In der neuen arte-Dokumentation «Klima Krise Kunst» beleuchtet Regisseur Mathias Frick die Rolle der aktuellen Kunst zu den Herausforderungen unserer Zeit.
Was war für Sie der Ausgangspunkt für diese Dokumentation «Klima Krise Kunst» – eher die Faszination für die Kunst oder die Dringlichkeit des Themas Klimakrise?
Ausgangspunkt waren die Aktionen der Letzten Generation, die irgendwann Kunstwerke in Museen angegriffen haben. Wir haben uns damals die Frage gestellt, was ein Monet- oder ein Klimt-Gemälde nun mit der Klimakrise zu tun haben soll? Selbstverständlich ging es den Aktivisten ja nur um Aufmerksamkeit und den Angriff auf das Establishment, doch interessanterweise haben aber genau diese Aktionen die Kunst mit in die Klimadebatte eingebunden.
Ich bin der Meinung, dass Kunst als Teil der Debatte von großer Bedeutung ist, denn in der gesamten Menschheitsgeschichte hatte eine künstlerische Avantgarde schon immer die besseren Antennen für solche wichtigen sozialen und umwälzenden Themen und beschäftigt sich damit, lange bevor es eine breite Öffentlichkeit tut. Dieser Avantgarde wollten wir angesichts der dringenden Bedrohungslage ein Sprachrohr geben.
Doch zurzeit ist das wohl dringendste Thema in dieser Debatte, dass es der Letzten Generation zwar sehr wohl gelungen war, die Klimakrise in das Zentrum der öffentlichen Diskussion zu rücken. Umso tragischer ist es aber, mit welcher Leichtigkeit es Rechtspopulisten auf der ganzen Welt – angefangen von Donald Trump und Wladimir Putin bis zur AFD - gerade in den letzten Monaten gelungen ist, die Klimakrise als das wohl dringendste Thema der Menschheit aus dem öffentlichen Fokus zu nehmen und uns wieder mit Debatten zu konfrontieren, die wir schon lange als beendet angesehen hatten.
Wie haben Sie die Künstlerinnen und Künstler ausgewählt, die in der Dokumentation zu Wort kommen? Gab es Werke oder Persönlichkeiten, die Sie unbedingt dabei haben wollten?
Ja, wir wollten vor allem zwei Künstler mit an Bord haben und sind sehr glücklich, dass sie beide sich bereit erklärt haben teilzunehmen. Ich finde die Werke von Olafur Eliasson (seine Ice Watch Serie) und Sebastião Salgado (seine Genesis Fotoserie) sind Meilensteine der Klimakunst.
Doch auch ein Künstler wie Tomás Saraceno war enorm wichtig für die Doku. Er ist für mich ein bedeutender Akteur der Klimakunst und eine Stimme des Globalen Südens, der nicht nur immer wieder wichtige Themen aufgreift, sondern gleichzeitig Aktivisten in seinem Heimatland Argentinien unterstützt.
Mir ging es in dem Film vor allem darum, ein breites Spektrum an Klimakunst zu zeigen und zum einen deutlich zu machen, wie unterschiedlich Künstler mit dem Thema umgehen, aber auch zu zeigen, dass sich Kunst rund um den Globus damit beschäftigt.
Inwiefern unterscheidet sich der künstlerische Umgang mit der Klimakrise im globalen Süden von dem im globalen Norden – und wie haben Sie das im Film erlebbar gemacht?
Der Umgang ist völlig anders. Denn wie die südamerikanische Aktivistin Maristella Svampa, es ganz klar formuliert hat: „Der Globale Süden ist für die Klimakrise nicht verantwortlich. Es ist ausschließlich der Globale Norden! Und auch genau dieser Teil der Welt wird nun für die Schäden aufkommen müssen.“ Dies ist eine sehr wahre und selbstbewusste Message, die dringend veröffentlicht werden muss. Künstler der Südlichen Hemisphäre zeigen auf, wie die Gesellschaften dort mit den katastrophalen Auswirkungen unseres Konsums konfrontiert sind, für die einzig und allein der industrielle Norden verantwortlich ist – ein weiteres Kapitel in der langen und traurigen Geschichte der kolonialen Ausbeutung!
Die Dokumentation «Klima Krise Kunst» stellt auch kritische Fragen an den Kunstbetrieb selbst. Wie offen haben die porträtierten Akteurinnen und Akteure über ihren eigenen CO₂-Fußabdruck gesprochen?
Die Kunsthalle Mannheim war hier sehr hilfreich und die Kuratoren der 1,5 Grad Ausstellung haben offen und anschaulich über den eigenen Lernprozess gesprochen, wie in Zukunft Ausstellungen gemacht werden müssen. Wie der Museumsdirektor Johan Holten es klar im Film formuliert: „Museen werden in Zukunft nicht nur ein finanzielles, sondern auch ein CO2 Budget haben, mit dem Kunst-Ausstellungen realisiert werden.“ Auch hier fühlen sich Museen dem bereits oben genannten Avantgarde-Anspruch der Kunst verpflichtet.
Der Berliner Klimakünstler Andreas Greiner bringt seine Selbstkritik im Film auf den Punkt. Er beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit Klimakunst und KI. Dabei hat er feststellen müssen, dass er damit so derartig viel und genau den Strom verbraucht hat, gegen den er im Hambacher Forst demonstriert hat.
Wie sind Sie mit dem Spannungsverhältnis umgegangen, dass auch Ihre eigene Filmproduktion Ressourcen verbraucht, während Sie über nachhaltiges Handeln sprechen?
Wir hatten es uns zur Aufgabe gemacht, den Film so klimaneutral wie möglich zu produzieren und haben dafür auch das „Green Producing“ Lable erhalten.
