Sonntagsfragen

Sonntagsfragen an Katrin Müller-Hohenstein

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Die „Miss Sportstudio“ im Interview. Nach 15 Jahren beim Radiosender Antenne Bayern reichte KMH vor wenigen Wochen die Kündigung ein. Im Interview spricht sie über glückliche Zeiten beim Münchner Sender, über Mainstream-Radio, Gewinnspiele und ihre Zukunft bei Bayern 1.

Ihre Radiokarriere begann vor 20 Jahren, Frau Müller-Hohenstein. Wollten Sie schon immer zum Radio?
Das war ein großer Zufall. Nach dem Abitur habe ich zwei Jahre im Ausland verbracht. Mein Vater meinte dann, es wäre an der Zeit mal wieder nach Hause zu kommen. Mir war aber gar nicht so wohl bei diesem Gedanken, weil ich mich in Amerika sehr wohl gefühlt habe. Letztlich bin ich aber doch heim gekommen und habe ein Studium begonnen. Das war aber eine reine Katastrophe, denn ich bin auch schon nicht gern zur Schule gegangen. Ich war eher ein Typ für die praktischen Dinge. In der Zeit sind dann auch viele kleine Rundfunkstationen gestartet. Mich hat damals ein Freund darauf hingewiesen, dass das möglicherweise etwas für mich wäre.

1992 sind Sie dann zu Antenne Bayern gekommen. Was hat Sie damals an diesem Sender fasziniert?
Gar nichts (lacht). Ich bin da ein bisschen merkwürdig, ich habe das mittlerweile schon erkannt, dass ich überhaupt keinen Ehrgeiz habe. Viktor Worms wollte mich zu Antenne Bayern holen. Ich wusste aber gar nicht, was ich sagen sollte und habe dann gesagt: Ja, erstmal nicht. Ich war dann zunächst bei RTL in Köln, aber bin dann letztlich doch zu Antenne Bayern gegangen.

Das war mehr eine glückliche Fügung – warum ich übrigens doch bei Viktor Worms unterschrieben habe, weiß ich heute gar nicht mehr, bin aber im Nachhinein sehr glücklich darüber.

Sie haben dann aber sehr schnell die Nachmittagsshow «Servus, Bayern» moderiert. Ganze acht Jahre lang waren Sie nachmittags zu hören. Was konnten Sie da lernen?
Es sind ja mittlerweile 15 Jahre – ich unterscheide da nicht zwischen Nachmittag und Vormittag. Die Themen sind zwar andere, aber das Radio hat sich ohnehin gewandelt.

Was ich am Nachmittag gelernt habe, das habe ich in den ersten drei Wochen gelernt. Der damalige Programmchef, Mike Haas, hat mich einfach ins Studio gesetzt und mich zuschauen lassen. Was lernt man in acht Jahren Radio? Man lernt authentisch zu sein und man hat irgendwann jede Situation erlebt. Es kann bei mir also alles passieren, da kann mich nichts mehr schocken. Das klingt abturnend, aber es ist so. Ich bin im Studio derart sicher, dass gerne alles und jeder kommen kann.

Seit 2000 moderieren Sie den Vormittag. Was ist denn schöner?
Für mich und meinen Biorhythmus ist es der Vormittag. Am frühen Nachmittag falle ich oft in ein kleines Loch. Deswegen ist es ganz schön, dass ich da meinen Arbeitstag schon hinter mir habe. Außerdem kommt nachmittags mein Sohn aus der Schule - dann bin ich schon gerne daheim.

Im Jahr 2003 und 2004 zogen dunkle Wolken über Ismaning. Es gab finanzielle Probleme, die zum Teil aus einer missglückten Konzerttour hervorgingen. Und es kam hinzu, dass immer mehr Hörer den Sender verließen. So kam es auch, dass Mitarbeiter entlassen wurden, erstmals wurde die Nacht nicht mehr live moderiert. Was ist denn damals aus Ihrer Sicht schief gelaufen?
Das war keine einfache Zeit. Sehr viel mehr möchte ich dazu nicht sagen.

Die Entlassungen hat Stephan Offierowski, der damalige Programmdirektor, unterschrieben. Er ist aber eigentlich nicht dafür bekannt, damit fahrlässig umzugehen.
Nein, um Gottes Willen! Offierowksi war nur das ausführende Organ. Die Entscheidung haben andere getroffen. Aber darüber kann man stundenlang philosophieren. Das passiert in Deutschland ja überall – nicht nur in der Medienbranche. Es geht vielen Unternehmen in Deutschland sehr, sehr gut. Und dennoch versucht man die Mitarbeiter an diesem Erfolg nicht zu beteiligen. Und das ist nicht okay.

