Zwischen 1992 und 1995 begeisterte «Batman: The Animated Series» das amerikanische Publikum und fand auch hierzulande eine Fanbase. Inzwischen gilt die Serie als Klassiker. Mit «Batman: Caped Crusader» versucht nun Prime, diesen Erfolg zu wiederholen. Mit Erfolg?
«Batman: Caped Crusader» macht es dem Betrachter nicht leicht, die Serie zu mögen. Gerade der Einstieg in die zehnteilige Reihe holpert überraschend zäh über eine narrative Buckelpiste. Muss sich der dunkle Rächer im ersten Fall mit einer weiblichen Version des Pinguins herumärgern, verschwindet in der zweiten Episode ein Starlet, das es zu retten gilt. Während die erste Episode brav die Stationen eines erwartbaren Batman-Abenteuers abhakt, kann sie kein wirkliches Interesse erzeugen. Die zweite Episode überzeugt in Bezug auf die Bildgestaltung durch seinen Handlungsort, ein Filmstudio samt sehr vieler Verweise auf Klassiker des Horrorfilms. Sie scheitert jedoch als Detektivgeschichte, da die Auflösung des Falles der Zuschauerschaft nach etwa der Hälfte der Spielzeit regelrecht ins Gesicht springt. Das ist schwach, denn es unterläuft den Anspruch der Serie, Batman als das zu inszenieren, was Batman zu Beginn seines Comiclebens gewesen ist: The World's Greatest Detective. Dieser frühe Batman ist noch ein Mann, der gegen Schurken kämpft – menschliche Schurken. Der Schulterschluss mit Superman, Wonder Woman oder Aquaman fand erst sehr viel später statt.
Leider gerät die Serie nach dieser grandiosen dritten Episode wieder ins Stolpern. Vermutlich liegt es daran, dass die Serie zu schnell ihre Figuren definiert, ihnen viel zu wenig Zeit lässt, sich in Ruhe entwickeln zu können. Schließlich sind da Commissioner Gordon, seine Tochter Barbara, die Polizistin Montoya, zwei korrupte Cops, der Staatsanwalt Harvey Dent, die Psychologin Harleen Quinzel … gleichzeitig gibt es den Schurken der Woche, der seine Geschichte zu erzählen hat ... Zu Zeiten der Originalserie war es noch ungewöhnlich, episodenübergreifende Handlungsstränge zu kreieren, heute ist es Standard. Die erste Animationsserie war da noch sehr vorsichtig – und hatte entsprechend Zeit, seine Hauptfiguren zu entwickeln. Diese Zeit fehlt der Neuauflage, die ganz klassisch zwar eine Geschichte pro Episode erzählt, aber, das Publikum ist darauf heute geeicht, stets über die einzelnen Episoden hinaus weiterdenken muss. Ein wirkliches Gleichgewicht zwischen vertikalem und horizontalem Erzählen findet «Batman: Caped Crusader» leider nie.
Bevor dieser Text jedoch in einem Verriss endet, sei eine der beiden Horrorepisoden, «Nocture» aufgegriffen. Es handelt sich um die achte Episode und sie läutet den Showdown der Serie ein, da Harvey Dent in dieser Episode eine wichtige Nebenrolle spielt. Dent, in der DC-Welt auch als Two Face bekannt, ist in dieser Serie keine sympathische Figur. Als Staatsanwalt ist er ein Karrierist, der vor Gericht vor allem die Fälle behandelt, die ihm Aufmerksamkeit bringen. Dent inszeniert sich als ein Mann für Recht und Ordnung, doch in einer Stadt wie Gotham, die de facto der Mafia gehört, hat auch Dent seine Leichen im Keller liegen. Seine Kontakte zur Mafia mögen eher locker gespannt sein, ganz ohne kommt aber auch er nicht aus. Zumindest nicht, wenn er Bürgermeister werden will – und das ist sein Ziel. Obschon in der Stadt jeder weiß, dass der amtierende Bürgermeister korrupt bis in die letzte Haarspitze ist, gilt er für die kommenden Wahlen erneut als Favorit – denn er kann die Gewerkschaften hinter sich versammeln. Zu Dents Überraschung ist Thorne, der Boss der Bosse Gothams, jedoch bereit, dies für Dent zu ändern. Der amtierende Bürgermeister ist, wie soll man sagen, nicht der klügste Politiker im Land. Selbst das organisierte Verbrechen sähe es lieber, wenn ein Mann mit Grips im Bürgermeisterbüro säße. Thorne kann die Gewerkschaften auf Dents Seite ziehen. Alles, was Dent dafür tun muss, ist ein kleiner Gefallen.
Mit den letzten beiden Episoden findet die Serie zu sich. Als grimmige Rachemär erschafft sie endlich jene Mischung aus Spannung und Drama, die «Batman: The Animated Series» einst zum Kult werden ließ. Die Welt schließt sich zu einem Kreis, in dem Schwarz und Weiß als eine Mischung unendlich variierbarer Grautöne verschmelzen und in dem Erlösung im besten Fall einen kurzen Augenblick anhält. «Batman: Caped Crusader» endet als großes Drama, das in einer Epilog-Sequenz direkt eine Fortsetzung einläutet. Doch ob es die wirklich braucht? Trotz des großartigen Abschlusses ist «Batman: Caped Crusader» nur bedingt gelungen. Es fehlt den Charakteren an Tiefe, die Genrewechsel lassen die Inszenierung inkohärent wirken, selbst die Animation der Ur-Serie weiß weitaus mehr zu fesseln. Einen Teil dieser Negativa lässt sich mit Sicherheit auf die Produktionsgeschichte der Serie zurückführen. Als HBO-Serie gestartet, landete sie in einem großen Topf mit ungeliebten Eigenproduktionen, von denen sich HBO Mitte 2022 getrennt hat. Um es überspitzt zu sagen: Da man bei HBO zur Kenntnis nehmen musste, dass Netflix und auch Prime mit ihren Produktionen den eigenen Streamingdienst Max weit überholt haben, hat man sich entschlossen, mit Steuersparmodellen dagegenzuhalten und einfach eigene, teure Produktionen abzuschreiben oder an Konkurrenten zu lizenzieren. Was mit Sicherheit eine ganz tolle Idee ist, wenn man sich gegen die mit dicken Brieftaschen ausgestatteten Platzhirsche durchsetzen will (Ironiemodus: aus).