Sonntagsfragen

Maria Ehrich: 'Überall gibt es Menschen, die die Welt besser machen'

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Die Schauspielerin Maria Ehrich hat eine Pause eingelegt und die Welt bereist. Zurückgekommen ist sie mit einem Buch, einem Dokumentarfilm und vielen neuen Erfahrungen.

Zur Person

  • Maria Ehrich wurde 1993 in Erfurt geboren
  • Sie spielte unter anderem in «Das Adlon. Eine Familiensaga», «Ku'damm 56» und «Ku'damm 59» mit sowie in «Die Glasbläserin»
  • Außerdem war sie in der Edelstein-Trilogie («Rubinrot», «Saphirblau», «Smaragdgrün») zu sehen
  • Gemeinsam mit ihrem Partner Manuel Vering ging sie Anfang 2018 auf eine siebenmonatige Weltreise
  • Die Erfahrungen dieser Reise verarbeiten sie in «Leaving The Frame»
Hat sich durch Ihre Weltreise Ihre Herangehensweise ans Schauspiel verändert?
Ich glaube nicht. Ich war immer eine sehr intuitive Schauspielerin, das hat sich nicht verändert. Aber ich bin bei meinen Rollen selektiver geworden.

Welche Parameter bestimmen, ob Sie eine Rolle annehmen oder nicht?
Die Größe der Rolle spielt keine Rolle. Es ist mir jedoch wichtiger denn je geworden, dass meine Rolle eine Entwicklung durchmacht, ich möchte, dass meine Figur vielfältig angelegt ist und dass das Publikum etwas von ihr mitnimmt.

Hat sich in den vergangenen Jahren etwas getan, was die Qualität der Frauenrollen angeht?
Es ist noch viel Luft nach oben, aber ich finde, dass es durchaus immer mehr komplexe Frauenrollen im Film gibt. Ich habe kürzlich zum Beispiel «Bad Banks» gesehen, und Paula Beer spielt so eine packende Rolle, die hätte es vor wenigen Jahren wahrscheinlich so noch nicht für Frauen gegeben.

Könnten Sie es sich vorstellen, weiter im Regiefach zu verweilen und dort für bessere Frauenrollen zu sorgen?
Die Vorstellung, Regie zu führen finde ich zwar reizvoll, aber ich habe bei unserem Dokumentarfilm gemerkt: Das ist eine sehr umfassende Aufgabe, die über einen langen Zeitraum viel von dir abverlangt. Ich war es gewohnt, als Schauspielerin immer nur für einen überschaubaren Zeitraum bei einem Projekt zu sein und dann zum nächsten überzugehen. Als Regisseurin sitzt man viel länger an einem einzelnen Film, und darauf muss man sich erst einstellen. Darüber hinaus lastet da ein anderer Druck auf dir, weil so viele Menschen von deinen Entscheidungen abhängig sind. Daran möchte ich mich erst herantasten, aber na klar: Ich würde sehr gerne einmal Regie bei einem fiktionalen Film führen, wenn ich die Gelegenheit erhalte und mich dem gewachsen fühle.

Um auf «Leaving the Frame» zu kommen: Wie schwer war es, eine Balance zu finden, zwischen dem Element "Wir thematisieren uns" und "Wir thematisieren die Menschen, denen wir begegnet sind"?
Im Schnitt habe ich gelernt, dass das richtig schwer ist, zu entscheiden, was rein soll und was nicht, aber es war hilfreich, dass wir erst unserem Cutter das Material gezeigt und danach beschlossen haben: "Ja, so lässt sich ein Film draus machen." Wir hatten also nach Abschluss unserer Reise, aber schon vor der Postproduktion der Doku einen groben Fahrplan.

Ich habe mir für unser Projekt eine Auszeit von der Schauspielerei genommen, um mich auf eine Reise zu begeben, bei der ich mich weiterentwickeln kann. Und zwar, indem ich die Welt besuche und dabei mit offenen Augen den Menschen begegne.
Maria Ehrich
Was ist Ihre erhoffte Kernaussage hinter der Doku und dem gleichnamigen Buch?
Der Untertitel lautet nicht grundlos "Eine Weltreise ohne Drehbuch": Ich habe mir für unser Projekt eine Auszeit von der Schauspielerei genommen, um mich auf eine Reise zu begeben, bei der ich mich weiterentwickeln kann. Und zwar, indem ich die Welt besuche und dabei mit offenen Augen den Menschen begegne. Überall gibt es Menschen, die die Welt besser machen. Dabei habe ich realisiert, wie wichtig das Zuhören ist. Wir wollten, wenn wir in der Doku die Welt bereisen, daher auch Leute zeigen, die mehr gesehen haben als wir und von denen wir etwas lernen können.

Und wir müssen dringend lernen. Es scheint nämlich so, als würde die Schrecklichkeit des Vergangenen in Vergessenheit geraten. In New York zum Beispiel haben wir einen Mann getroffen, der jeden Tag ein Bild malt, mit dem er sein Trauma aus dem Holocaust verarbeitet. Das hat uns noch mehr darauf gebracht, wie wir den Film angehen sollten: Wir können nicht nur zuschauen, wir müssen auf unserer Art aufklären und dafür sorgen, dass so etwas nicht nochmal passiert.

Nach Ihrer Weltreise, würden Sie sagen: Menschen sind per se gut, aber werden korrumpiert? Oder liegt uns etwas Schlechtes inne und wir brauchen daher dringend positive Einflüsse, um das zu bekämpfen?
Ich denke, dass man das nicht verallgemeinert beantworten kann. Es gibt stets unterschiedliche Beweggründe. Manchmal geht man guten Rhetorikern auf den Leim, andere Male mag es an mangelnder Aufklärung liegen. Aber ich habe die Beobachtung gemacht, dass man nahezu immer etwas erreichen kann, wenn man in den Dialog tritt und sich auf Augenhöhe austauscht. Und rein präventiv gedacht: Es mag eine Floskel sein, aber es stimmt – wenn man in die Welt hinauszieht, wird man ein offenerer Mensch. Erfahrungen bauen Vorurteile ab. Wenn man dagegen immer nur im selben Trott lebt, kann sich ein finsterer Gedanke, den man vielleicht hat, festsetzen. Daher wäre es so erbaulich für die Zukunft unserer Gesellschaft, wenn wir uns auch mit anderen Ländern, deren Menschen und Kulturen beschäftigen. Es würde viel Hass vorbeugen

Vielen Dank für das Gespräch.

«Leaving The Frame» ist als Buch erschienen. Der gleichnamige Dokumentarfilm läuft derzeit in den deutschen Kinos.

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