InterviewVon der Druckerpresse zum Solarkraftwerk: Wie KATAPULT unabhängig und visionär bleibt
von Fabian Riedner02. August 2025
Gründer Benjamin Fredrich spricht über wirtschaftliche Stabilität, Solaranlagen, Regionaljournalismus – und warum KATAPULT bald einen Windpark braucht.
Herr Fredrich, wie sind Sie mit der Entwicklung des Katapult-Magazins zufrieden? Ist der Buchverlag weiterhin gut aufgestellt?
Ja. Der Buchverlag hat sich vor zwei Jahren stabilisiert. Dieses Jahr verkauft sich das Buch “Rechtsextremismus bekämpfen. Was sagt die Wissenschaft?” besonders gut. Wir sind außerdem wieder bereit, Neues zu wagen. Wir vergrößern unsere Kinderbuchsparte und bringen im Herbst drei neue Kinderbücher raus. Das Magazin hat im letzten Jahr einen für uns sehr großen Gewinn erwirtschaftet. Dadurch haben wir wieder Optionen zu investieren und zu wachsen.
Sie haben kürzlich eine große Solaranlage auf dem Katapult-Gelände installiert. Was bedeutet dieser Schritt in Richtung Energie-Autarkie für Sie – ökologisch, wirtschaftlich und symbolisch?
Mit der Solaranlage erfüllen wir uns einen Traum. Wir hatten unser Schulgebäude vor vier Jahren so geplant, dass wir möglichst autark sind und nicht auf Gaskraftwerke oder Ähnliches angewiesen sind.
KATAPULT soll immer so unabhängig wie möglich sein. Wir haben nie auch nur ein Prozent von KATAPULT verkauft, obwohl es Angebote von Medienkonzernen gab. Unabhängig von Energielieferanten zu sein, ist zwar nicht ganz so grundlegend, aber es spart Kosten und ist nachhaltig.
Der Traum geht sogar noch weiter: Wir haben so viel Platz, also auch so viel Sonne, dass KATAPULT seine Fahrzeuge bald mit Solarstrom tanken kann. Wir haben sechs Firmenfahrzeuge bei KATAPULT. Davon ist derzeit eins elektrisch, eins hybrid und vier verbrennen irgendwas. Wir haben hier also noch eine Umstellung vor uns: Die kleine KATAPULT-Flotte muss elektrisch werden!
Ein Großteil der Anlage wurde selbst aufgebaut – mit Unterstützung aus dem Team. Wie wichtig ist der DIY-Gedanke heute noch für Katapult?
Man muss Bock drauf haben, dann gibt es eigentlich nur Vorteile: Man versteht, was man macht. Man weiß dann auch besser, ob sich mehr Investitionen lohnen. Man gewinnt ein Stück Souveränität durch das Wissen, was man beim Bauen erlangt, weil man nicht nur auf den Rat von Experten angewiesen ist. Und ganz unabhängig davon kommen wir dadurch auch mal weg vom PC.
Die Investition in Höhe von rund 60.000 Euro ist beachtlich. Warum war jetzt der richtige Zeitpunkt, diesen lange gehegten Plan endlich umzusetzen?
Der richtige Zeitpunkt wäre eigentlich vor drei Jahren gewesen. Dann hätten wir bis heute etwa 90.000 Euro Stromkosten gespart. Uns ist damals das Geld ausgegangen und das Dumme daran ist, dass man gezwungen ist, an der falschen Stelle zu sparen. Wir waren die letzten zwei Jahre insgesamt vorsichtiger mit Investitionen. Jetzt pegeln wir uns wieder auf ein gesundes Niveau ein. Wir hatten die 450 Solarpanele übrigens zum günstigsten Preis überhaupt bekommen. In dem Bereich war es also ein sehr guter Zeitpunkt.
Können andere unabhängige Medienprojekte von Ihrem Autarkie-Ansatz lernen – oder ist Katapult in dieser Hinsicht ein Sonderfall?
Ich war mal auf dem Dach der Ostsee-Zeitung in Rostock. Da steht gar nichts drauf. Keine Ahnung, wie es denen geht, aber sie könnten natürlich alles vollstellen. Wer es finanzieren kann, sollte es machen. Und wer nicht, der könnte es finanzieren lassen.
Neben der Solaranlage renovieren Sie derzeit auch Ihre Geflüchtetenunterkunft in Greifswald. Wie kam es dazu, dass sich ein Medienhaus in diesem Bereich engagiert?'
