Die Kino-Kritiker

«Das Haus der geheimnisvollen Uhren»: Heißt Tim Burton jetzt Eli Roth?

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Kann «Hostel»-Regisseur Eli Roth auch Familienunterhaltung, die zum «E.T.»-Label Amblin Entertainment passt? Wir verraten es in unserer Kritik zu «Das Haus der geheimnisvollen Uhren».

Filmfacts: «Das Haus der geheimnisvollen Uhren»

  • Regie: Eli Roth
  • Produktion: Brad Fischer, James Vanderbilt, Eric Kripke
  • Drehbuch: Eric Kripke; basierend auf der gleichnamigen Vorlage von John Bellairs
  • Darsteller: Jack Black, Cate Blanchett, Owen Vaccaro, Renée Elise Goldsberry, Sunny Suljic, Kyle MacLachlan
  • Musik: Nathan Barr
  • Kamera: Rogier Stoffers
  • Schnitt: Fred Raskin
  • Laufzeit: 105 Minuten
  • FSK: ab 6 Jahren
Ein schüchterner, schräger Außenseiter steht im Mittelpunkt des Geschehens. Um ihn herum: Kauzige Nebenfiguren, die von fähigen Darstellern mit Leben erfüllt werden – hier unter anderem von Jack Black und Cate Blanchett. All dies getaucht in eine verspielt-grimme Ästhetik voller morbider oder schauriger Details. Und anders als «Die Insel der besonderen Kinder» gibt es dieses Mal keinen erzählerischen Ballast in Form von übermäßigen Erklärungen oder lustlos inszenierten, überlangen Kampfszenen im Finalakt. Kurzum: «Das Haus der geheimnisvollen Uhren» ist der beste Tim-Burton-Film seit dem blutigen Musical «Sweene Todd – Der teufliche Barbier aus der Fleet Street». Oder eben nicht. Denn «Das Haus der geheimnisvollen Uhren» stammt gar nicht von Tim Burton. Regie führte stattdessen "Mr. «Hostel»", Quentin Tarantinos Kumpel Eli Roth …

Es ist das Jahr 1955: Der verschlossene Bücherwurm Lewis Barnavelt (Owen Vaccaro) ist kürzlich verwaist und reist daher nach New Zebedee, Michigan. Dort erwartet ihn sein lebensfroher, exzentrischer Onkel Jonathan (Jack Black), zu dem er bislang keinen Kontakt hatte, der ihn aber liebend gern bei sich aufnehmen würde. Jonathan lebt in einem gotischen Anwesen voller Eigenheiten: Vor dem Eingang stehen Halloween-Kürbisse, obwohl es gar nicht Ende Oktober ist, im Haus hängen Dutzende, ach, Hunderte von tickenden Uhren an den Wänden und es gibt, Schreck lass nach, keinen Fernseher! Dafür hängt Nachbarin Florence Zimmerman (Cate Blanchett) tagein, tagaus im Anwesen herum, eine hoch geschlossene, streng dreinblickende Frau mit trockenem, schlagfertigen Humor und großer Sympathie für Lewis, der sich zunächst nur sehr schlecht in sein neues Zuhause einlebt. Aber dann verrät ihm Onkel Jonathan, dass er ein Hexenmeister sei und dass wirklich jeder, wenn er nur genug lernt, ebenfalls einer sein kann …

Der für derbe, blutige Filmware bekannte Filmemacher Eli Roth nutzt diese auf einem Jugendroman aus den frühen 70er-Jahren basierende Erzählung als Sprungbrett, um sein Können in Sachen Atmosphäre unter Beweis zu stellen. Das Setdesign, vor allem im titelgebenden Haus, steckt voller burtonesker Details, Kameramann Rogier Stoffers leuchtet das Geschehen in einem bräunlich-giftgrün-gräulichen Schimmer aus und beim Szenenaufbau achtet Roth gewissenhaft auf den Gesamteindruck: Er packt seine Figuren mitten in das wuchtig ausgestattete Set und lässt sie dort, je nach Persönlichkeit, erstaunt, verwundert, selbstverständlich oder voller Stolz entlang schreiten, während sie gerade Probleme besprechen, Probleme erzeugen oder Magie üben.

