr der Ringe»-Kameramann Andrew Lesnie kreiert sowohl in der australischen Wüste als auch im staubig-belebten Istanbul sowie auf Gallipoli umwerfende Aufnahmen mit kräftig-malerischen Bildern und satten Kontrasten.

Unterstützt von solider, abwechslungsreicher, aber sich nie in den Vordergrund drängender Musik von David Hirschfelder, sowie von zumeist behutsam eingesetzten Humor-Sprengseln („Frische Laken, warmes Wasser, keine Deutschen!“) hinterlässt «Das Versprechen eines Lebens» daher einen milde-positiven Gesamteindruck. Crowes Regiedebüt ist wahrlich kein Film für die Ewigkeit, und seine Schwachpunkte hemmen sein Potential spürbar. Doch das beispielhafte Herzblut, das Crowe in diese unpathetische, visuell kraftvolle Erzählung gesteckt hat, sollte jedem Filmfreund Respekt vor «Das Versprechen eines Lebens» abringen.

«Das Versprechen eines Lebens» ist ab dem 7. Mai 2015 in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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