InterviewKatja Streso: ‚Ich hoffe auch dieses Jahr wieder auf ein kleines Sommermärchen‘

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Bei der Frauen-Europameisterschaft berichtet Streso aus dem Quartier der Damen. Im Quotenmeter-Gespräch erläutert die Sportexpertin, wie sich die Arbeit von den klassischen Studio-Moderatoren unterscheidet.

Frau Streso, Sie sind seit vielen Jahren eine feste Größe im ZDF-Sport. Was hat Sie ursprünglich zum Sportjournalismus gebracht und was fasziniert Sie bis heute an diesem Beruf?
Ich habe mich schon als kleines Kind sehr für Sport interessiert. Wenn ich nicht gerade selbst in der Judohalle war, saß ich zuhause und habe stundenlang Tennismatches im Fernsehen angeschaut. Mit 16 bin ich zu einem regionalen Sender in Magdeburg gegangen, wollte dort neben der Schule in den Beruf reinschnuppern. Als ich beim ersten Gespräch in der Sportredaktion saß, hieß es plötzlich, dass die Moderatorin kurzfristig ausgefallen sei. Ich dachte, das muss ein schlechter Scherz sein! Aber ich bekam ein paar Klamotten, etwas Schminke und plötzlich moderierte ich an dem Abend die Sportnachrichten für den Sender. Es war ziemlich holprig, aber spätestens da wusste ich, dass das mein Beruf werden soll. Es geht einfach nicht besser. Ich darf über das berichten, was mich selbst privat unglaublich fasziniert und interessiert.

Sie begleiten die kommende Frauen-EM als Moderatorin direkt im DFB-Quartier. Wie sieht Ihre tägliche Arbeit dort aus und wie bereiten Sie sich auf diese besondere Aufgabe vor?
Wir sind so nah es geht an der deutschen Mannschaft dran. Wir beobachten die Trainings, versuchen Stimmungen zu erfassen und die fußballerischen Geschichten des Tages abzubilden. Zudem sind wir bei allen DFB-Pressekonferenzen dabei, führen Interviews. Einen Tag vor den Spielen fahren wir zu den Spielorten, sind in den Stadien, begleiten das Abschlusstraining der deutschen Frauen und bündeln all die gesammelten Eindrücke und Informationen für die täglichen Schalten in die diversen ZDF-Sendungen.

Was unterscheidet die Arbeit im DFB-Quartier von klassischen Studio-Moderationen oder Live-Schalten aus dem Stadion?
Zu meiner Arbeit im DFB-Quartier gehören ja die täglichen Live-Schalten. Mal aus dem Team-Hotel, mal aus dem Pressezentrum oder eben an Spieltagen aus dem Stadion. Der Unterschied zu den Studiomoderationen ist, dass man auf viele Dinge gefasst sein muss. Wie läuft es beim deutschen Team? Welche mitunter kritische Fragen ergeben sich? Wie ist die Stimmung im Team oder im Stadion? Das bekommt man nur mit, wenn man wirklich vor Ort ist. Das Kribbeln ist da schon ein anderes als im Studio.

Sie sind ganz nah an der deutschen Nationalmannschaft dran. Wie gelingt Ihnen der Spagat zwischen journalistischer Distanz und der besonderen Atmosphäre im Teamquartier?
Die beiden Dinge, also journalistische Distanz und Atmosphäre, stellen für mich keinen Widerspruch da. Ich versuche diese besondere Atmosphäre, sei sie negativ oder im besten Fall positiv, aufzusaugen, zu verstehen und an die Zuschauerinnen und Zuschauer weiterzugeben. Ich habe das Privileg, vor Ort sein zu dürfen, und möchte all denen, die zuhause an den Fernsehern sitzen, möglichst viel von dem vermitteln, was gerade bei der EM passiert, und will die Geschichten des Tages erzählen.