Das ist bei der Telekom ähnlich…
Eben, deswegen sage ich ja, dass das nicht nur in der Medienbranche so ist. Das ist ein gesellschaftliches Phänomen. Da sollten wir aber dringend anfangen, darüber nachzudenken. Das wird auf Dauer nicht gut gehen.

Drehen wir weiter am Rad der Zeit: Programmdirektor Offierowski musste gehen, es kam Valerie Weber aus Baden-Württemberg von Antenne 1. Ein Privatradiosender, den sie zum Marktführer gemacht hat. Und Frau Weber hat schon in den ersten Wochen alles umgekrempelt, manche Menschen sagen, es wundere sie, dass das Funkhaus noch an der selben Stelle stehe. Aber sie hatte Erfolg: Aus weniger als 700.000 Hörern hat sie in zwei Jahren mehr als 1,1 Millionen in der Durchschnittsstunde gemacht. Hat sie also alles richtig gemacht?
Aus ihrer Sicht sicher, na klar.

Und aus Ihrer?
Das möchte ich jetzt nicht bewerten. No Comment.

In jedem Fall hat sie Gewinnspiele eingeführt, über die in Bayern durchaus gesprochen wurde. Aber ich könnte mir vorstellen, dass es Ihnen als Journalistin nicht ganz so gut gefällt, wenn Aktionen einen großen Platz in Ihrer Sendung einnehmen.
Naja, ich gehe jetzt zu Bayern 1.

Haben Sie eigentlich selbst 10 Euro Scheine gesammelt? Sie hätten zwar ohnehin nichts gewinnen können, aber aus Spaß an der Freude?
(lacht) Um Gottes Willen, nein. Das liegt auch nicht in meiner Natur. Aber ich muss hier schon sagen: Antenne Bayern ist ein Unterhaltungsprodukt, ein privatwirtschaftliches Unternehmen. Der Sender muss Geld verdienen, das ist klar. Das sind schwerwiegende Argumente, die eben für solche Maßnahmen sprechen. Ich kann immer nur für mich sprechen: Und da muss ich sagen, dass ich eher die journalistische Herausforderung suche.

2006 war dann ein sehr erfolgreiches Jahr für Sie. Sie gingen zum ZDF…
… es war ja schon 2005, als dieser Super-Gau begann.

Super-Gau?
Ich war ehrlich überrascht, welche Wellen diese Meldung schlug. Damit hatte ich nicht gerechnet. 2006 war der Horror schon vorbei.

Horror klingt so negativ.
So ist das nicht gemeint. Die «Sportstudio»-Personalie wurde zeitgleich mit der Wahl Angela Merkels zur Kanzlerin bekannt. Und ich dachte mir: wunderbar, die erste Kanzlerin, Frau Merkel wird alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Von wegen. Es war wirklich erstaunlich, was daraufhin passiert ist. Ich habe das alles extrem unterschätzt.

Waren Sie erleichtert, als es dann hauptsächliche positive Kritiken in Bezug auf Ihre Moderation gab?
Gab es denn keine negativen?

Mir sind keine zu Ohren gekommen.
Mich freut das natürlich, aber es hat mich auch gewundert. Sagen wir es so: Nicht nur, dass ich nicht ehrgeizig bin, ich zweifele auch oft an mir. Ich finde nie etwas so richtig gut, was ich mache. Deswegen war ich dann so überrascht. Ähnlich ist es beim Radio: Ich sende da lustig vor mich hin und es ist mir eigentlich egal, wie viele Menschen mir zuhören. Das darf ich jetzt eigentlich gar nicht so laut sagen, mir macht das Moderieren einfach so viel Spaß. Ich stehe dann in diesem Studio und denke mir, „Mei, ist das Leben schön.“ Und wenn meine Arbeit dann noch anderen gefällt, dann ist es gleich noch besser.

