Köpfe

Schlammschlacht? Voß gegen Jauch

von  |  Quelle: SWR
In einem offenen Brief äußert sich SWR-Intendant Peter Voß zu einem Interview, das Jauch dem Spiegel gegeben hat.

Jetzt wird es schmutzig. Der ehemalige Wunschkandidat für die Nachfolge von Sabine Christiansen ist immer mehr Verantwortungsträgern der ARD nun ein Dorn im Auge. Wohl auch, weil er nach seine Absage deutliche Kritik an diversen Personen äußerte. Vor allem SWR-Intendant Peter Voß, der schon am Tag der Absage wenig traurig wirkte, die Absage als "kein Beinbruch" bezeichnete und mit Frank Plasberg einen neuen Anwärter aus dem Ärmel zauberte, schlägt nun zurück. Im Pressetext des SWR formuliert man die Attacke gegen Jauch allerdings anders: Voß verwahre sich gegen die Vorwürfe.

Dies tut er in einem offenen Brief, der mit den Worten "Wer öffentlich austeilt, muss auch öffentlich einstecken können" beginnt. Quotenmeter.de zeigt hier den weiteren Inhalt des Briefs von Peter Voß an die Adresse von Günther Jauch:

Ich möchte Ihnen das jedenfalls unterstellen, nachdem ich Ihr Spiegel-Interview gelesen habe, und Ihnen deshalb ganz öffentlich, nämlich mit einem Offenen Brief, antworten. Nichts gegen Ihre sinnigen Vergleiche zwischen "Platzhirschen" und "Niederwild" in der ARD, das liest sich ganz hübsch. Mein Problem ist nur, dass z. B. der SWR als zweitgrößter Sender bei allen Gemeinschaftsleistungen der ARD entsprechend seiner Größe mitbezahlen muss - also mehr als beispielsweise der NDR. Dies gilt natürlich auch bei einem Vertrag mit Ihnen und übrigens auch bei dem von Ihnen erwähnten Degeto-Vertrag mit Harald Schmidt. Bei den Summen handelt es sich, wie Sie wissen, auch nicht um Peanuts, und da habe ich mir halt eingebildet, dass ich bei den Vertragskonditionen auch ein Wort mitzureden hätte.

Ich habe den Entwurf eines Vertrages mit Ihnen in seinen Eckpunkten erstmals in der Internen Sitzung der Intendanten am 28. November 2006 in München kennenlernen dürfen - und dieser Entwurf war eben nicht unterschriftsreif. Es war z. B. nicht vertraglich sichergestellt, dass Sie als politischer Moderator der ARD auf Werbung verzichten würden. Mein NDR-Kollege und sein Justitiar berichteten zwar, dass Sie dazu bereit wären, aber dies eben nicht in den Vertrag aufnehmen und auch nicht öffentlich machen wollten, man müsse sich auf Ihr Wort verlassen. Sie hätten allerdings eingewilligt, künftige Werbeaktivitäten mit den NDR abzustimmen. Nun habe ich keine Zweifel daran, dass Sie Ihr gegebenes Wort halten - aber das wäre ein unguter Präzedenzfall gewesen. Ich jedenfalls halte nichts davon, dass die ARD künftig zwischen Vertragspartnern erster und zweiter Klasse unterscheidet. Und was ist denn eigentlich ehrenrührig daran, dass man eine Zusage in einem Vertrag festhält? Ich war es übrigens, der hier den Ausweg vorgeschlagen hat, der darin bestand, ganz einfach im Protokoll festzuhalten, dass sich der NDR bei seiner Entscheidung über solche Werbeverträge an das Votum der ARD bindet. So wurde es dann auch beschlossen.

