InterviewKatia Fellin über «Weiss & Morales»: ‚Eine Ermittlerin zwischen zwei Welten‘
von Fabian Riedner17. Oktober 2025
Mit der ZDF-Koproduktion betritt Fellin neues Terrain – als BKA-Beamtin Nina Weiss ermittelt sie auf den Kanarischen Inseln zwischen deutschen Wurzeln, spanischer Lebensart und einem dunklen Familiengeheimnis.
«Weiss & Morales» verbindet deutsche und spanische Erzähltraditionen. Was hat Sie an diesem Projekt und an der Figur der Nina Weiss sofort gereizt?
«Weiss & Morales» ist eine Krimiserie, die ohne viel Thriller und Action erzählt wird. Die Geschichten entfalten sich vielmehr im Zusammenspiel mit den Inseln und ihren Charakteren - ähnlich wie in der von derselben Produktionsfirma Portocabo produzierten Serie «El Hierro», die ich kurz zuvor gesehen hatte und mich fasziniert hatte. An Nina hat mich gereizt, dass sie eine Frau ist, die in einer Krimiserie nicht nur über ihren Beruf erzählt wird, sondern auch über ihre Herkunft, ihren Humor und - vor allem - über ihr Geheimnis.
Ihre Figur Nina Weiss kommt als BKA-Beamtin auf die Kanaren – eigentlich nur, um ihre Mutter zu besuchen – und gerät in einen Mordfall. Wie würden Sie Nina charakterisieren, und was macht sie zu einer besonderen Ermittlerin?
Nina ist unglaublich ehrgeizig und hat gelernt, sich in einem männerdominierten Beruf zu behaupten. Sie weiß genau, wonach sie sucht, arbeitet detailgenau, ist stur, wenn es sein muss und nimmt kein Blatt vor den Mund. Sie arbeitet sowohl intuitiv als auch beweisorientiert. Sie weiß, wann es nach Ungerechtigkeit riecht, und Logik ist ihre stärkste Waffe.
Das Zusammenspiel mit Miguel Ángel Silvestre als Raúl Morales ist zentral für die Serie. Wie haben Sie die Chemie zwischen diesen beiden sehr unterschiedlichen Figuren entwickelt?
Miguel und ich haben uns beim Konstellationscasting kennengelernt – und die Chemie war eigentlich sofort da. Danach sind wir alle gemeinsam in Madrid noch Mittagessen gegangen. Da war, glaube ich, schon alles besiegelt. 😀
Außerdem hat der Dreh mit der ersten Folge begonnen, was uns in der Entwicklung unserer Beziehung sehr geholfen hat. Denn Nina und Raul begegnen sich in der Serie zunächst als Fremde und lernen sich erst nach und nach kennen. Somit ist das auf eine sehr natürliche Weise passiert, was bei einem Dreh nicht immer selbstverständlich ist.
«Weiss & Morales» ist eine deutsch-spanische Koproduktion, die auch sprachlich anspruchsvoll war. Wie haben Sie den Dreh auf Spanisch erlebt – und wie leicht fiel Ihnen der Wechsel zwischen den Sprachen?
Zum ersten Mal auf Spanisch zu spielen und drehen war sehr aufregend für mich - einerseits wegen der neuen Spielsprache, andererseits, weil in Spanien ein Set etwas anders organisiert ist als in Deutschland.
Ich hatte großartige Menschen um mich herum, die mir besonders am Anfang geholfen haben ‚anzukommen‘ und mich zurechtzufinden. Da aber auch Nina, wie ich, zwei Muttersprachen hat, hatte ich nicht den Druck alles richtig machen zu müssen. Wenn sich auf natürliche Weise kleine sprachliche Fehler eingeschlichen haben, haben wir sie oft behalten. Da wir 95 Prozent der Szenen auf Spanisch gedreht haben, war es nach einer Weile manchmal sogar fast ungewohnt, Deutsch zu sprechen. 😀
Gedreht wurde auf Gran Canaria und La Gomera – zwei sehr unterschiedliche, aber visuell beeindruckende Orte. Welche Atmosphäre haben die Drehorte für Sie als Schauspielerin geschaffen?
Diese Inseln sind Ninas Heimatinseln- sie erzählen ihre Geschichte regelrecht mit. Wir haben drei Monate auf Gran Canaria und einen Monat auf La Gomera gedreht. Während der Zeit auf Gran Canaria habe ich in Las Palmas in einem alten Arbeiterviertel fernab des Tourismus gelebt. Dort habe ich mich sofort zuhause und als Teil der Gemeinschaft gefühlt. Ich hatte mein Stammkaffee, meine Nachbarn grüßten mich und im Fitnessstudio, wohin ich regelmäßig ging, wurde ich schnell wie eine Einheimische behandelt.
