Die Kino-Kritiker

«Bauernopfer - Spiel der Könige»

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Im Grunde ist es nur ein Spiel, in dem Figuren auf einem Brett hin- und hergeschoben werden. In «Bauernopfer - Spiel der Könige» wird aus Schach allerdings ein Politikum. Und aus ebenjenem dann wiederum einer der besten Filme des Jahres.

«Bauernopfer - Spiel der Könige»

  • Kinostart: 28. April 2016
  • Genre: Biopic/Thriller
  • FSK: 6
  • Laufzeit: 115 Min.
  • Kamera: Bradford Young
  • Musik: James Newton Howard
  • Buch: Steven Knight
  • Regie: Edward Zwick
  • Darsteller: Tobey Maguire, Liev Schreiber, Peter Sarsgaard, Michael Stuhlbarg, Edward Zinoviev, Alexandre Gorchkov, Lily Rabe, Robin Weigert
  • OT: Pawn Sacrifice (DE 2016)
Erinnern wir uns einmal knapp drei Jahre zurück: Damals sorgte «Rush»-Regisseur Ron Howard mit seiner Verfilmung der wohl berühmtesten Formel-1-Fehde aller Zeiten für eine der spektakulärsten Kinoüberraschungen 2013. Ein Film über den Autorennzirkus hätte auch böse ins Auge gehen und sich ausschließlich einem fachidiotischen Publikum erschließen können. Doch der Filmemacher erzählte darin nicht bloß die von ihrer raketenhaften Karriere geformte Geschichte der ewigen Kontrahenten Niki Lauda und James Hunt, sondern beleuchtete vor allem das Seelenleben beider Figuren, wodurch sich die Faszination für die beiden Rennfahrer überhaupt erst erschloss. So energisch, nah am Geschehen und gleichsam elektrisierend inszeniert, eröffnete sich die Formel 1 für zwei Stunden plötzlich auch jenen Zuschauern, die mit dem Sport bislang wenig bis gar nicht in Berührung kamen. Trotzdem haben Prominente wie Michael Schumacher dazu beigetragen, dass Motorsport alles in allem weitaus mehr Popularität besitzt, als jenes Spiel, dem sich Filmemacher Edward Zwick («Love and Other Drugs») in seinem suspensegeladenen Biopic «Bauernopfer» zuwendet. Das Thrillerdrama erzählt vom Anfang der Siebzigerjahre weltberühmten Schachspieler Bobby Fischer, der 1972 im später zum „Match des Jahrhunderts“ auserkorenen Weltmeisterschaftskampf gegen den Russen Boris Spassky antrat. Das entscheidende Spiel der beiden Rivalen ging später als bestgespielte Schachpartie aller Zeiten in die Sportgeschichte ein.

Die Faszination des Schachspiels


1972 – Amerika verfällt dem Schachfieber als sein jüngster Schach-Großmeister der Geschichte, Bobby Fischer (Tobey Maguire), in einem spektakulären Spiel um die Weltmeisterschaft auf seinen russischen Rivalen Boris Spassky (Liev Schreiber) trifft. Die amerikanisch-russische Konfrontation auf dem Schachbrett mitten in den Wogen des Kalten Krieges löst einen wahren Medienzirkus aus und Fischer findet sich plötzlich als Spielball der Interessen zweier Weltmächte wieder, während er gleichzeitig mit seinen ganz eigenen Dämonen zu kämpfen hat…

«Bauernopfer – Spiel der Könige» als „«Rush» des Schachsports“ zu bezeichnen, könnte die Qualitäten des impulsiven Biopics nicht treffender zusammenfassen. Drehbuchautor Steven Knight bewies zuletzt mit seinem Ein-Mann-Stück «No Turning Back», mit welcher Raffinesse es ihm gelingt, aus einem scheinbar unspektakulären Szenario das Optimum an emotionaler Intensität herauszuholen. Auf das Wesentliche herunter gebrochen, geht es in «Bauernopfer» schließlich nur darum, zwei Männern dabei zuzusehen, wie diese abwechselnd Schachfiguren über das Schwarz-Weiße Spielfeld schieben. Eingebettet in den politischen Kontext, aber auch ummantelt von dem sensiblen Portrait Bobby Fischers, gewinnt dieses vermeintlich unspektakuläre Spiel an Spannung und Intensität, dass man sich schon bald in einem waschechten Thriller wähnt, der seine Verfolgungsjagden, Schießereien und Mann-gegen-Mann-Kämpfe eben in Form eines Schachspiels austrägt. Wenn das Finale schließlich aus einem alles entscheidenden Match um den Weltmeisterschaftstitel besteht, haben die aufgestauten Gefühle der letzten zwei Stunden bereits so stark an den Nerven gezerrt, dass Gänsehaut und Herzklopfen auch ohne viel Effekthascherei vorprogrammiert sind.

