Hingeschaut

«The Mole» in Sat.1: Bildstark und überinszeniert

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Wie versprochen erweist sich die Neuauflage von «The Mole» bei Sat.1 als "Primetime-Reality-Show in fiktionalem Gewand" - was allerdings nicht zwangsläufig etwas Positives heißen muss. Dem geneigten Reality-TV-Zuschauer könnte die Sendung schlicht eine Nummer zu überinszeniert daherkommen. Unsere TV-Kritik...

Das Besondere an «The Mole» ist, dass es um Menschenkenntnis geht. Der Kern des Formats ist, herauszufinden, wer hier lügt und sabotiert. Selbst Fehler von Kandidaten bei einer Challenge können heißen: Der Kandidat ist nicht gut in diesem Spiel oder aber er oder sie macht das extra. Und diesen Formatkern haben wir in jeder Folge durchgezogen.
Ina Eck, geschäftsführende Gesellschafterin bei "Fabiola"
Die Quotenfestspiele, die Sat.1 in den vergangenen Wochen mit «Promis unter Palmen» zelebriert hat, sind gerade erst vorbei gegangen, schon steht beim Bällchensender die nächste breit beworbene Reality-Sendung in den Startlöchern. Seit diesem Mittwoch vertraut Sat.1 zur besten Sendezeit auf die Neuauflage von «The Mole» - jenes Formats, das vor 20 Jahren unter dem deutschen Titel «Der Maulwurf» schon einmal bei ProSieben lief. Allein die Tatsache, dass sich Produktion und Sender für den englischen Sendungsnamen entschieden haben, deutet daraufhin, dass die Macher in der Neuauflage vieles anders machen und neu denken - vor allem handwerklich. Das grundlegende Konzept hat sich hingegen nicht verändert:

Die zehn Teilnehmerinnen und Teilnehmer von «The Mole» müssen versuchen, in verschiedenen Aktivitäts- und Denkspielen möglichst viel Geld zu erspielen. Zum Erfolg kommen sie dabei in der Regel nur, wenn sie untereinander erfolgreich kooperieren. Die Geldbeträge wandern in einen Jackpot, den der Sieger der Show am Ende ausgezahlt bekommt. Der Clou: Einer der zehn Teilnehmer ist der Maulwurf - ein Saboteur, der durch sein Handeln versucht, die Gewinne für die Gruppe möglichst gering zu halten. Der Maulwurf bzw. Mole darf nicht zu offensichtlich handeln, um unerkannt zu bleiben. Am Ende einer jeden Folge müssen alle Fragen über den Maulwurf beantworten - etwa nach seiner Größe, seinem Alter oder Geschlecht. Wer den schlechtesten Riecher hat, verlässt die Show am Ende. Der Mole hat dagegen quasi Bestandsgarantie, schließlich kennt er sich selbst am besten. In der letzten Folge geht es für die verbliebenen Mitspieler darum, den Mole erfolgreich zu enttarnen.

Rein konzeptionell steckt im «Maulwurf» also zweifelsfrei eine Menge Potenzial, die Sendung lädt ihre Zuschauer zum Mitraten ein. Schneidet Kandidat X in diesem Spiel absichtlich schlecht ab und ist er damit der Saboteur? Ist Kandidatin Y lediglich langsam und ungeschickt und daher nur eine „normale“ Mitspielerin? Über die Grundfrage, die sich alle Teilnehmer stellen müssen, rätselt zwangsläufig auch der Zuschauer mit. Und trotzdem: So richtig möchte das Rate-Fieber zumindest in der ersten Folge noch nicht aufkommen.

Ein Grund hierfür ist, dass der Zuschauer die Kandidaten nicht näher kennenlernt. «The Mole» steigt in medias res ein und widmet dem ersten Spiel gleich zu Beginn eine halbe Stunde Sendezeit. In dieser gibt die Produktion zwar auch Auskunft zum Beruf und Alter der Teilnehmer, viel mehr erfährt man allerdings nicht. Damit bleiben die Teilnehmer verhältnismäßig blass und tendenziell schwer einzuschätzen. Bis auf einige Selbstauskünfte und prägnante O-Töne hört man nicht viel, was das Mitraten nicht erleichtert.

