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Premiere und das Krebsgeschwür

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Deutschlands Bezahlsender Nummer 1 geht es schlecht: Eine Million Karteileichen, ein Aktienkurs, der auf tiefster Talfahrt ist und ein Aufsichtsrat, der laut Berichten in den kommenden Tagen seinen Hut nimmt, machen das Leben nicht sonderlich leicht.

In den vergangenen Tagen ist viel passiert bei Deutschlands Pay-TV-Sender Premiere. Angefangen hat alles damit, dass CEO Mark Williams erklären musste, nicht wie von seinen Vorgängern behauptet mehr als vier Millionen Abonnenten zu haben, sondern nur etwas mehr als drei Millionen. 2,4 Millionen sind davon gar nur direkte Premiere-Kunden. Finanz-Vorstand Teschner musste wegen der alten Klassifizierung der Abozahlen sofort seinen Hut nehmen. Aufsichtsrat Grosskopf würde Medienberichten zufolge in den kommenden Tagen an die Luft gesetzt werden.

Er soll angeblich seit längerer Zeit über die geschönten Zahlen informiert gewesen sein. Zudem erwartet das Unternehmen für das laufende Geschäftsjahr ein deutlich negatives EBITDA. Ein Minus zwischen 40 und 70 Millionen werde wohl unter dem Strich heraus kommen, stellte der neue Boss Mark Williams fest. Mit den geschönten Abozahlen hat dies aber nichts zu tun – das muss deutlich erwähnt werden. Dennoch auch Ex-Chef Börnicke ist klar gewesen, dass Gratis-Abos keinen Gewinn einbringen. Die Tatsache, dass man mit Verlusten rechnet, ist demnach unabhängig von der geänderten Abonnenten-Zahl zu betrachten.




Trotz all dieser unerfreulichen Tatsachen ist sich Williams aber sicher, aus Premiere ein profitables Unternehmen machen zu können – dies betonte er in einem eilig eingeräumten Analysten-Call am Donnerstagabend. "Mark Williams überprüft derzeit alle Abläufe und entwickelt eine Strategie, die bei Premiere zu Wachstum und Profitabilität führen wird“, erklärte Sendersprecher Torsten Fricke im Gespräch mit Quotenmeter.de. „Ein erster Schritt war die Einführung einer neuen Abonnenten-Klassifizierung, die auch bei anderen erfolgreichen Pay-TV-Sendern angewendet wird. Wir sehen sehr gute Chancen, dass Premiere langfristig wachsen und erfolgreich sein wird.“

Für die Bundesliga-Rechte, die die Liga in diesen Tagen ausschreibt, werde Premiere natürlich mit bieten und erneut ein faires Angebot abgeben. Gerüchte, Premiere wolle an der Bundesliga sparen, seien Unfug. "Premiere ist seit 17 Jahren verlässlicher Partner der Bundesliga und unser Bestreben ist es, diese Partnerschaft fortzusetzen,“ erklärte Premiere-Sprecher Fricke im Gespräch mit Quotenmeter.de. Am Mittwoch erklärte auch Liga-Chef Seifert, dass er davon ausgehe, dass Premiere am Bieterverfahren teilnehmen werde. In diesem Punkt dürfte somit Klarheit herrschen.

Weiterhin unklar ist, welche Rolle Mark Williams genau spielt. Ist er der gewissenhafte Geschäftsmann, der bei Premiere wirklich aufräumen will, oder ist er der clevere Manager, der dem Unternehmen News Corp. einen günstigen Kompletteinstieg beim Bezahlsender ermöglichen will? Aus Premiere-Kreisen hört man, dass Williams alles andere als glücklich über die vielen Karteileichen gewesen ist. Im Gegenteil – der neue Boss schien geschockt und erbost.

Deshalb steht nun kein leichter Weg bevor – aber so ist das im Leben. Nicht umsonst hört man aus Premiere-Kreisen inzwischen den Spruch „Wenn Sie Krebs haben, muss man das kranke Gewerbe erst rausschneiden“. Rausgeschnitten wurden nun die Nicht-Abonnenten, die nach Definition der vorherigen Geschäftsführung wohl doch eben solche waren. Ein genaues Gesamtbild über den Gesundheitszustand von Premiere gibt es noch nicht – Mark Williams wird noch weitere Zahlen und Fakten zusammentragen. Seine Aufgabe in Unterföhring ist noch lange nicht zu Ende. Aber – eines muss an dieser Stelle nochmals erwähnt werden. Auf die Einnahmen hat die Neuklassifizierung der Kunden keine Auswirkung: Premiere verdient nun keine müde Mark weniger als noch vor zwei Wochen.

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