360 Grad

Höchste Qualität

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Über Marietta Slomkas Interview mit Sigmar Gabriel im «heute-journal» wurde viel geschrieben. Es war nämlich vor allem eines: eine hervorragende journalistische Leistung. Ein Kommentar.

Horst Seehofers Verhältnis zur freien Presse war noch nie einfach. Als es mal der Sache diente, ließ er Claus Kleber zwar alles senden – doch wehe, wenn die eigenen Interessen oder die der Spetzerln gefährdet sind. Dann lernt man ihn kennen, den Ministerpräsidenten.

Die Reaktion, die er auf das vieldiskutierte «Monitor»-Interview mit der bayerischen Landtagspräsidentin Barbara Stamm gezeigt hat, steckt allen noch in den Knochen. „Die müssen raus aus Bayern“, soll es in bester Gutsherrenart durch eine Würzburger Wahlkampfveranstaltung geklungen haben.

Und jetzt Marietta Slomkas Interview mit Sigmar Gabriel. Etwas, das Seehofer eigentlich gar nichts angeht. Aber er wehre sich nun einmal gegen „diese Qualität der Diskussion“.

Wie diese Qualität der Diskussion aussah? Marietta Slomka ließ nicht zu, dass Gabriel sich aus den unbequemen Fragen rauswindete. Sie ist also ihrer journalistischen Aufgabe nachgekommen – nicht mehr und nicht weniger.

Wie „einen Schulbub“ habe Slomka Gabriel vorgeführt, analysierte dagegen Seehofer. Eine Fehlanalyse: Denn Slomka hat Gabriel nicht als dummen Schulbub vorgeführt – er hat sich wie einer benommen, als er die verfassungsrechtlichen Bedenken renommierter Experten gegen den SPD-Mitgliederentscheid zur Großen Koalition als „Quatsch“ abtat. Und für Gabriels süffisante Antworten kann Slomka doch nun wirklich nichts.

In Amerika sehen Interviews schon einmal so aus. Aus England dürfte dieses Beispiel bekannt sein. Da hätte ein Gespräch , wie es Slomka mit Gabriel geführt hat, kaum Aufsehen erregt. In angelsächsischen Ländern ist dieser Stil journalistisches Tagesgeschäft.

Für einen Horst Seehofer oder eine Barbara Stamm scheinen das jedoch untragbare Zustände zu sein. Sowohl «Monitor» als auch Marietta Slomka hätten die "Formen des Anstands" nicht gewahrt, argumentierten sie. Man kann „Anstandsregeln“ in diesem Fall auch anders formulieren: nämlich als „Regeln des Obrigkeitsstaates“, in dem Journalisten als Handlanger der Mächtigen aufzutreten haben, um deren Entscheidungen zu vermitteln, anstatt sie kritisch zu hinterfragen. Das bayerische System eben.

Dabei ist es gerade das, was Journalismus auszumachen hat: den Mächtigen auf die Finger zu schauen. Gerade, wenn es unbequem wird. Sei es, wenn Barbara Stamm knietief in der Verwandtenaffäre steckt oder Sigmar Gabriel Querschüsse von Verfassungsrechtlern hinzunehmen hat. Diese Qualität der Diskussion, die Marietta Slomka in ihrem Interview und das «Monitor»-Team in Würzburg zeigten, war hervorragend.

Dagegen muss man sich nicht wehren. Das muss man fördern, wo man nur kann.

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