Das Quotengericht: Das Klima-Update bleibt in seiner 23-minütigen Ausgabe eine Bremse. Mit großen Namen wie Bundeskanzler Friedrich Merz oder AfD-Mitglied Alice Weidel werden tolle Werte eingefahren.

Seit gut zwei Jahren hat RTL das
«Nachtjournal Spezial» als Marke im Programm etabliert. Mal läuft das Format als klassisches Interview nach Mitternacht, mal als Reportage oder Sondersendung nach der Primetime. Die Quoten schwanken stark – zwischen Flop und zweistelligem Marktanteil in der Zielgruppe. Eine Auswertung der Sendungen seit Frühjahr 2024 zeigt: Entscheidend sind die Namen der Gäste, die Themen und der Sendeplatz.
Besonders auffällig: Interviews mit prominenten Politikern oder gesellschaftlich polarisierenden Figuren erzielen regelmäßig überdurchschnittliche Werte. Karl Lauterbach etwa brachte dem Format am 28. Januar 2025 stolze 0,65 Millionen Zuschauer ein, was einem Marktanteil von 11,7 Prozent entsprach. Bei den 14- bis 49-Jährigen lag der Wert sogar bei herausragenden 22,1 Prozent. Alice Weidel von der AfD erreichte am 10. Januar 2025 mit 0,83 Millionen Zusehern einen ähnlich hohen Marktanteil von 13,1 Prozent, auch hier punktete die Sendung in der jungen Zielgruppe mit über 21 Prozent.

Anders sieht es bei etablierten Regierungspolitikern aus. Bundeskanzler Olaf Scholz lockte am 20. November 2024 nur 0,27 Millionen Zuschauer an (4,0 Prozent), Verteidigungsminister Boris Pistorius am 25. Oktober 2024 lediglich 0,22 Millionen (3,4 Prozent). Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck kam mit 0,38 Millionen Zuschauern nicht über einstellige Quoten hinaus. Die Analyse zeigt: Das «Nachtjournal Spezial» profitiert stark von Personen, die emotionalisieren und Kontroversen auslösen – während nüchterne Ministerrunden kaum Zugkraft entfalten.
Auch Sport-Promis gehören zu den Zugpferden. Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel erreichte im März 2024 fast zehn Prozent Marktanteil insgesamt und über 13 Prozent bei den jungen Zuschauern. DFB-Sportdirektor Rudi Völler konnte diese Werte im September zwar nicht wiederholen, bleibt aber ein Beispiel dafür, dass Sportthemen in der Nacht durchaus Reichweite generieren können – sofern der Name groß genug ist.
Ein klares Muster zeigt sich bei den Ausgaben mit Klimafokus. Die regelmäßig eingeschobenen „Klima Updates“ bringen dem Sender kontinuierlich unterdurchschnittliche Werte. Ob im März, Mai oder November 2024 – die Quoten lagen stets unter fünf Prozent bei den Jüngeren und selten über einem halben Millionen Zuschauer insgesamt. Besonders eklatant: Die Sendung vom 1. November erreichte gerade einmal 0,20 Millionen Zuschauer, ein Marktanteil von 3,2 Prozent. Offenbar ist das Format für die späte Sendezeit zu abstrakt. Während polarisierende Politik oder prominente Köpfe Aufmerksamkeit binden, scheitert ein thematisch wichtiges, aber schweres Thema wie der Klimawandel an der Sehgewohnheit der RTL-Zielgruppe nach Mitternacht.
Interessant ist auch der Blick auf die Wochentage. Auffällig stabil sind Dienstags- und Mittwochs-Ausgaben, hier erreichen «Nachtjournal Spezial»-Folgen häufig solide Werte. Donnerstagnacht dagegen ist besonders volatil: Wenn ein Star wie Vettel oder ein polarisierender Politiker zu Gast ist, klettert die Quote in die Zweistelligkeit. Handelt es sich jedoch um Wirtschafts- oder Umweltthemen, stürzt der Marktanteil in den Keller.
Freitag wiederum erweist sich als eher schwacher Sendeplatz – nur selten erzielen die Ausgaben an diesem Abend überdurchschnittliche Werte. Eine Ausnahme bildete die Folge mit Udo Lindenberg Ende Juni 2024, die mit 0,36 Millionen Zuschauern zwar nicht überragte, aber immerhin für Gesprächsstoff sorgte.
Diese Zahlen liegen deutlich über dem RTL-Senderschnitt und zeigen: Als Marke hat das «Nachtjournal Spezial» Potenzial. Es kann, wenn es klug programmiert wird, ein erfolgreiches Format im Hauptprogramm sein. Neben Politik und Sport erreichen auch historische oder gesellschaftlich relevante Themen ein überdurchschnittliches Publikum. Die Ausgaben zur RAF-Geschichte oder zur Germanwings-Tragödie bewegten sich im soliden Bereich. Wirtschaftliche Spezialthemen dagegen funktionierten uneinheitlich: Während „VW in der Krise“ im August 2024 gute Zielgruppenwerte von 16 Prozent erzielte, blieben andere Unternehmensporträts wie zu Rheinmetall oder Lufthansa deutlich hinter den Erwartungen zurück. Das zeigt: Wirtschaftsthemen brauchen einen konkreten Aufhänger oder Skandal, um im Nachtprogramm Relevanz zu entfalten. Reine CEO-Interviews oder nüchterne Analysen stoßen dagegen kaum auf Zuschauerinteresse.
Die Bilanz ist gemischt: «Nachtjournal Spezial» bleibt ein Programm mit großen Ausschlägen. Wenn die Redaktion auf polarisierende Figuren, große Namen aus Politik und Sport oder gesellschaftlich relevante Ereignisse setzt, kann die Sendung zweistellige Marktanteile erreichen. Das „Klima Update“ oder nüchterne Wirtschafts-Features hingegen entpuppen sich als Quotenbremse.