Ein Mann wird in ein Krankenhaus irgendwo im australischen Outback eingeliefert. Sein Gedächtnis ist ausgelöscht, er hat nicht den Hauch einer Ahnung, wer er ist oder was er in Australien verloren hat. Tatsache ist allerdings, irgendjemand will ihn aus dem Weg räumen.
«The Tourist – Duell im Outback» ist verdammt clever geschrieben. Die erste Episode zieht sich etwas. Da ist der Fremde ohne Namen, da stehen die Fragen nach seinem Unfall im Raum (von dem das Publikum, diesen Wissensvorsprung gewähren die Autoren den Zuschauern, weiß, dass es kein normaler Unfall gewesen ist), aber wirklich viel passiert nicht. Die Episode nimmt sich Zeit, um die Polizistin Helen Chambers etwas ausführlicher vorzustellen. Helen ist übergewichtig und ein ziemlich unsicherer Typus von Mensch. Bei der Polizei setzt man sie nur für Hiwi-Aufgaben ein, ihr Verlobter bevormundet sie. Helen ist nicht gerade das, was man eine Heldin nennen würde. Durch die sehr ausführliche Einführung ihrer Person steht allerdings von Anfang an fest, dass ihre Rolle wohl etwas größer ausfallen wird – es ist demnach auch keine Überraschung, dass sie im Verlauf der Serie über sich hinauswachsen wird. Vor allem aber stellt die von der australischen Schauspielerin Danielle Macdonald verkörperte Figur einen angenehmen Gegenpol zu Chief Constable Lachlan Roges (Damon Herriman) dar, der nach der Explosion im Diner die Suche nach dem Mann ohne Namen aufnimmt und mal überheblich und mal arrogant agiert. Allerdings beherrscht dieser Polizist seinen Job, wenngleich die Entscheidungen, die er trifft, oftmals irritieren. Warum das so ist?
In Großbritannien war die Serie der Hit des Frühjahrs sowohl während seiner linearen Ausstrahlung um die Jahreswende als auch bei der Veröffentlichung im BBC-iPlayer (im ersten Quartal des Jahres war sie dort die Nummer 1 aller Fiction-Formate). Nach einigem Hickhack bezüglich einer möglichen zweiten Staffel wird diese wohl nun tatsächlich in Produktion gehen. Diesbezüglich sei an dieser Stelle ein Spoiler – oder eine Entwarnung? - erlaubt. Die BBC ist dafür berühmt-berüchtigt auch Serien nicht fortzusetzen, die erfolgreich im Programm gelaufen sind. Niemand außerhalb der BBC versteht die Kriterien, nach denen Fortsetzungen- und Nicht-Fortsetzungen wirklich entschieden werden. Es ist eines der großen Mysterien der televisionären Gegenwart. Dessen sind sich offenbar auch die Brüder Williams bewusst gewesen, weshalb sie ein Ende für diese sechs Episoden kreiert haben, mit dem sie die Serie auch hätten beschließen können. Innerhalb ihres Erzählkosmos kommt die Serie zu einer Auflösung. Kunstvoll werden alle relevanten Handlungsstränge nach und nach zusammengeführt, bis zum Showdown. Was bleibt, das sind einige Fragen, die man als Hintertürchen bezeichnen könnte, die die Autoren für eine etwaige Fortsetzung offengelassen haben. Aber, um dies noch einmal zu betonen: Auch mit der Auflösung am Ende dieser sechs Episoden lässt es sich gut leben.
Eine Frage, die sich allerdings nicht beantworten lässt: Warum hat das ZDF in diese Produktion eigentlich Geld investiert? Gut, am internationalen Lizenzverkauf dürfte ZDF Enterprises sicher ein paar Euro verdienen. Wenn es nur ums Geld geht, hat man in Mainz alles richtig gemacht. Sich selbst hat man die Rechte für den deutschen Markt gesichert, international gibt es Lizenzgebühren. Schlecht wäre es allerdings auch nicht, wenn deutsche Fernsehmacher an einer solchen Serie mitarbeiten würden, und sei es in Assistenz. Ein Problem des deutschen Serienfernsehens besteht darin, dass man hierzulande das Goldene Zeitalter weitestgehend verschlafen hat und lieber die dreihundertachtundsechzigste «Soko» ins Rennen schickt als sich wirklich etwas zu wagen. Sicher, es gibt «Dark», es gibt «Das Boot», «Babylon Berlin» und zwei, drei weitere Hochglanzproduktionen. Es könnte jedoch noch viel, viel mehr geben, würden deutsche Serienmacher die Chance bekommen, an hochklassigen Produktionen mitzuarbeiten – allein schon des Lernens wegen. Es gibt mit Sicherheit einige Serienmacher, die in der ersten Liga mitspielen, warum aber sollte diese Zahl nicht weiter ansteigen? Nachdem das ZDF den Skandinaviern schon geholfen hat, deren Thriller getriebenes Serienfernsehen aufzubauen, ohne letztlich davon selbst auf der Seite des Kreativen zu profitieren, kommt mit «The Tourist» nun das ganz große Erzählfernsehen mit deutschem Geld des Weges, nur fehlt es an den Machern hinter der Kamera, die sich im Outback ihre Sporen hätten verdienen können. Schade.