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«Comedians auf Kaffeefahrt»: Eine Serie wie ein Coffee to Go

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Seit Freitag trifft Jerry Seinfeld schon in der elften Staffel Comedians auf einen Kaffee. Mit viel Kurzweil und Verzicht auf TV-übliche Strukturen war das Format seiner Zeit früh weit voraus.

Facts zu «Comedians auf Kaffeefahrt»

  • Genre: Talk/Comedy
  • Schöpfer: Jerry Seinfeld
  • Regie: Jerry Seinfeld
  • Episoden: 83 (11 Staffeln)
  • Laufzeit: 6-23 Minuten
  • Anbieter: Crackle (2012-2017), Netflix (seit 2018)
  • Weltpremiere: 19. Juli 2012
Einst kokettierten die «Seinfeld»-Schöpfer Jerry Seinfeld und Larry David damit, eine „Show about nothing“ – ein Format ohne Thema – erschaffen zu haben. So ganz war das nicht der Fall, denn Ihre Sitcom, die zu einer der erfolgreichsten und am besten besprochenen Comedy-Serien aller Zeiten heranwuchs, handelte im Wesentlichen von den Spannungen zwischen künstlichen sozialen Gepflogenheiten und natürlichem menschlichen Verhalten. Mit «Comedians in Cars Getting Coffee» oder zu Deutsch «Comedians auf Kaffeefahrt» kam Jerry Seinfeld dem Ziel einer nichtssagenden Show deutlich näher als mit «Seinfeld», denn im Grunde erklärt der Titel schon die komplette Prämisse der Sendung.

Impro-Talk für Kaffee- und Autoliebhaber


Bei der Web-Serie, die erstmals im Juli 2012 im Netz erschien, handelt es sich wohl im Wesentlichen um eine Art Talk-Format, in dessen Rahmen Jerry Seinfeld andere Größen aus dem Comedy-Fach im Auto abholt und einen gepflegten Plausch mit ihnen hält - wonach den beiden Unterhaltern eben nun gerade der Sinn steht, ohne Redaktion. Weil es Zuschauer dort jeweils mit zwei Spaßköpfen zu tun haben, artet der Talk oftmals in Impro-Comedy ab. Von Gast zu Gast entwickeln die Gespräche eine eigene Dynamik – mal haben Seinfeld und sein Partner für eine Folge eine Vorgeschichte, mal haben sie sich noch nie gesehen und tasten sich erst einmal ab.

Konstanten hat «Comedians auf Kaffeefahrt» aber doch: Ein Besuch in Kaffeehäusern, Diners oder anderen Etablissements, in denen immer ein koffeinhaltiges Heißgetränk kredenzt wird, pressen die Sendung doch irgendwie in einen Rahmen. Dabei sorgen Zeitlupenshots von Kaffee, der aus teuren Maschinen läuft, für wässrige Münder bei vielen Zuschauern – echter „Coffee Porn“. Des Weiteren wählt Autoliebhaber Seinfeld selbst außergewöhnliche Autos aus, mit denen er sich und seinen Gast durch die Stadt kutschiert. Am Anfang jeder Episode erklärt er, warum ihn das Auto an seinen Gast erinnert. Es ist ein herrlich nihilistisches Format und eine Ausnahme in der Unterhaltungsindustrie, die bei einem wahren Boom an Formaten im Digital-Bereich stets fieberhaft der nächsten zündenden Idee sucht und derlei plumpe Versuchsanordnungen gar nicht erst in Erwägung zieht.

Comedy-Stars bleiben eine sichere Bank


Doch da es Zuschauer bei «Comedians auf Kaffeefahrt» immer mit echten Vollblutunterhaltern zu tun bekommen, geraten die Folgen dennoch ungemein unterhaltsam, auch wenn das Produktionsteam sich dessen davor überhaupt nicht sicher sein kann. Die ersten neuen Staffeln der Serie liefen bis 2017 noch beim Sony-Dienst Crackle, gesponsert von der Automarke Acura. Die Werbung für deren Autos und entsprechende Product Placements entwickelten sich schnell selbst zum Running Gag im Format, denn Seinfeld durfte sich selbst immer wieder neue Wege ausdenken, um die Vehikel im Format kreativ zu bewerben.