Eine zweite wichtige Frage war der Wunsch, Sie als politischen Journalisten längerfristig zu einem Markenzeichen der ARD zu machen. Das hätte Unterhaltungssendungen bei anderen, also auch bei RTL, nicht berührt, wohl aber «Stern TV». Es hätte allerdings vorausgesetzt, dass die ARD Ihnen entsprechend attraktive, zusätzliche Angebote unterbreitet und dass Sie bereit gewesen wären, darüber ernsthaft mit uns zu sprechen. Eine ausschließende Bedingung war dies nicht, aber, wie ich nach wie vor finde, ein legitimer Wunsch. Die ARD konnte und kann kein Interesse daran haben, dass Sie, wie eine Teilnehmerin es ausgedrückt hat, mit ihrer politischen Talkshow am Sonntagabend nur als "verlängerte Werkbank" eines RTL-Moderators erscheint.

Bleibt noch die Frage, ob eine politische Talkshow in die ARD-Koordination Politik, Gesellschaft und Kultur gehört oder nicht. Ich habe es immer für unsinnig gehalten, "Sabine Christiansen" bei der Unterhaltung anzusiedeln. Die Sendung wurde damit der professionellen Kritik der ARD-Chefredakteure entzogen, und dies hat ihr - bei allem Respekt vor Frau Christiansen - nicht immer gutgetan. Ich habe deshalb angeregt, dies zu ändern - und ich komme auch da, um Ihr Wort aufzugreifen, gern aus der Deckung. Wir haben diesen Beschluss übrigens einstimmig gefasst, also mit den Stimmen von NDR und WDR. Haben Ihnen Ihre Gesprächspartner dies nicht gesagt oder haben Sie es in Ihrem Interview absichtlich verschwiegen? Im übrigen ist es blanker Unsinn, was Sie unseren Chefredakteuren so alles unterstellen. Die publizistische und rechtliche Verantwortung für die redaktionelle Gestaltung einer Sendung liegt allein beim jeweils dafür federführenden Sender, das wäre in Ihrem Fall der NDR gewesen. Die Chefredakteure geben Anregungen und üben Kritik, und sie tun dies auf nüchterne, manchmal auch leidenschaftliche, immer aber professionelle Weise und ohne jede Fernsteuerung. Wer immer Ihnen da etwas anderes eingeblasen hat, hat Sie schlicht hinters Licht geführt- aus welchen Motiven auch immer.

Auch ich finde es schade, sehr geehrter Herr Jauch, dass wir nicht zusammenkommen. Aber so ist das nun einmal bei Vertragsabschlüssen - man einigt sich oder man einigt sich nicht, was ist daran eigentlich so schlimm? Wir alle waren daran interessiert, Sie zu gewinnen, sonst hätten wir uns in unserer internen Diskussion nicht so viel Mühe gegeben, die Sache marschierfähig zu machen. Auf der anderen Seite werden Sie verstehen, dass jemand, der für die ARD profilbildend arbeiten will, sich keine Extrawürste braten lassen kann, sondern gerade die Spielregeln akzeptieren muss, die letztlich unsere publizistische Unabhängigkeit garantieren. Dass die ARD gerade hier nach einigen unguten Affären besonders kritisch beobachtet wird, kann doch für uns erst recht kein Anlass sein, jetzt einem einzelnen Moderator zuliebe - und sei er noch so populär - fünfe gerade sein zulassen. Das müssten Sie doch eigentlich verstehen können.

Und ich denke, Sie halten es auch nicht für Majestätsbeleidigung, wenn man in aller Bescheidenheit darauf hinweist, dass es auch in der ARD eine Reihe profilierter und unabhängiger Köpfe gibt, die zwar nicht so populär sind wie Sie, aber Ihnen, jedenfalls nach meiner Einschätzung, in ihrer journalistischen Potenz nicht nachstehen - Frank Plasberg ist nur ein Beispiel dafür. Sie hingegen können und müssen nun ohne die ARD leben und werden da sicher keinen bleibenden Schaden davontragen, und die ARD wird es umgekehrt auch nicht. Das Ganze ist zwar kein Grund zum Jubeln, aber eine Tragödie ist es nun auch wieder nicht - eher schon eine Komödie, wenn man die öffentlichen Aufgeregtheiten zu ihrem Nennwert nimmt. Aber das muss man ja nicht tun.

Mit besten Grüßen,

Ihr Peter Voß



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