Das Format vereint Home & Garden TV mit einer großen Prise Sex. Dabei geht es aber nicht nur um das lüsterne Spiel im Schlafzimmer, sondern die Entfachung der sexuellen Begierde.
Dem Reality-Fernsehen lässt sich in den vergangenen Jahren eine deutliche Entwicklung hin zu mehr Extremen zuschreiben, was sich an den Mobbing-Skandalen vom «Sommerhaus der Stars» oder homophoben Äußerungen bei «Promis unter Palmen». Reality-Fernsehen lebt vom Krawall der Protagonisten und macht damit Quote. Lauwarme Neustarts wie «Club der guten Laune», das mit einer positiven Grundstimmung überzeugen sollte, konnte die Erwartungen daher wenig überraschend nicht erfüllen. Und auch das Thema Sex ist omnipräsent in dieser TV-Farbe. Formate wie «Temptation Island» bei RTL+ spielen mit den Reizen der Mitwirkenden, Ziel ist es aber nicht die Paare beim Kopulieren zu filmen, sondern das sexuelle Verlangen in die Höhe zu treiben. Auch Netflix bedient dieses Konzept mit dem Format «Too Hot To Handle», in dem Sex ausdrücklich verboten ist.
Sicherlich, das Paar, das sich für eine Renovierung beworben hat, wusste, was es erwartet, dennoch spiegelt sich die Überforderung des Publikums im Anblick Roses offener Direktheit in Taylors und Ajays Gesicht wider. Erst dann beginnt die Show zu erklären, was man eigentlich vorhat. Anders als das Wort „Sex-Zimmer“ möglicherweise suggerieren mag, geht es dabei nicht um „schmutzige oder schäbige“ Einrichtungen, sondern können alles sein, von einem „prächtigen Schlafzimmer bis hin zu einem Verlies unter der Treppe“, wie Rose erklärt.
Besonders prüde sollte man beim Zuschauen allerdings nicht sein, denn «How To Build a Sex Room» verlässt recht schnell die Pfade des Blümchensex und stellt verschiedene Kink-Praktiken vor. Kink ist ein Überbegriff, der alle alternativen sexuellen Interessen umfasst, während ein Fetisch – dieses Wort spart die Sendung explizit aus – eine Voraussetzung für sexuelle Erregung ist. Dennoch steht die Entdeckung der Lust im Vordergrund, denn Rose versucht den Paaren neben den bereits ansprechend empfundenen Praktiken auch immer einen Schubs ein wenig weiter auf dem Pfad der sexuellen Erwachung zu geben. So nimmt sie die Paare zu verschiedenen Trainings bei einer Domina oder bringt ihnen das Bondage-Spiel mit Seilen bei. Das stößt zwar nicht immer auf hundertprozentige Gegenliebe, was von der Designerin bei ihrem Entwurf aber auch akzeptiert und respektiert wird. Sex-Positivity – also die Einstellung, einvernehmliche menschliche Sexualität als grundlegend gesund und angenehm zu betrachten und diese Grundeinstellung zu fördern – ist die Grundlage dieser Netflix-Sendung.
Durch die besondere Episodenstruktur lässt sich die achtteilige Serie – für ein Factual-Format – ungewöhnlich schnell hintereinander bingen. Das mag zwar etwas nervig werden, wenn pro Folge zwei Räume parallel gebaut werden, am Ende aber immer nur einer enthüllt wird, doch lässt es das Publikum aber eben auch dranbleiben. Bei HGTV-Sendungen kann man nach einer Folge abschalten, ohne das Gefühl zu bekommen etwas verpasst zu haben. Auch die Produktion ist im gewohnten Netflix-Stil gehalten und erinnert in der Aufmachung stark an die Hit-Reihe «Selling Sunset». Auch bei «How To Build a Sex Room» bringt Melanie Rose als Protagonistin ihren eigenen Charakter in die Show ein. Ihre neckischen Spielereien mit dem Bauunternehmer Mike werden immer wieder durch Schnitte mit elektronischer Tanzmusik mit erotisch angehauchten Texten unterbrochen. Rose und die Paare begleiten die Szenen zudem aus dem Off, wobei sie dabei nicht vor einem Greenscreen sitzen, sondern auf einer ansprechend und für jedes Paar zutreffend dekorierten Couch Platz nehmen und die Entwicklungen kommentieren. Der Zuschauer bekommt dabei aber immer nur Versatz-Stücke der umgebauten Zimmer zu Gesicht, im Vordergrund steht tatsächlich die Reise der Paare auf ihrem Weg zu einer befreiten Lust und ihren tiefsten Fantasien.