In Folge eines groß angelegten Netflix-Deals mit Seinfeld übernahm Netflix im Januar 2017 das Format und setzte es 2018 fort. Die elfte Runde erschien am 19. Juli und damit genau sieben Jahre nach Premiere der Sendung. Das Aufgebot sorgte schon vorab wieder für große Augen: Eddie Murphy, Seth Rogen, Ricky Gervais (zum zweiten Mal), Matthew Broderick, Jamie Foxx und Martin Short zählten zu den Unterhaltern, die sich mit Seinfeld auf einen Kaffee trafen, genauso wie Sebastian Maniscalco, Mario Joyner, Melissa Villaseñor, Bridget Everett und Barry Marder. Sie folgen auf Comedy-Legenden wie Larry David, Mel Brooks, David Letterman, Sarah Silverman, Chris Rock, Louis C.K., Jay Leno, Tina Fey, Jimmy Fallon, Kevin Hart, Bill Burr oder Jim Carrey. Sie alle waren schon Teil des Formats, das Comedy-Nerds damit voll auf ihre Kosten kommen lässt.

«Comedians auf Kaffeefahrt» trifft den Zeitgeist


In gewisser Weise war «Comedians auf Kaffeefahrt» seiner Zeit schon immer weit voraus und kennzeichnet heute die Sendung, nach der sich viele Nutzer im Zeitalter des ‚Peak TV‘ sehnen, in dem immer mehr Formate um die begrenzte Aufmerksamkeit und Zeit der Zuschauer konkurrieren und viele davon erfordern, als Nutzer Zeit zu investieren, um einer horizontal erzählten Geschichte über einen längeren Zeitraum hinweg zu folgen. «Comedians auf Kaffeefahrt» macht sich völlig frei von diesen Zwängen.

Das brachte dem Format anfangs noch Kritik ein. Die „Variety“ schrieb etwa, dass selbst 18 Minuten Laufzeit bei diesem dünnen Konzept noch in die Länge gezogen wirkten. Die „New York Times“ bescheinigte der Sendung, dass ihr der Bezug zur echten Welt und zu normalen Menschen fehle und nur Seinfelds Reichtum abbilde. Tatsächlich wirkt Seinfeld in manchen Episoden als gesettelter Comedy-Multimillionär etwas versnobbt und abgehoben, wie er in Sakko, Jeans und Sportschuhen durch die USA spaziert. Doch es gehört zur Comedy-Persona, mit der Seinfeld auch sein Stand-Up-Programm bestreitet und trägt in vielen Fällen nur zum Unterhaltungsfaktor bei, wenn der Komiker mit Verachtung auf Alltäglichkeiten blickt.

Folgen dauern mit einer Laufzeit, die meist zwischen 12 und 20 Minuten liegt vergleichsweise kurz und jede Folge steht für sich alleine. Dorthin geht seit knapp einem Jahr ein Trend im Streaming-Bereich – zu kurzen Episoden-Laufzeiten, die möglich wenig Investment erfordern. Daher entspricht «Comedians auf Kaffeefahrt» einem Coffee to Go – nur als Serie. Man holt ihn sich für zwischendurch, konsumiert ihn und wirft den leeren Pappbecher dann weg, ehe man sich bei Zeiten den nächsten einverleibt – schnell, unkompliziert, funktional.

Kein Wunder, dass sich viele Formate seitdem so einiges bei der Serie abschauten. Kurz nachdem «Comedians auf Kaffeffahrt» zu Netflix wechselte, versuchte sich hierzulande das ZDF an einer Kopie. Auch «Sitzheizung gibt’s nicht», in dem Michael Kessler den Seinfeld gab, geriet kurzweilig, überlebte eine Staffel jedoch nicht. Weitere ähnliche Formate lauten «Carpool Karaoke», «Alec Baldwin’s Love Ride», «Funny Uber Rides», «Coffee Break» oder «Hiking with Kevin». Weniger subtil gingen «Comedians Watching Football with Friends», «Clergy in Cars Getting Coffee», «Politicians in Cars Getting Coffee» oder «Comedians on Bikes Getting Soup» vor, die teilweise als Parodien entstanden. Doch keine Serie kommt an das Original heran, das anfangs so aus der Zeit gefallen schien, aber in Wahrheit zeitgemäßer denn je ist.

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