Das deutlich entscheidendere Problem dürfte aber sein, dass «The Mole» viele Reality-Fans mehr an eine fiktionale Serie erinnern dürfte. In der Tat haben es die Verantwortlich geschafft, eine Primetime-Reality-Show in fiktionalem Gewand herzustellen, wie im Vorfeld bereits Ina Eck bei Quotenmeter betonte. Die Sendung setzt auf harte Brüche, zeigt nach einem spektakulären Opening etwa eine Landschaft, die manch einen an die Hit-Serie «Breaking Bad» erinnern dürfte. Untermalt werden die Bilder, die irgendwo im nirgendwo in Argentinien entstanden sind, von Musik, wie es sie auch bei «Narcos» geben könnte. Auf den harten Cut folgen die Kandidaten, die sich im ersten Spiel in Särgen befinden. Ja, es sind starke Bilder, die den Zuschauer bei «The Mole» erwarten.

Gut gemeint ≠ gut gemacht


Natürlich lässt das aufhorchen, setzt Maßstäbe und führt letzten Endes auch dazu, dass sich «The Mole» deutlich von anderen Reality-Sendungen abhebt. Und dennoch: Was auf der einen Seite zweifelsfrei professionell umgesetzt ist, wirkt andererseits irgendwie doch befremdlich und überinszeniert. Gut gemeint ist eben nicht gleich gut gemacht.

Natürlich lebt Fernsehen von schönen Bildern und ist daher immer auch ein Stück weit Inszenierung. Bei «The Mole» verwischen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion aber so weit, dass man sich als Zuschauer irgendwann fragt, was am Ende überhaupt noch echt ist. Dass die Dialoge von The BossHoss, die als Moderatoren auftreten, gescripted sind, ist soweit verständlich und wenig störend. Die Schlussszene, in der einer der Teilnehmer plötzlich einen vermeintlich mysteriösen Anruf bekommt und sich dann von der Gruppe entfernen muss, wirkt aber eine Ecke drüber.

Aus inhaltlicher Sicht macht ein Vergleich zu Joko und Klaas natürlich überhaupt keinen Sinn. Und dennoch hat «strg_f» mit den erhobenen Fake-Vorwürfe gegen die beiden Entertainer gezeigt, dass man das Maß der Inszenierung im Fernsehen als Zuschauer offensichtlich eher unterschätzt. Doch wie viel "reale Reality" bleibt dann noch bei «The Mole»? Man weiß es nicht. Womöglich hätten sich die Verantwortlichen einen Gefallen damit getan, in der Auswahl der Stilmittel weniger ins Filmische zu gehen und dafür näher am Reality-TV dran zu bleiben. So wären Gedankengänge wie diese gar nicht erst so stark aufgekommen.

Droht «The Mole» das «Survivor»-Schicksal?


Natürlich hat «The Mole»-Produzent Oliver Fuchs recht, wenn er im Interview mit Quotenmeter den Vergleich zu «Survivor» scheut. Zum einen unterschieden sich beide Formate konzeptionell tatsächlich, zum anderen wäre der Blick auf die jüngst gescheiterte VOX-Adaption auch strategisch unklug. Niemand vergleicht sich schließlich gerne mit Formaten, die klar und deutlich gefloppt sind. Dennoch gibt es Parallelen: In beiden Sendungen geht es mehr um strategisches Handeln und Menschenkenntnis als um bloßen Trash. Sowohl bei «Survivor» als auch bei «The Mole» liegt der Fokus zudem auf langen Spielen, die beeindruckende Bilder liefern. Allein die Tatsache, dass sich beide Formate klar von anderen Reality-Produktionen unterscheiden, eint sie wieder. Und auch das negative Quotenschicksal, das «Survivor» erleiden musste, scheint bei «The Mole» zumindest nicht ausgeschlossen.

Dennoch bleibt abzuwarten, ob sich die Zuschauer mit der 2020er-Version von «Der Maulwurf» aka «The Mole» arrangieren werden oder nicht. Ausgeschlossen ist es nicht, dass einige Zuschauer sehr viel weniger mit dem „fiktionalen Gewand“ der Reality-Sendung fremdeln werden als der Autor dieser Rezension. Schwer könnte es Sat.1 aber nicht zuletzt deshalb haben, weil es ab Mittwoch auch bei RTL ums Mitraten geht. In «Are You The One?» müssen die Teilnehmer zwar keinen Maulwurf enttarnen, dafür aber Singles zu vermeintlich perfekten Matches „paaren“ (hier geht's zu unserer TV-Kritik). Im Vergleich zur abgespacten Neuauflage vom «Maulwurf» dürfte das für viele die leichter zu verdauende und gewohntere Reality-TV-Kost sein.

Sat.1 zeigt «The Mole» auch in den kommenden Wochen immer mittwochs zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr.
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Im ersten Moment ungewohnt, aber nicht schlecht. Ich gebe dem in den nächsten Wochen eine Chance.
29,3%
Nicht gut, ich stimme der QM-Kritik in großen Teilen zu.
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Ich habe die Sendung (noch) nicht gesehen.
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