Das hat mir geholfen, mit den Menschen in Kontakt zu kommen und das kanarische Leben zu verstehen – etwas, das für meine Rolle als Nina sehr wichtig war. La Gomera hingegen ist eine mystische Insel. Die Uhren ticken dort anders, und die Natur ist überwältigend. Als Nina in der dritten Folge nach La Gomera fährt, ihrer Geburtsinsel, wird sie dort vor allem auf eine sehr sinnliche Weise von ihrer Geschichte eingeholt. Ich würde sagen: La Gomera war eine Umarmung.
Ihre Figur hat nicht nur beruflich, sondern auch privat einiges zu verarbeiten: Sie sucht auf der Insel nach ihrem Vater. Wie haben Sie diese persönliche Ebene in Ninas Ermittlungsarbeit einfließen lassen?
Ich glaube, Nina trennt Berufliches und Privates kaum voneinander. Ihr Leben ist darauf ausgerichtet, Dinge zu suchen und zu finden. Deshalb ist es für sie ganz natürlich, Kriminalfälle zu lösen, und nebenher auch ihre Mutter zu befragen oder ‚privat‘ DNA- Proben zu sammeln.
Neben der Krimihandlung greift die Serie gesellschaftliche Themen auf – von Auswanderung bis Umweltfragen. Was hat Sie an dieser inhaltlichen Tiefe besonders fasziniert?
Die Serie setzt sich mit gesellschaftlich-politischen Themen auseinander, nutzt sie aber nicht als theoretische Fallstudien, sondern integriert sie als Teil des Alltags. Dadurch sind sie nahbar und nicht distanziert und belehrend. Das finde ich sehr klug und besonders. Es sind Themen, die uns alle betreffen: Was macht einen Ort lebenswert? Warum wollen wir da leben – und wie können wir ihn lebenswert erhalten?
Die kanarischen Inseln gehören zwar zu Spanien, liegen aber geografisch in Afrika. Sie werden von Touristen überflutet, digitale Nomaden lassen sich nieder und große Unternehmen haben schon vor Langem angefangen dorthin zu investieren. Die Natur ist wunderschön, aber umso schwieriger wird es, sie zu schützen. Dies sind alles Fragen, die wir uns auch in Deutschland stellen müssen, wenn wir über Lebensräume und Nachhaltigkeit sprechen.
Die Serie lebt von Gegensätzen – zwischen den Kulturen, zwischen Intuition und Rationalität. Wie haben Sie selbst gelernt, sich in dieser Balance zwischen Disziplin und Leichtigkeit zu bewegen?
Hab ich nicht 😉 Ich habe mich höchstens an bestimmte Dinge gewöhnt. Manchmal bin ich höchst diszipliniert, manchmal extrem faul. Es gibt Phasen, in denen mir alles mit Leichtigkeit gelingt, und andere, in denen sich vieles schwer und kompliziert anfühlt.
Vielleicht hat das mit der Unbeständigkeit meiner Arbeit und der Welt zu tun. Balance finde ich gut- aber ich habe sie, ehrlich gesagt, selten, auch wenn ich langsam besser darin werde. Manchmal bezweifle ich allerdings, dass Balance überhaupt das Ziel sein sollte. Vielleicht ist es gar nicht schlecht, Gegensätze manchmal extremer zu spüren - um Bequemlichkeit zu vermeiden.
Sie haben mehrere Wochen auf den Kanaren verbracht. Welche Begegnung oder Erfahrung abseits des Drehs ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Während der vier Monate auf den Inseln hatte ich eine Trainerin, die mich körperlich auf den Dreh vorbereitet hat und währenddessen betreut hat. Die Regisseure und ich wollten, dass Nina top trainiert sei. Wir haben etwa drei bis viermal pro Woche in einem kleinen, alten Fitnessstudio trainiert - und in dieser Zeit ist eine tiefe Freundschaft entstanden, die ich nicht missen möchte.
«Weiss & Morales» ist als vierteilige Reihe angelegt – aber das Ende lässt Raum für mehr. Könnten Sie sich vorstellen, noch einmal in die Rolle der Nina Weiss zurückzukehren?
Ja, definitiv. Ich habe ja schließlich immer noch nicht mein Geheimnis gelüftet 😀
Danke für Ihre Zeit!
«Weiss & Morales» ist ab Sonntag, den 19. Oktober, um 22.15 Uhr im ZDF zu sehen. Die Episoden sind seit 16. Oktober in der ZDFmediathek.