Ein Thriller der Extraklasse


Funktionieren kann dieses ohne große Schauwerte auskommende Unterfangen natürlich nur mithilfe der richtigen Darsteller. Tobey Maguire («Labor Day») ist in seiner Gestik und Mimik so nuanciert, dass sich der anklingende, psychotische Wahnsinn seiner Figur unterschwellig in die Szenerie hineinschleicht. Maguire macht aus Bobby Fischer einen Rockstar des Schachspiels, mit all seinen Allüren, Eigenheiten und auch unsympathischen Taten, mithilfe derer er zu einem komplexen, bisweilen auch unangenehmen Charakter wird. Dass man sich als Zuschauer dennoch nie vor den Kopf gestoßen fühlt, den Werdegang von Fischer interessiert mit verfolgt und ihm seine Siege zu jedem Zeitpunkt von Herzen gönnt, liegt an einer subtilen Tragik, die Knight hervorragend in sein Skript zu integrieren weiß. Auch im Falle von Bobby Fischer liegen Genie und Wahnsinn einmal mehr direkt beieinander. Wenn der junge Mann Verschwörungstheorien um die Russen und die Juden entspinnt, erwecken derartige Äußerungen nur so lange den Eindruck einer Psychose, bis Fischer des Nachts Schritte vor seinem Hotelzimmer hört und er Geräusche in seinem Telefonhörer wahrnimmt, die auf ein Abhörgerät hindeuten. So ganz löst «Bauernopfer» die Grenzen zwischen Paranoia und Realität nie auf. Gleichsam entsteht gerade hierdurch der Reiz. Wie ein undurchsichtiger Schleier schwebt eine Atmosphäre des Bösen über dem auf dem Schachbrett ausgetragenen Krieg zwischen den USA und Russland – da bedarf es gar nicht der von der Presse bevorzugten Sensationsgeilheit, die das Drehbuch hier ebenfalls am Rande thematisiert.

1972, zur Hochzeit des Kalten Krieges, wurde jede Begegnung zwischen Russland und den USA zu einem Politikum hochstilisiert. Diese Tatsache macht auch in «Bauernopfer» einen Großteil des Storymotors aus. Wenn nicht gerade die psychotischen Tendenzen Bobby Fischers thematisiert werden, befasst sich der Regisseur mit der Macht der Medien, aber auch damit, wie die Spieler jene beeinflussen können. Zu einer der besten Szenen des mit Highlights gespickten Films gehört ein Moment, in welchem sich Fischer gegen die Austragung des Weltmeisterschafts-Matches auflehnt. Wie der Schachspieler sein Team, seine Geldgeber, aber auch die Veranstalter damit unter Druck setzt, die wiederum in einem Mühlrad sitzen, das gleichsam von der Presse am Laufen gehalten wird, entbehrt nicht selten einer entlarvenden Komik. Trotz eines recht konventionellen Biopic-Aufbaus befasst sich «Bauernopfer» im Kern mit so vielen Facetten einer Welt, die vielen von uns bislang verborgen geblieben ist, dass jeder Verlass auf Schemata nur für ausreichend Überblick sorgt. Darüber hinaus orientiert sich das Skript nah an der Realität, fügt der Dramaturgie wegen nichts hinzu, oder lässt Fakten außen vor, sodass es sich dem Werdegang Fischers schlecht vorwerfen lässt, im weitesten Sinne recht konventionell verlaufen zu sein.

Als größter Kontrahent Boris Spassky erweist sich Liev Schreiber («Spotlight») als fast hünenhafte Gestalt. Der in der Originalfassung perfektes Russisch sprechende Darsteller hat insgesamt wenig Text, vermag es aber trotzdem, eine einschüchternde Präsenz auszustrahlen. Dadurch wird sein Charakter symbolhaft wie der einer Lichtgestalt – unnahbar, unerreicht. Vermutlich entspricht genau das dem Empfinden Bobby Fischers, als jener 1972 zum Match gegen ihn antreten musste. Peter Sarsgaard («Night Moves») und Michael Stuhlbarg («Trumbo») bilden indes Fischers Entourage, die die Launen ihres Schützlings zu dulden und auszuhalten hat, aber auch zu jedem Zeitpunkt hinter ihm steht. Gleichsam erfüllen die beiden auch eine für das Publikum wichtige Funktion: Sie ordnen das Geschehen auf dem Schachbrett so für das Publikum ein, dass auch des Schachs nicht mächtige Zuschauer stets wissen, wie die Züge und Entscheidungen der Spieler zu bewerten sind. Komponist James Newton Howard («The Huntsman & The Ice Queen») und Kameramann Bradford Young («Selma») sorgen mit ihren stets subtil durchdachten Ton- und Bildkompositionen für ein durch und durch elegantes Erscheinungsbild, das von dunklen Bildern und unterschwelligen Klängen dominiert wird. Der Fokus bleibt stets auf Bobby Fischer – mit seiner Person ließen sich vermutlich noch Dutzende von Geschichten füllen.

Fazit


«Bauernopfer – Spiel der Könige» ist ein herausragendes Biopic über eine der streitbarsten Sportlerpersönlichkeiten der vergangenen Jahrzehnte, deren Faszination in der Akribie von Steven Knight und Edward Zwick das perfekte Team gefunden hat, um jene angemessen auf der Leinwand zu würdigen.

«Bauernopfer – Spiel der Könige» ist ab dem 28. April in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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