Dem war eine lange Debatte in unserer deutsch-österreichischen Ko-Produktion vorausgegangen, weil wir erfahren mussten, dass im Grunde sämtliche Filmfinanzierungsmechanismen und Produktionsbedingungen gegen klimaneutrale Filmproduktion laufen. Da haben wir, ähnlich wie die Kunsthalle Mannheim mit der Klimakunst-Ausstellung, umlernen müssen und wir haben realisiert, die Filmindustrie hat noch einen langen Weg vor sich, um auf nachhaltige Weise zu arbeiten.
Was war für Sie persönlich der eindrücklichste Moment während der Dreharbeiten – sei es ein Kunstwerk, eine Begegnung oder eine Aussage?
Mich hat die Zuversicht von Sebastião Salgado zutiefst berührt. Dieser Mann hat mit seiner Frau drei Millionen Bäume in Brasilien gepflanzt und ein Wissenschaftszentrum für die Rekultivierung von tropischen Wäldern geschaffen. Das Ehepaar Salgado hat damit bewiesen, dass Veränderungen und eine nachhaltige Lebensweise möglich sind. Diese Erkenntnis hat Salgado auf atemberaubende Weise in seiner Genesis Fotoserie dann künstlerisch umgesetzt.
Ein anderes Thema war das 7000 Eichenprojekt von Joseph Beuys. Wenn man sich die Archivaufnahmen von 1982 im Film anschaut, kann man mit einigem Staunen feststellen, dass Beuys damals schon Dinge klar formuliert hat, die wir jetzt erst, also 40 Jahre später wirklich begreifen. Beeindruckend!
Wie haben Sie Sebastião Salgado erlebt?
Eine so charismatische Persönlichkeit wie Sebastião Salgado zu interviewen, ist schon etwas Besonderes und hat mich nachhaltig berührt, vor allem, wenn man das Lebenswerk dieses Fotografen und Klimaaktivisten betrachtet. Umso mehr hat es mich getroffen, zu erfahren, dass Salgado am vergangenen Freitag verstorben ist. Ich fühle mich sehr geehrt, mit ihm wohl eines seiner letzten Interviews geführt haben zu dürfen.
Der Film zeigt Kunst als Mittel des Widerstands, aber auch der Ohnmacht. Wo verorten Sie selbst die größte Kraft der Kunst im Kampf gegen die Klimakrise?
Da möchte ich Olafur Eliasson zitieren. Er sagt, „Kunst kann Dinge artikulieren, die man mit anderen Mitteln nicht ausdrücken kann“. Kunst spricht uns auf eine andere Art an und erreicht uns auf emotionale Weise. Darin liegt die Kraft der Kunst, Menschen nachhaltig zu berühren. Und wie es Johan Rockström, der Direktor des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung so richtig im Film formuliert, Klima Wissenschaftler brauchen genau dieses Potential der Kunst, um die Menschen zu erreichen, damit sich endlich etwas ändert.
Wie schätzen Sie die Rolle von Kunstmessen oder Biennalen ein – sind sie Teil des Problems oder können sie Teil der Lösung sein?
Das Künstlerduo Claire Fontaine, das wir im Film portraitieren, hat sich genau mit dieser Thematik befasst. Ihre künstlerische Arbeit widmet sich der Tatsache, die Klimakrise als Teil der Globalisierung und des ungezügelten Kapitalismus zu entlarven.
Sie sind große Kritiker von Kunstevents wie der Biennale von Venedig, die aber letztes Jahr genau den Titel des Kunstwerks von Claire Fontaine ‚Foreigners Everywhere‘ zum generalen Motto der gesamten Kunstschau gemacht hat.
Claire Fontaine berichten im Film, dass sie den Beschluss gefasst hatten, die große Öffentlichkeit der Venedig Biennale zu nutzen, um ihre Klima- und Kapitalismuskritik zu platzieren. Würden Sie zu Hause bleiben, wäre ihr CO2 Fußabdruck zwar kleiner, doch es ist wichtiger die Menschen mit dieser Thematik zu konfrontieren.
Was hat Sie an den wissenschaftlichen Einschätzungen von Johan Rockström und Eva Horn besonders überrascht oder inspiriert?
Eva Horn hat uns aufgefordert, uns wieder mit der Natur in Beziehung zu setzen, unsere Umgebung zu spüren und mitzubekommen, wie sich die Natur rasant und drastisch verändert und das nicht zum Guten. Eva Horn kritisiert, dass wir in der westlichen Welt nichts mehr spüren – wir sind abgestumpft und können so den Klimawandel noch nicht einmal bemerken, obwohl wir tagtäglich damit konfrontiert sind.
Welche Reaktionen erhoffen Sie sich vom Publikum? Soll die Doku wachrütteln, informieren – oder eher zur Selbstreflexion einladen?
Die Klimaexperten warnen uns seit Jahren, dass wir nur noch weniger als zehn Jahre haben, bevor das Weltklima irreparablen Schaden nimmt. Ich hoffe, dass mein Film einen Beitrag leistet, Menschen wachzurütteln und gleichzeitig zu bemerken, in welcher Form uns rechtspopulistische Strömungen auf der ganzen Welt momentan davon abhalten gemeinsam als Menschheit Verantwortung zu übernehmen und etwas für den Erhalt dieses Planeten zu tun. Wie Johan Rockström es im Film so schön sagt: „Wir stehen vor der Entscheidung, entweder wir tun alle gemeinsam jetzt etwas und gewinnen oder wir werden untergehen – auch gemeinsam.“
Danke für den Einblick!
«Klima Krise Kunst» ist bereits in der arte Mediathek abrufbar. Die Fernsehausstrahlung ist am Samstag, den 31. Mai, um 22.40 Uhr.