Popcorn & Rollenwechsel

Inglourious Happynezz

von
Ausgerechnet der als Gewaltfilmer bekannte Kultregisseur Quentin Tarantino traf in «Inglourious Basterds» eine einschneidende Beobachtung über Gewaltrezeption, die vor kurzem an Aktualität dazugewann.

Die vergangenen Tage könnten aus einem Film von Quentin Tarantino stammen…

Die Trailer zu «Inglourious Basterds» lockten Kinozuschauer mit einem Versprechen an. Sie zeigten einen knallhart dreinblickenden Brad Pitt, der seinen Soldaten saucool nuschelnd befahl, Nazis zu töten. Eiskaltes und blutspritzendes Abmetzeln wurde versprochen, und nicht wenige Zuschauer wollten genau deshalb «Inglourious Basterds» sehen. Quentin Tarantino wäre nicht Quentin Tarantino, hätte er die Publikumserwartungen nicht auf geniale Weise unterlaufen. Ja, es gibt sie in «Inglourious Basterds», diese Momente, in denen der Zuschauer auflachen soll, wenn unsere amerikanischen Helden martialisch, von pointierten Sprüchen begleitet, einen Nazi nach dem anderen umlegen. Aber Tarantino säte Zweifel an dieser Schwarz-Weiß-Malerei des typischen Hollywood-Kriegsfilms. Einige der Basterds zeigten wahre Freude am Foltern ihrer Opfer, manche deutsche Soldaten wiederum äußerten Hoffnung, dass der elendige Krieg einfach irgendwie ein Ende nehmen wird, so dass sie die scheußliche Nazi-Uniform ablegen und heim zu ihren Familien können.

Damit zeigte Tarantino seinem Publikum noch subtil die lange Nase. Viel perfider führte er die Freude an medialer Gewalt etwas später im Film vor. Die Aussage: Widerlichkeit liegt im kulturellen Auge des Betrachters…
Tarantino zeigt in seiner fiktionalen Kriegsgeschichte, wie Adolf Hitler die Premiere von Joseph Goebbels’ neustem Propagandastreifen besucht. In diesem Film, prahlerisch «Stolz der Nation» betitelt, knallt ein deutscher Soldat, herablassende Sprüche klopfend, einen Briten nach dem anderen ab. Umschnitt auf den im Publikum sitzenden Adolf Hitler, der gar nicht mehr aus dem Lachen kommt. Sein widerlich hechelndes Kichern raubt ihm fast schon den Atem.

Tarantinos «Inglourious Basterds» hält kurz inne, gibt seinem realen Publikum Gelegenheit, das Gesehene zu verarbeiten, entsprechend zu reagieren. Wer «Inglourious Basterds» 2009 im Kino sah, erinnert sich vielleicht, wie ein angeekeltes Raunen durch die Reihen ging. Und warum? Weil Tarantino, perfekt einkalkuliert, schnell genug die Szene wechselt, bevor sein Publikum weiterdenkt. Diesen letzten Schritt in der Rezeption überlässt er dem engagierten Betrachtern, die sich auch nach dem Abspann Gedanken über einen Film machen.

«Inglourious Basterds» enthält Momente, in denen sein Publikum die Helden aller Unbarmherzigkeit zum Trotz anfeuert, ihnen zujubelt, wenn sie keine Gnade für ihre Opfer zeigen. Wie man es halt aus Hollywood-Filmen kennt. Und dann zeigt der Film, wie Adolf Hitler genau das gleiche treibt: Er feuert lachend jemanden an, der seine Überzeugungen teilt und den Feind eiskalt niedermetzelt. Das findet jeder, verständlicherweise, ekelhaft. Dennoch, wenn man lange genug nachdenkt, fühlt man sich ein kleines bisschen ertappt…

Was hat dies mit den aktuellen Schlagzeilen zu tun? Nun: Vor bald zehn Jahren gingen Bilder durch die Nachrichten, wie mancherorts Festtagsstimmung ausbrach, während der Rest der Welt über die Attentate auf das World Trade Center den Kopf in Trauer neigte. Die Reaktionen: Dieser Jubel wurde einhellig als barbarisch, unmenschlich, abscheulich verurteilt. Eine berechtigte Verurteilung.

Umschnitt auf den Beginn der vergangenen Woche: Die Fernsehnachrichten gruben keine Archivbilder von der New Yorker Silvesterparty aus. Nein. Das, was sie zeigten, war ungehemmte Freude über die Liquidierung des Staatsfeinds Nummer Eins. Bestenfalls verkniffen sich manche Berichterstatter einen nachdenklich-kritischen Blick. „Erfolgreicher Schritt im Krieg gegen den Terror als Anlass für eine Sause der Güteklasse ‘Spring Break‘, schon skurril“, sagten die Augen. Andere feuerten den Glückstaumel sogar an. Es ist immerhin der Böse, der tot ist. Dann ist Stille im Gedenken an dessen zahlreichen Opfer bekanntlich deplatziert. Ohne Spaß schmeckt ja auch das Popcorn gar nicht mehr…

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