Die Aufmerksamkeit für den Frauenfußball wächst stetig. Wie erleben Sie die Entwicklung aus Ihrer Perspektive und was bedeutet es Ihnen, diese EM in einer so zentralen Rolle zu begleiten?
Ich finde es toll, dass die Aufmerksamkeit für den Frauenfußball steigt – im TV, aber auch in den Stadien. Das Pokalfinale zuletzt in Köln: ausverkauft, Rekordkulisse! Die Länderspiele dauerhaft vor Zehntausenden Zuschauern.

Wir haben es bei der EM in England gesehen, was die Mannschaft leisten kann und was das auch hervorbringt. Die Stimmung in Deutschland während der EM vor drei Jahren war phänomenal. Das haben auch die Fußballerinnen im Quartier in London trotz der Entfernung gespürt. Ich hoffe auch dieses Jahr wieder auf ein kleines Sommermärchen. Ich freue mich jedenfalls sehr auf die Zeit in der Schweiz, auch wenn ich meinen Cappuccino-Konsum etwas reduzieren muss, bei durchschnittlich 8 Euro pro Cappuccino.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen und Chancen für den Frauenfußball – auch im Hinblick auf die mediale Berichterstattung?
Der Frauenfußball in Deutschland darf den Anschluss an die europäischen Spitze nicht verlieren. Spanien, Frankreich oder auch England sind in Sachen Professionalisierung deutlich voraus, was man auch an den Erfolgen im Vereinsfußball sieht. Da müssen der DFB und die deutschen Vereine ordentlich Gas geben, um nicht weiter abgehängt zu werden. Das Schöne am Frauenfußball ist, dass er sehr offen und zugänglich daherkommt. In den Stadien sehe ich sehr viele Familien, die das Spiel und das gemeinsame Erlebnis genießen. Das ist eine sehr besondere Atmosphäre.

Wie nehmen Sie die Entwicklung von Frauen im Sportjournalismus wahr und was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Gott sei Dank gibt es inzwischen viel mehr Frauen im Sportjournalismus als noch vor einigen Jahren. Warum auch nicht? Da ist in den vergangenen Jahren viel passiert und das ist auch gut so.

Wie bewerten Sie die aktuelle Phase des Umbruchs im deutschen Frauenfußball, insbesondere vor dem Hintergrund, dass sowohl der VfL Wolfsburg mit Rückkehrer Stephan Lerch als auch der FC Bayern München mit einem neuen Trainer in die Saison starten und Sebastian Wück sein erstes großes Turnier als Bundestrainer erlebt? Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie in dieser Konstellation für die Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland?
Ich bin mir nicht sicher, ob man von einem Umbruch sprechen kann. Wolfsburg und die Bayern bekommen neue Trainer, ja das stimmt. Ob sie riesige Veränderungen hervorbringen, werden wir sehen. Ein Umbruch wäre ein Schwung neuer Trainerinnen im deutschen Fußball, sei es bei den Frauen oder sogar auch bei den Männern. Und Christian Wück hat als Trainer schon großartige Erfolge gefeiert, wurde mit den U17-Spielern Welt- und Europameister. Er weiß also, wie es gehen kann.

Welche Sportart oder welches Event würden Sie gerne einmal noch ausführlich begleiten, wenn Sie frei wählen könnten?
Als Kind habe ich immer davon geträumt, einmal Ballmädchen in Wimbledon zu sein. Davon bin ich inzwischen ab. Aber einmal vor Ort vom Wimbledon-Finale zu berichten, am liebsten mit deutscher Beteiligung, das wäre noch ein Traum.

Zum Abschluss Ihr persönlicher Tipp: Wie weit kommt das deutsche Team?
Die Vorrunde ist nicht ohne. Da müssen die deutschen Frauen gut ins Turnier kommen und es muss sich wieder eine Stimmung und ein Teamgeist entwickeln, der die Mannschaft beflügelt. Ich teile die Meinung vom Bundestrainer Christian Wück und sage: Finale und dann einmal besser als in England.

Besten Dank für Ihre Zeit!