Die Kritiker«Rosamunde Pilcher – Schlagzeile Liebe»: Rose Weasley aus «Harry Potter» ist auch dabei

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Eine Gärtnerin aus Cornwall und ein Großstadtjournalist aus London: Unter normalen Umständen wären sie sich wohl nie begegnet. Aber wenn die Liebe zwei Menschen zusammenführen will, findet sie einen Weg. So steinig dieser auch sein mag!

Rosamunde Pilcher – Schlagzeile Liebe

BESETZUNG: Nicola-Rabea Langrzik, Garry Fischmann, Eckhard Preuß, Maria Bachmann, Arndt Schwering-Sohnrey, Bianca Nawrath, Helena Barlow, Al Barclay, Kerry Norton, Richard Hainsworth, Janina Painter, Horst Lichter
REGIE: Karola Meeder
BUCH: Andreas Bradler, Karsten Rüter
KAMERA: Stefan Ditner, Thomas Schinz
SCHNITT: Günter Heinzel
MUSIK: Andreas Weidinger
Ach, Rosamunde, du wärst zufrieden mit diesem 170sten Film, der deinen Namen trägt. Am 30. Oktober 1993 ging der erste Spielfilm über den Sender, und 30 Jahre später finden noch immer die Menschen in Liebe und Zuneigung in deinem Namen zusammen. Was ist es, das Cornwall mit den Menschen macht, dass sie alle Hürden und Unwägbarkeiten überwinden und am Ende einander in den Armen liegen? Liebend? Von Hingabe durchflutet? Glücklich?

Sind es die kargen, aber so anheimelnden Küsten, wo der Mensch, allein dem Wind und den Wellen ausgesetzt, den salzigen Geschmack der Meeresluft auf den Lippen spürend, einfach einmal er selbst sein darf? Befreit von den Zwängen des Alltags - in einer ungestörten Symbiose mit der Natur, in einem Zustand, der den Sinn des Lebens offenbart, der da heißt: Seid einfach mal nett zueinander! Rosamunde Pilcher gab uns das Rezept der Liebe: Ein kostbares Geschenk, das uns auf all unseren Lebensreisen begleiten mag. Nehmen wir im Gegenzug die Filme an, die in ihrem Namen entstehen und lassen uns entzücken von der Geschichte von Laura Seal, der selbstständigen Gärtnerin, und Robert „Bob“ Spencer, dem Großstadtjournalisten, der nicht ganz freiwillig in die Provinz zieht, um hier eine Zeitung wieder auf Vordermann zu bringen.

Laura Seal engagiert sich seit ihrer Jugend für ihren kleinen Heimatort, in dem sie fest verwurzelt ist. Als jüngstes Mitglied des Gemeinderats hat die junge Frau gerade erst einen Community Garden auf die Beine gestellt, in dem von den Bürgern gemeinschaftlich Obst und Gemüse angebaut wird. Just in diesem Garten lernt sie Robert „Bob“ Spencer kennen, einen gepflegten und ja, auch verdammt gutaussehenden Journalisten, der die Chefredaktion ihres Stadtblättchens übernehmen soll. Laura sieht Robert, Robert erblickt Laura und wir, die Zuschauerinnen und Zuschauer dieses Festes der Liebe, wir wissen auf Anhieb: Hier haben sich zwei schöne, sympathische Menschen gefunden, um die sich ein Band der Liebe knüpfen wird. Allein wissen diese beiden noch nicht, dass sie für ewig aneinander gebunden sein werden – ebenso, wie wir erahnen, dass ein Konflikt aufziehen wird, der das zarte Band, welches sich doch gerade erst knüpft, zu durchschneiden droht. Soweit aber ist es erst einmal nicht. Laura erblickt Bob, Bob erblickt Laura, man ist sich sympathisch, die Geschichte kann beginnen.

Lauras Vater Francis ist der Bürgermeister des kleinen Städtchens - und, wir glauben es kaum, er scheint ein Sozialdemokrat oder Liberaler zu sein, neckt er ein Mitglied des Gemeinderates doch ob dessen Zugehörigkeit zu den Konservativen. Wird die Serie plötzlich politisch? Nach all den Jahren? Ja, Politik spielt tatsächlich eine Rolle in diesem Film, auch wenn die handelnden Personen, zumindest aus Lauras Heimatstädtchen, allesamt recht vernunft- und lösungsorientiert agieren. Stadt first, Parteipolitik second! Lauras Vater ist beliebt und er arbeitet gerade an einem Projekt, das den kleinen Wohlstand der Gemeinde auf lange Sicht sichern soll. Das Projekt ist fordernd – und dann gibt es auch noch Ärger mit Betty, seiner Frau, die glaubt, er hätte, man mag es kaum aussprechen, etwas mit einer anderen Frau gehabt. Der Stress in der Politik und der Stress daheim: Irgendwann wird das zu viel für Francis' Herz und er erleidet einen Schwächeanfall.