Drehbuchautor Eric Kripke nimmt die oft erzählte Geschichte eines (vermeintlichen) Normalsterblichen, der in die Welt der Magie gelangt und sich als Zauberlehrling versucht («Harry Potter», «Duell der Magier», «Doctor Strange» und viele Andere lassen grüßen), und zieht sie als mysteriöses Familienvergnügen auf. Gestärkt von dem beeindruckenden Setdesign und Roths atmosphärischer Inszenierung, die aber nicht derart dicht ist, dass die fast schon pünktlich wie der Gongschlag auftauchenden Slapstickgags die Stimmung zerstören würden, zieht Kripke wiederholt Spannung aus der eigentlich schlichten Story: «Das Haus der geheimnisvollen Uhren» ist sehr effizient erzählt (Junge lernt Magie, Junge hört von Gefahren, wird von Gefahren verführt, muss Übles verhindern; keine weiteren Schnörkel) und lässt bewusst narrative Leerstellen – die das Publikum mit eigenen Theorien über den weiteren Verlauf füllen darf:

Wenn Roth etwa in einer der 'diesweltlichen' Schulsequenzen eine verdächtig dreinblickende Mitschülerin Lewis' fokussiert, oder Kripke für ein, zwei Szenen den erzählerischen Schwerpunkt von Lewis nimmt, um Jonathan und Florence beim Zanken zu zeigen, wirft das Fragen über die sonst so stringente Story auf. Und was mal unheilvolle Vorausdeutungen sind, entpuppt sich andere Male als sogenannter Roter Hering, also als Irreführung – damit baut «Das Haus der geheimnisvollen Uhren» zusätzliche Spannung auf, statt sich in Sachen Suspense allein auf seinen Look und das Thema der Magie zu verlassen.

Gelegentlich bricht sogar der Eli Roth, den wir schon kennen, aus dieser Mixtur von Tim-Burton-Stilistik und Amblin-Entertainment-Storytelling heraus. Statt menschlicher Eingeweide verteilt der Regisseur (der sich hier auch einen Cameo in einer fiktiven TV-Serie erlaubt) hier jedoch ausgiebig die Innereien und "Körperflüssigkeiten“ von Kürbissen, lebenden Möbeln sowie beseelten Heckenskulpturen auf der Leinwand und macht mit seiner patentierten Direktheit Referenzen auf Nazi-Deutschland. Denn ein Großteil des Übels in der Welt von «Das Haus der geheimnisvollen Uhren» hat dort seinen Anfang genommen und will im dritten Akt natürlich nach der Marke "Feuer muss mit Feuer bekämpft werden" behoben werden.

Jack Black und Cate Blanchett balancieren sich vorzüglich durch dieses delikate tonale Minenfeld und geben überzeichnete, nicht aber monoton skizzierte Mentoren ab. Wenn sich die Beiden in ihren Rollen immer wieder mit spröder Wonne beleidigen, doch dabei stets ihren gegenseitigen Respekt anmerken lassen, macht das auch nach 90 Minuten noch immer Spaß. Und dadurch, wie Blacks aufgedrehte, doch auch sorgenvolle Art durch Blanchetts strenger Zurückhaltung und ihrem größeren Willen, zu verzeihen, ergänzt wird, vermeidet «Das Haus der geheimnisvollen Uhren» es mühelos, in den obligatorischen, emotionalen Szenen zum Thema Ersatzfamilie prompt in Kitsch überzukippen.

