Die Kritiker

Reto brummt der Schädel...

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Die Kritiker: Ein nigerianischer Asylbewerber ist ermordet worden. Der neue Luzerner «Tatort» spinnt sich daraus einen suggestiven, aber wenig geistreichen Sozialkrimi.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Stefan Gubser als Reto Flückiger
Delia Mayer als Liz Ritschard
Marie-Helene Boyd als Jola West
Rauand Taleb als Navid Massud
Charles Mnene als Ebi West
Andreas Krämer als Franz Hofstetter
Marcus Signer als Sepp Rieder

Hinter der Kamera:
Produktion: Hugofilm Productions GmbH
Drehbuch: Manuel Flurin Hendry und Josy Meier
Regie: Manuel Flurin Hendry
Kamera: Felix Novo de Oliveira
Flückiger hat Migräne. Oder wie es sein rabiater, stets schlecht informierter und altväterlicher Dienstvorgesetzter Mattmann ausdrücken würde: Er hat sie nicht alle beisammen. Immer wenn der Stress zu intensiv wird, fängt Flückiger an zu halluzinieren und zu reihern wie ein Geisteskranker, bevor er das Bewusstsein verliert und umkippt.

Das schränkt ihn naturgemäß etwas ein, in der neuen Luzerner «Tatort»-Folge. Noch dazu, weil sie nicht gerade im einfachsten Milieu spielt.

Ein nigerianischer Asylant wird tot an einem Flussufer aufgefunden. Er hat eine Schlagwunde an der Stirn, doch die hat ihn nicht umgebracht. Stunden später wurde ihm ein Messer direkt ins Herz gerammt. Während Flückiger gegen den ersten Migräneanfall kämpft, beginnen im Dezernat die Recherchen. Ergebnis: Das Opfer heißt Ebi und war vor zwei Jahren als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling in die Schweiz gekommen. Nach Erreichen der Volljährigkeit war ihm vor sechs Monaten der Ausweisungsbescheid zugestellt worden. Weil der Mann sowieso bald abgeschoben worden wäre, drängt Mattmann – ganz der verbohrte Schweizer Beamte – darauf, den Vorgang zügig dichtzumachen.

Doch Flückiger trotzt ihm und dem Brummschädel und ermittelt mit Kollegin Liz und einem prolligen Bullen von der Rauschgiftabteilung Marke Straßenköter weiter. Denn Ebi hatte, zusammen mit anderen Nigerianern, im großen Stil Kokain gedealt. Der Straßenköter aus der Rauschgiftabteilung kennt die nigerianischen Dealer, mit denen das Opfer zu tun hatte, alle persönlich, weil er seit Monaten fleißig gegen sie ermittelt. Doch viel könne man gegen sie eben nicht machen. Außerdem seien das ohnehin nur kleine Fische. Er will an die dicken Haie im Hintergrund.

„Schutzlos“, so der bemüht vielsagende Titel dieser Folge, hat ein Problem, das man mit vielen anderen «Tatorten» teilt: Sie ist weniger ein Krimi, als ein suggestives Lehrstück, ein bemühter Beitrag zum politischen und gesellschaftlichen Diskurs, der – notgedrungen? – vereinfacht, ausklammert und stereotypisiert, damit auch noch der Krimi Platz hat.

Das führt zu einigen Problem: Speziell einer gewissen Oberflächlichkeit, mit der diese Themen durchexerziert werden, inhaltlich wie dramaturgisch. Die machtlos wirkenden Cops, die im Angesicht ausgefeilter krimineller Strukturen nicht bestehen zu können meinen und entsprechend rabiat auftreten. Die didaktischen Passagen, in denen bei gekünstelten Dialogen eine Sackladung Hintergrundinformationen über die realen Zustände abgeladen wird. Oder die Kalendersprüche im Stil von „Alle Menschen sind gleich, aber ein paar sind eben gleicher“, die den Gipfel der geistreichen Reflexion bilden sollen.

Das alles hätte sich intelligenter, anspruchsvoller, tiefsinniger und relevanter erzählen lassen, ohne all die Was-haben-wir-bis-jetzts, die aufgesetzten Wutausbrüche rabiater Bullen, die Beziehungskisten und aufgesagten Sätzchen. Als Krimi solide und unauffällig – als Gesellschaftsdrama aber zu gewollt.

Das Erste zeigt «Tatort – Schutzlos» am Sonntag, den 5. Juli um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/79246
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