War es nur ein Schwächeanfall – oder nicht eher ein Herzinfarkt? Nein, ein Mann, der 24/7 für das Wohl seiner Gemeinde agiert, hat keine Zeit für Kinkerlitzchen wie einen Herzinfarkt, also macht er weiter: Bis der Gemeinderat – auch seiner Gesundheit wegen – einen Strich zieht und ihn zwangsweise beurlaubt. Zu seiner Nachfolgerin wird Laura gewählt, zum Verdruss ihres Herrn Papa. Dass Laura nur seinetwegen den Posten kommissarisch übernimmt, besänftigt ihn nicht.

Währenddessen übernimmt Bob die kleine Gazette vor Ort samt einer Volontärin und eines Fotografen. Wie er die Zeitung auf Vordermann bringen soll, weiß er nicht. Das Blatt wirkt, als habe es nie den Sprung aus dem Jahr 1964 in die Gegenwart geschafft. Hier ist schon lange in nichts mehr investiert worden. Aber welche Wahl hat Bob? Bob hat für internationale Agenturen gearbeitet, in London hatte er einen tollen Job. Und dann? Hat er richtig Mist gebaut. Was, das spielt zunächst keine Rolle. Seine Verlegerin Lady Hennessy hat sich auf jeden Fall entschlossen, den auf jeden Fall höchst talentierten Journalisten aus der Schussbahn zu nehmen und bei der kleinen, längst in roten Zahlen versunkenen Gazette zu parken. Soll er sein Talent hier einbringen, bis sich die Wogen in London geglättet haben?

Zu Bobs eigener Überraschung kommt er mit dem Job klar, den er zunächst als maximale Bestrafung betrachtet hat. Natürlich ist sein Zusammentreffen mit Laura dafür essenziell. Zwei junge Menschen, die ihre Köpfe nicht in der Hose tragen müssen? Das Leben kann schön sein. Aber auch die Zeitung ist gar nicht so schlecht. In dem eher konservativ geprägten kleinstädtischen Umfeld (schon wieder Politik?) gibt es Interesse an einem gut gepflegten, journalistischen Angebot. Was fehlt, das ist ein Knaller, um mal wieder in den Fokus der Öffentlichkeit zu gelangen: Etwas, über das man spricht. Da werden Bob Unterlagen zugespielt, die Francis in gar keinem guten Licht stehen lassen. Schlimmer aber noch: Auch Laura gerät in Verdacht, daran beteiligt gewesen zu sein.

Kann die Liebe da noch siegen, wenn Bob als Journalist Fragen nachgeht, die Laura betreffen und in ein dunkles Licht stellen? Gibt es für die jungen Menschen noch eine Hoffnung? Für die jungen Menschen gibt es immer Hoffnung, sagt ChatGPT auf Nachfrage und wer sind wir, dass wir einer künstlichen, gar nicht zum Emotionalen fähigen Intelligenz widersprechen täten? Junge Menschen tragen die Flamme der Liebe in sich, eine Flamme, die mit jedem Akt der Güte, mit jedem Moment des Verständnisses und mit jedem Ausdruck von Mitgefühl weiter brennt.

Hört auf ChatGPT!


So wissen wir, Bobs Recherchen sind nicht das Ende. Sie sind nur ein Moment, der ein Drama heraufbeschwört, ohne dessen Auflösung ein Happy End irgendwie unvollständig wirken würde. Und niemand käme je auf die Idee, uns, die wir das Drama der Liebe in uns auf aufnehmen, in Rosamundes Namen ohne ein Happy End in die Nacht zu entsenden.

Postskriptum: Aus Kostengründen werden in Pilcher-Verfilmungen (oder Filmen, die Rosamundes Namen im Titel tragen) Rollen immer wieder mit britischen Schauspielerinnen und Schauspielern besetzt. Man kann nicht für jede Kellnerrolle einen Schauspieler aus Deutschland einfliegen. In diesem Film werden jedoch gleich mehrerer größere Rollen von britischen Darstellerinnen und Darstellern verkörpert. So zum Beispiel hat Laura eine Freundin und gleichzeitig Assistentin im Bürgermeistermeisteramt namens Keira, die von Helena Barlow dargestellt wird, die im letzten «Harry Potter» im zarten Alter von 11 Jahren Rose Weasley verkörperte. Wie gesagt, die genannten Rollen sind alle etwas größer und dazu gehören eben auch etwas längere Textpassagen – also auch Dialoge. Dialoge, in denen man leider in diesem Film immer wieder spürt, dass die Darstellerinnen und Darsteller am Set in unterschiedlichen Sprachen miteinander agiert haben. Einer Reihe von Dialogen fehlt die Dynamik eines echten Dialogs, die Pausen sind zu lang. Woran das liegt? Zu oft stehen die Darstellerinnen und Darsteller zusammen im Bild, sodass immer wieder kurze Pausen entstehen, die den Dialogen etwas Künstlichkeit verleihen. Andere Filme umgehen dieses Problem dadurch, dass es mehr Einstellungen gibt, die nur Person A und nur Person B in der Dialogsituation zeigen, sodass die Montage später eine flüssige Dialogsituation erschafft.

Postskriptum 2: Horst Lichter ist in einer Gastrolle als Butler zu sehen und was soll man sagen? Also, wenn er mal keine Lust mehr auf «Bares für Rares» oder seine Küche hat, eine alternative Beschäftigung braucht er auf jeden Fall nicht lange suchen.

Am Sonntag, 24. September 2023, 20.15 Uhr im ZDF