Das lose Zahnrad im Uhrengetriebe dieser Amblin-Produktion ist derweil Jungdarsteller Owen Vaccaro. Obwohl Vaccaro in den beiden ebenso herzlichen wie albernen «Daddy's Home»-Filmen eine solide Figur macht, erweckt er in «Das Haus der geheimnisvollen Uhren» den Eindruck, als sei er wie vom Material erschlagen. Anders als in den «Daddy's Home»-Komödien, in denen er als dezent überzeichneter Hänfling funktioniert, erstarrt Vaccaro, wenn er hier die 'Amblin-Version' dieses Rollentypus zum Leben erwecken muss. Als makelhafter Außenseiter, der zugleich als heroische Identifikationsfigur dienen soll, stakst der Jungdarsteller durch sein Material, besonders schlimm wird es, wenn sich der Film in charakterlichen Wendemomenten völlig auf seine Darbietung verlässt:

Mit gerade einmal 105 Minuten Laufzeit (inklusive Abspann!) wickelt «Das Haus der geheimnisvollen Uhren» zuweilen Passagen innerhalb nur einer Szene ab, für die sich heutige Big-Budget-Filme oft rund zehn Minuten oder mehr nehmen würden. Drehbuchautor Eric Kripke dagegen nimmt seinen als Angsthasen etablierten Protagonisten und macht ihn innerhalb nur einer Szene zum neugierigen Zauberlehrling: Kaum schenkt Jonathan seinem Neffen reinen Wein über das Thema Magie ein, bezwingt die Wissbegierde des als belesenen gezeigten Jungen seine Furcht.

Dieser Charakterwandel ist angesichts der an die «Gänsehaut»-Bücher und -Fernsehserie erinnernden Grundstimmung des Films und seiner durchgängig zügigen Erzählweise durchaus angebracht – aber Vaccaro gelingt es partout nicht, diese Veränderung in Lewis' Wesen zu verkaufen. Das wiederholt sich in weiteren Passagen: Solange Lewis 'statisch' bleibt, ist sein Spiel annehmbar, doch sobald Vaccaro darstellen muss, dass seine Rolle neue Seiten an sich oder an der Magie entdeckt, tendiert er zu einer verkrampften Performance, die ebenso starr-eingeübt wie aufgesetzt-kreischend daherkommt.

So bedauerlich dies ist, lässt es sich in «Das Haus der geheimnisvollen Uhren» allerdings leichter verkraften als es die Amblin-Vorbilder dieses Films mutmaßen lassen. Denn im Gegensatz zu Amblin-Produktionen wie etwa «Das Wunder in der 8. Straße» oder «Die Goonies» stützt sich Eli Roths Regiearbeit nicht intensiv auf ihre Kinderfigur. Obwohl der Film sie durchweg ernst nimmt und ihr kindgerecht, aber nicht selbstverständlich, auch aus einem emotionalen Anflug getätigte Fehler eingesteht, bleibt die Hauptfigur in «Das Haus der geheimnisvollen Uhren» nur ein Teil des Mechanismus

Das Gesamtkonstrukt steht im Mittelpunkt: Der Spielspaß von Black und Blanchett, Roths Version einer Burton-Ästhetik mit Amblin-Logik und die dezente Gruselstimmung, die sich über die vergnügliche, familienfreundlich-mysteriöse Story legt. Mit einem weniger verkrampften Hauptdarsteller wäre das Ganze vielleicht noch eine Spur magischer, aber das ändert nichts daran, dass «Das Haus der geheimnisvollen Uhren» für alle, die ihre Familienfilme etwas markiger mögen oder den Tim Burton von früher vermissen, ein Kino-Pflichttermin ist.

Fazit: Wem der «Gänsehaut»-Film mit Jack Black zu sehr augenzwinkernde Hommage war, oder Tim Burtons «Die Insel der geheimnisvollen Kinder» zu viel erzählerischen Leerlauf bot, ist hier genau richtig: Eli Roth präsentiert mit «Das Haus der geheimnisvollen Uhren» Einsteigergrusel in Form schräg-grimmer Familienunterhaltung.

«Das Haus der geheimnisvollen Uhren» ist ab sofort in vielen deutschen Kinos zu sehen.

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