Die Kritiker

«Das Sacher. In bester Gesellschaft»

von

Im Stile von «Das Adlon», nur mit mehr Wiener Schmäh und stärker verdichtet: Das ZDF widmet einem weiteren Hotel einen Mehrteiler.

Cast & Crew

  • Regie: Robert Dornhelm
  • Drehbuch: Rodica Döhnert
  • Darsteller: Josefine Preuß, Julia Koschitz, Florian Stetter, Laurence Rupp, Ursula Strauss, Robert Palfrader, Jasna Fritzi Bauer, Peter Simonischek, Simon Schwarz, Robert Stadlober, Lili Epply, Edin Hasanovic, Joachim Król, Bernhard Schir, Nina Proll
  • Kamera: Marcus Kanter
  • Kostüm: Brigitta Fink
  • Szenenbild: Bertram Reiter
  • Schnitt: Andreas Kopriva
  • Musik: Roman Kariolou
  • Produktionsfirma: MR-Film, Moovie
Das Hotel Sacher – mehr als nur die Geburtsstätte der berühmten Schokoladen-Marillen-Torte. Das luxuriöse, elegante und weltmännische Wiener Hotel ist obendrein der Schauplatz, der als Hintergrund für gesellschaftliche und politische Entwicklungen Österreichs diente, die auf ganz Europa Einfluss genommen haben. So beschreibt es zumindest der zweiteilige ZDF-Historienfilm «Das Sacher. In bester Gesellschaft», das Melodrama, Gesellschaftsskizze und Thriller zu einer fiktionalen, aber glaubwürdigen Geschichte verbindet, die im Zeitraum von 1892 bis 1919 spielt.

Diese zeitgeschichtlichen Verwerfungen bilden jedoch eingangs nur die zweite Ebene des ZDF-Eventfilms. In allererster Linie geht es um eine lose an Goethes «Wahlverwandtschaften» angelehnte Ménage à quatre: In der Lobby des Hotels lernen sich zufällig die junge Fürstin Konstanze von Traunstein (Josefine Preuß) und die Berliner Verlegerin Martha Aderhold (Julia Koschitz) kennen, die zu Freunden werden. Aus Sympathie zueinander unterstützt Martha Aderhold die schriftstellerischen Ambitionen der Adligen, jedoch wird die Freundschaft mit zunehmender Dauer auf immer härtere Proben gestellt. Diese ist eng verzahnt mit den Beziehungen beider Frauen zu ihren Gatten, dem Freimaurer-Sympathisanten Hans Georg von Traunstein (Laurence Rupp) und dem gescheiterten Schriftsteller Maximilian Aderhold (Florian Stetter).

Unterdessen kämpft Sachers Witwe Anna (Ursula Strauss) darum, ihre Konzession als k.u.k.-Hoflieferantin zu behalten und somit den Stand des Hotels zu bewahren. Allerdings ereignen sich im Dunstkreis des Wiener Vorzeigehauses auch düstere Ereignisse: Die elfjährige Marie (Jasna Fritzi Bauer), die uneheliche Tochter einer Wäscherin des Hotels, wird entführt und anschließend in den Katakomben der nageliegenden Oper gefangen gehalten. Nach und nach verzahnen sich diese Handlungsfäden auf bittersüße, dramatische und berührende Art und Weise …

Obwohl «Das Sacher» im Gegensatz zum (nicht ganz so heimlichen) Vorbild «Das Adlon» nur in zwei abendfüllenden Teilen erzählt wird, statt in drei, ist das Historiendrama noch gehaltvoller: Regisseur Robert Dornhelm («Amanda Knox - Der Engel mit den Eisaugen») entwirft nach dem stark verdichteten Drehbuch von Rodica Döhnert («Das Adlon. Eine Familiengeschichte», «Die Pferdeinsel») ein Drama, in dem sich auf grazile Form gegensätzliche Handlungsfäden ergänzen. Obwohl das Liebesviereck, der Plot über den Erhalt des Hotelglanzes, der Handlungsfaden um Konstanzes Autorenträume sowie die finstere Story über die als entführte Marie eine gänzlich andere Atmosphäre haben, ergeben sie ein stimmiges Ganzes, da Dornhelm alle Storyebenen gleichermaßen nach alter Schule einfängt.

Die großen, prachtvollen Bilder und das aller Storydichte zum Trotz angenehm-gemächliche Storytelling lassen «Das Sacher» als altmodischen, nicht aber verstaubten Bilderbogen: Der frech-vornehme Wiener Schmäh verleiht der im Zentrum stehenden, bei Goethe entlehnten Handlung einen feinen Charme – nicht zuletzt, da Josefine Preuß und Julia Koschitz eine launige Chemie untereinander haben, während Laurence Rupp und Florian Stetter auf individuellem Wege ganz eigene Facetten des Narzissmus darbieten. Das Thrillerelement packt Dornhelm zurückhaltend an, so dass er die melodramatische Zwischennote des Zweiteilers nicht aushebelt, wohl aber mit ausreichend Schneid, um dessen Dringlichkeit zu vermitteln.

Zudem bereiten die frühen Suspenseaspekte des Zweiteilers zeitig vor, dass «Das Sacher» gen Schluss dann sehr wohl intensiver auf den gesellschaftlichen Umbruch während des Untergangs der Belle Epoche und des Aufkeimens des Industriezeitalters eingeht – inklusive Kräftemessen zwischen reaktionären und reformerischen Parteien. Durch diesen schleichenden, aber von Akt zu Akt an Fahrt aufnehmenden, Wechsel des erzählerischen Schwerpunkts vermeidet es Autorin Döhnert, in Klischeegewässer abzudriften: Mit den sozialen Umstürzen verliert die klassische Romanze an Relevanz, so dass sie auch aus den Köpfen der Protagonisten verschwindet.

Passend dazu: Aus dem Arsenal an Nebenfiguren sticht vor allem Jasna Fritz Bauers rebellisch-intellektuelles Entführungsopfer hervor. Als etwas kratzbürstige sowie durch und durch idealistische Freidenkerin geht sie einen ganz anderen Weg, als solche Filme üblicherweise für jahrelang isoliert großgezogene Frauenrollen vorsehen. Mit stählernem Gestus vermittelt Bauer diese Persönlichkeitszüge Maries allerdings glaubwürdig und mitreißend, wovon der Zweiteiler enorm profitiert, ist sie doch eine Schlüsselrolle, wenn der politische Subplot an Zugkraft gewinnt. Bedauerlich nur, dass diesem zurückhaltend-imposanten Zweiteiler immer wieder durch die Musikuntermalung ein Stück seiner Eleganz genommen wird: Roman Kariolou hat zwar einen markanten Score erschaffen, mit seiner skurrilen Abwandlung typisch-viktorianischer Klänge würde er sich aber viel eher in einen Tim-Burton-Film oder bei Lemony- Snicket heimisch fühlen.

Fazit: «Das Sacher. In bester Gesellschaft» ist ein würdiger «Das Adlon»-Nachfolger: Ähnlich elegant, stark gespielt und klug geschrieben.

«Das Sacher. In bester Gesellschaft» ist am 16. und 18. Januar 2017 im ZDF zu sehen – jeweils ab 20.15 Uhr.

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