Sie haben gesagt: Im Radio, da kann passieren was will, da kann’s auch mal wieder einen Wassereinbruch ins Studio geben…
(lacht) Je mehr Wassereinbrüche, desto besser. Nein, mal im Ernst. Das ist wirklich ein Problem. Wir können teilweise aus unserem Hauptstudio nicht mehr senden, weil es von der Decke tropft. In der Redaktion stehen an manchen Stellen auch Eimer…

Also Sie kann da nichts erschrecken, wie sieht es im Fernsehen aus? Sind Sie da noch nervös?
Oh doch. Aber sehen Sie mal: Ich bin ja letztlich schon eine alte Schachtel. Seit 20 Jahren mache ich jetzt Radio, die ersten Sendungen bei Antenne Bayern bin ich auch entlang geeiert. Jetzt ist das alles Routine. Aber ich habe mich neulich beim Grübeln erwischt, wie oft ich bereits das «Sportstudio» gemacht habe. Es waren also schon ein paar Mal. Bis 20 habe ich mitgezählt, dann war Schluss.

Und was macht mehr Spaß? Radio oder TV?
Das kann ich ehrlich nicht sagen.

Jetzt muss eine Frage aber schon gestattet sein: Wieso verlassen Sie Deutschlands meistgehörten Radiosender?
Ja, gute Frage. Ich bin irgendwie schon auch traurig, wenn ich daran denke, dass diese Zeit nun vorbei ist.

Warum gehen Sie dann?
(überlegt) Weil ich nach 15 Jahren der Meinung bin, es kann mal etwas Neues kommen. Es ist doch etwas völlig normales, dass jemand mal seine Arbeitsstelle wechselt. Das passiert in Deutschland jeden Tag mehrfach.

Was sagen Sie heute allgemein zum Thema Mainstream-Radio?
Das geht immer auf Kosten der Qualität. Das ist jetzt schwer, das richtig zu formulieren. (überlegt) Ich finde, dass wir nicht immer blöder werden müssen. Natürlich fällt es einem leichter, einem einfachen System zu folgen, als einem System, bei dem ich meine Birne einschalten muss. Aber deswegen schicke ich mein Kind doch auch in die Schule! Das soll doch etwas lernen. Ich finde, auch wir Erwachsenen sollten in der Lage sein bei Themen wie Globalisierung und anderem intellektuell mitzuhalten. Und ich stelle zudem fest, dass es überall so eine Entstehung von Scheinwelten gibt. So nenne ich die: Scheinwelten. Da werden Leuten Dinge vorgegaukelt, das ist der Wahnsinn. Und es bringt nichts so zu tun, als ob die Sonne scheint, wenn es regnet. Das ist jetzt nicht nur auf das Radio bezogen, sondern auf das allgemeine Leben.

Ab September 2007 moderieren Sie den Vormittag bei Bayern 1. Warum Bayern 1? SWR 3 würde doch vielleicht noch besser zu Ihnen passen?
Da müsste ich ja nach Baden-Baden ziehen.

Und warum nicht Bayern 3?
Das geht nicht. Das könnte ich mit mir selbst nicht vereinbaren. Das ist ein guter Sender, aber ich habe Bayern 3 fünfzehn Jahre lang als den Mitbewerber schlechthin angesehen. Würde ich jetzt dorthin wechseln, würde das heißen, dass ich auch viele meiner Überzeugungen über Bord werfe. Ich käme mir irgendwie vor wie ein Verräter. Nein - das könnte ich einfach nicht.

Wie kommen Sie mit der Musik zu Recht bei Bayern 1? Schlager – und das Stunden lang. Das ist ja nicht jedermanns Sache.
Das ist schon in Ordnung und es ist ja auch nicht so, dass ich bisher die Musik ausgesucht hätte, die ich spiele. Aber schalten Sie doch einmal Bayern 1 ein, Herr Weis. Die haben seit Montag musikalisch etwas gedreht und spielen jetzt auch viele Oldies, die ich noch aus meiner Kindheit kenne. Und damit komme ich prima zu Recht.

Frau Müller-Hohenstein, auch an Sie zum Abschluss kurze und knappe Sonntagsfragen. Haben Sie derzeit ein Lieblingslied?
„Shine“ von Take That.

Wen würden Sie gerne einmal treffen, konnten es bislang aber nicht?
Roger Federer.

Welche TV-Sendung verpassen Sie nach Möglichkeit nie?
Die «Lindenstraße». (lacht) Gott, ist das peinlich. Das muss ich erklären. Ich finde, wenn man das nicht zu ernst nimmt, kann die Serie unheimlich witzig sein.

Wir bedanken uns sehr herzlich für das Gespräch und wünschen zunächst einen schönen und geruhsamen Sommer und dann alles Gute beim Start in Bayern 1 im September 2007.

Kurz-URL: qmde.de/20625
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