InterviewEmin Alper: ‚«Burning Days» ist sehr türkisch‘

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Das Drama um einen jungen Staatsanwalt, der gegen die Korruption kämpft, feiert Ende September in Deutschland Premiere.

Hallo Herr Alper! «Burning Days» kommt jetzt auch in die deutschen Kinos. Freuen Sie sich, dass es auch hierzulande mit dem Kinostart geklappt hat?
Ja, natürlich. Alle meine bisherigen Filme sind in Deutschland angelaufen und ich war mit den Reaktionen sehr zufrieden. Jetzt kommt «Burning Days» endlich in den deutschen Verleih und ich freue mich sehr darauf.

Der Film wurde im Mai 2022 bei den Filmfestspielen in Cannes uraufgeführt und kommt ein halbes Jahr später in die türkischen Kinos. Werden Sie ungeduldig, wenn so viele Monate zwischen Fertigstellung und Kinostart liegen?
Eigentlich nicht. Denn solche Verschiebungen sind in der Filmbranche normal. Cannes ist im Frühjahr, und normalerweise kommt ein Film nicht im Sommer in die Kinos. Also muss man bis zum Herbst warten. Und normalerweise macht man eine türkische Premiere, was wir beim Antalya Film Festival gemacht haben. Nach all diesen Schritten haben wir also im Dezember mit der Veröffentlichung begonnen. Im letzten Monat wurde ich ein bisschen ungeduldig.

Worum geht es in «Burning Days»?
Um Korruption, Populismus und Homophobie. Ein junger, idealistischer Staatsanwalt kommt in eine Stadt und gerät wegen des Problems der Wasserknappheit in Konflikt mit der lokalen Elite. Während er gegen sie kämpft, wird er in ein schwerwiegendes Problem hineingezogen. Am Ende fühlt er sich zunehmend isoliert und verletzlich in einer feindlichen Umgebung.

Sie erzählen von der Übernutzung des Grundwassers, von Korruption und gefälschten Gutachten. Warum spielt die Geschichte in einer türkischen Kleinstadt? Sie könnte auch mitten in Deutschland spielen.
Weil ich in der Türkei lebe und mein Land am besten kenne. Die Geschichte ist für mich in gewisser Weise sehr türkisch, weil sie von meinen jüngsten Erfahrungen mit der türkischen Politik inspiriert ist. Diese kleine Stadt ist eine Art Mikrokosmos der Türkei, mit den korrupten und zügellosen Politikern, der lynchbereiten Massenpsychologie, der von Politikern geschürten Homophobie, den kurzsichtigen Wählern, die nur an ihre kurzfristigen Interessen denken. Andererseits glaube ich, dass diese Geschichte universellen Wert hat. Autoritärer Populismus ist überall auf dem Vormarsch. Korruption und Homophobie sind allgegenwärtig. Deshalb ist es für mich sehr wichtig zu hören, dass das auch in Deutschland passieren kann.

Die Kommunalwahlen stehen vor der Tür und Emre (Selahattin Pasali) stellt fest, dass jeder die Wahrheit für sich interpretiert. Sind das schon Fake News?
Ja. Der Einzige, der sich wirklich für die Wahrheit interessiert, ist Emre. Die Stadtbewohner interessiert nicht wirklich, was wirklich passiert ist. Sie sind bereit, das zu glauben, was die politischen Führer, die sie wählen, sagen. Und schließlich ist die offizielle Version der Wahrheit im Film eine Erfindung der Machthaber. Wir leben im Zeitalter des Populismus, und das beste Futter für Populisten sind Fake News. Sie sehen Politik als die Kunst der Manipulation und nutzen Fake News, um Menschen zu manipulieren.

Sie fangen nicht gerade zimperlich an, sondern zeigen, wie man ein Wildschwein erlegt. Warum haben Sie das getan?
Es ist nur ein Vorbote dessen, was in der Stadt passieren wird. Die erste Gewalttat, die Emre schockiert, und eigentlich der Beginn der ersten Spannungen zwischen ihm und den Einheimischen. Und die Jagdszene ist wichtig, weil der Film mit ihr beginnt und endet.

Sie haben beim Antalya Golden Orange Film Festival zahlreiche Preise gewonnen. Özcan Vardar und Eytan Ipeker erhielten den Europäischen Filmpreis für den Schnitt. Sind Sie stolz auf Ihre Arbeit?
Stolz ist nicht das richtige Wort. Wir Filmemacher kämpfen im Allgemeinen mit unseren Werken und mit uns selbst. Ich war mit meinen Filmen am Ende nie ganz zufrieden. Aber wenn man Lob bekommt, freut man sich natürlich. Und man denkt dann so: Wir haben so viel gelitten, um diesen Film zu machen, und wir haben so viele Preise bekommen, also lasst uns das genießen. Aber man weiß, dass dieses Gefühl nur vorübergehend ist. Das nächste Projekt beginnt mit den eigenen Sorgen.

Neben der Kinoauswertung sind auch Verträge mit Streaming-Anbietern wichtig. Konnten Sie bereits Verträge abschließen?
Wir haben einen Vertrag mit dem türkischen Netflix. Aber der ist auf der Türkei begrenzt. Da der Film eine Koproduktion ist und wir fünf Koproduzenten haben, muss jeder Koproduzent in seinem eigenen Land einen Vertrag abschließen.

Sie haben nicht nur Regie geführt, sondern auch das Drehbuch geschrieben. Warum haben Sie sich für diese Doppelbelastung entschieden?
Diese beiden Aufgaben sind für mich untrennbar miteinander verbunden. In erster Linie sehe ich mich als Schriftsteller. Und dann, um die Geschichte, die ich geschrieben habe, umzusetzen, ziehe ich die Jacke des Regisseurs an. Ich habe nur bei zwei Serien Regie geführt, die ich nicht geschrieben habe. Alle meine vier Filme habe ich geschrieben. Ich bin also ein Autor-Regisseur.

Nach dem Film ist vor dem Film: An welchem Projekt arbeiten Sie gerade?
Ich arbeite an zwei Projekten. Ich habe mich noch nicht entschieden, welcher zuerst dran kommt.

«Burning Days» läuft am 28. September im Kino.