Greifswald hatte zu Beginn der russischen Invasion der Ukraine nicht genügend Wohnraum für die Geflüchteten. Die Stadt war überfüllt. Leute mussten in Sporthallen schlafen. Wir hatten der Stadt damals 10.000 Euro für Hygieneartikel übergeben und gleichzeitig einen kompletten Trakt unseres Schulgebäudes für Geflüchtete freigemacht.
Viele KATAPULT-Lesende haben das dankenswerterweise unterstützt. Das Geflüchtetenheim haben wir nun drei Jahre lang betrieben und die Wohnungslage hat sich in Greifswald wieder etwas entspannt.
Sie prangern in Ihren Publikationen regelmäßig gesellschaftliche Missstände an. Ist es Ihr Anspruch, auch mit eigenen Projekten lokal Verantwortung zu übernehmen und konkrete Lösungen zu bieten?
Ja. Sollte KATAPULT gesellschaftlich je irrelevant werden, höre ich auf.
Mit dem MV-Abo setzen Sie ein klares Zeichen für Regionaljournalismus. Warum ist Ihnen die Berichterstattung in und über Mecklenburg-Vorpommern ein besonderes Anliegen?
Weil ich in einer rechtsstaatlichen, demokratischen Gesellschaft leben will. KATAPULT MV deckt unter anderem Nazistrukturen in MV auf und veröffentlicht rechtsextreme Verbindungen etwa innerhalb der Polizei. Jede Gesellschaft braucht solche lokalen Korrektive (Mehrzahl!), die verhindern, dass eine Gesellschaft in mafiöse, illiberale Strukturen verfällt. Und genau deshalb haben wir in Chemnitz ein vergleichbares Projekt für Sachsen aufgebaut. Ende August erscheint die erste Ausgabe von Katapult Sachsen.
Sie selbst schreiben: „Vergesst, dass wir ein Magazin sind.“ Wie würden Sie Katapult heute bezeichnen – Medienunternehmen, soziale Bewegung oder Plattform für gesellschaftlichen Wandel?
Derzeit firmieren wir ja als Solarkraftwerk, aber ich komme auch mit all diesen Bezeichnungen zurecht.
Die Krise vor zwei Jahren war ein harter Einschnitt. Wie hat sich Katapult im Nachhinein verändert – strategisch, wirtschaftlich und vielleicht auch persönlich für Sie als Gründer?
Wir haben heute einen erfahrenen kaufmännischen Leiter und wir sind noch enger mit unserem Steuerberater zusammengerückt. Das will ich nicht mehr missen. Redaktionell haben wir auf alte Kräfte gesetzt und einige ehemalige Mitarbeitende zurückgewonnen. Das war wichtig, um wieder stabil zu werden.
Wir sind 2024 gewachsen – vom Umsatz, aber vor allem auch vom Gewinn. Es ist natürlich befreiend, wenn man wieder etwas mehr Handlungsspielraum bekommt. Für mich hat sich geändert, dass wir heute kontrollierter agieren, auch mal Geld als Sicherheit sammeln und neue Projekte früh kalkulieren. Das gibt mir mehr Schlaf in der Nacht.
Ob Buchhandlung, Schule oder nun Solarkraftwerk – viele Ihrer Projekte wirken gleichzeitig visionär und riskant. Wie treffen Sie bei Katapult die Entscheidung, was umgesetzt wird und was nicht?
Redaktionell gibt es heute ein Leitungsteam bestehend aus Steffi Malleier, Conni Schimek, Ella Daum und Tim Ehlers. In dieser Runde wird viel entschieden. Betrieblich gibt es die Achse kaufmännische Leitung, Steuerberater, Geschäftsführung - die also gemeinsam mit mir Entscheidungen trifft. Solche Leitungsgruppen gab es eigentlich immer bei KATAPULT. Heute habe ich das Gefühl, dass wir ein kleines bisschen professioneller geworden sind.
Gab es ein Projekt in der Geschichte von Katapult, das besonders gescheitert ist – oder eines, auf das Sie bis heute besonders stolz sind?
Ich hab mal mit unserem Cheflayouter Tim Ehlers acht Stunden lang einen Brunnen gebohrt. Das Loch war fünf Meter tief. Wasser kam da aber nur für zehn Minuten raus. DIY-Projekte können also auch scheitern. Wir wissen jetzt, wie man es nicht macht. Stolz bin ich darauf, dass wir heute wieder ein stabiles Team haben. Das ist ganz ernst und dankbar gemeint.
Wenn wir fünf Jahre in die Zukunft blicken: Was soll Katapult dann sein – und was soll es auf keinen Fall geworden sein?
Wir brauchen in fünf Jahren dringend einen Windkraftpark!
Viel Glück bei diesem ehrgeizigen Projekt und danke für das Gespräch!