Hintergrund«Panorama» & Co: Das Erste setzt Zeichen

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In den vergangenen Monaten mehrten sich die Reportagen in der Primetime, die sich mit gesellschaftspolitischen Themen kritisch, aber ausgewogen, auseinandersetzten. Die Redaktion von Quotenmeter hat zugesehen.

Mit seinen Magazinen am späten Abend hat Das Erste vor vielen Jahren ein Aushängeschild geschaffen, das weder das ZDF noch die Privatsender wie RTL kopieren konnten. Bereits um 21.45 Uhr geht man drei Mal die Woche auf Sendung. Die junge Programmchefin Christine Strobl, ihres Zeichens ältestes Kind von Wolfgang Schäuble, zieht seit 1. Mai 2021 die Strippen. Sie versuchte zwar das Angebot zu straffen und mehr Dokumentationen ins Programm zu hieven, doch die Redaktionen haben sich zuletzt stark gewehrt.

Es blieb ein Kompromiss: Die Redaktionen hinter «Fakt», «Report München» & Co. widmen sich des Öfteren monothematischen Sendungen. Dabei gibt es mehrere Formen der Auswertung. Anfang September machte die «Panorama»-Redaktion einen Film über Mohamedou Ould Slahi, einem früheren Insassen des berühmt-berüchtigten Guantanamo-Gefängnisses, der via Livechat auf seine ehemaligen Peiniger traf. Der Film „Slahi und seine Folterer“ wurde wenige Tage später noch einmal in einer ausführlichen Form am Montagabend gezeigt.

Eva-Maria Lemke hatte Anfang November vor der Kamera weniger zu tun. Denn: «Kontraste» beschäftigte sich in einem bemerkenswerten Film „Wie Verschwörungsideologien Hass säen“. In diesem Beitrag wurden Menschen wie Petra S. und Uwe F. begleitet, die tatsächlich an einen Tod durch die Corona-Impfung glauben. Zwar beschäftigte sich die rbb-Redaktion bei diesem Beitrag nicht mit wirklichen Skeptikern, sondern mit Menschen, die sich mit dem Thema Corona eine Welt der Verschwörungstheorien aufgebaut haben. Die Politwissenschaftlerin Katharina Nocun wurde zitiert: "Es ist naiv anzunehmen, dass man bei jemandem, der eine sehr starke verschwörungsideologische Überzeugung hat, dass da ein einfacher Faktencheck ausreicht, um denjenigen zu überzeugen, dass er falsch liegt.“

Doch nicht nur die monothematischen Inhalte schärften das Bild der Politmagazine. Seit der US-Präsident Donald Trump nicht mehr im Amt ist und Joe Biden weitaus leisere Töne anschlägt, wirft man einen Blick auf andere Themen. Wie beispielsweise das Verhalten der deutschen Ausländerbehörde nach dem Afghanistan-Abzug. Hier hat man Kontakt mit Amir aufgebaut, der durch seine Heirat faktisch ein Bleiberecht hat. Doch ihm droht die Abschiebung. Die zuständige Behörde schlug ihm vor, er solle zunächst aus Deutschland ausreisen, ein neues Visumverfahren durchlaufen und dann wieder einreisen.

http://www.quotenmeter.de/pics/ard/panorama/panorama_2020_02.jpgErst vor wenigen Tagen machte «Panorama» deutlich, was schon lange in der Welt der Politiker nicht existiert: Die Warteschlange für die Corona-Schutzimpfung. Obwohl es offensichtlich war, dass nach der Impffreigabe für die 12- bis 17-Jährigen sowie bald für die Fünf- bis Elfjährigen weiter die Impfzentren benötigt werden, schloss man beispielsweise diese Großaufgebote. Die Autoren fuhren unter anderem nach Israel und besuchten die Klinik, die Ronni Gamzu in Tel Aviv leitete. Für ihn war es nicht verständlich, warum Deutschland nicht ebenfalls sofort mit dem Boostern angefangen habe.

Während «Panorama» auch jüngst zeigte, wie der Bekleidungskrise Nike illegal zurückgeschickte Neuware zerstöre und sich somit rechtswidrig verhalte, punktete «plusminus» mit einer Geschichte, wie der Staat Häftlinge ausnehme. Zwar müssen Verurteilte hinter den schwedischen Gardienen arbeiten, doch die Differenz zwischen Mindestlohn und Häftlingslohn von knapp zwei Euro stecken die Gefängnisse ein. Auch der Preiswirrwarr um das Laden von Elektroautos war vor wenigen Wochen ein Thema.

In den vergangenen Monaten haben die Redaktionen eine durchaus bessere Informationspolitik betrieben als vor einem Jahr. Nachdem es Anfang des Jahres – unter anderem Kritik von den überregionalen Tageszeitungen gab – hat Das Erste sich wieder auf seine Stärken konzentriert. Die Beiträge sind differenzierter, kreativer und sind am Puls der Zeit. Das wünscht man sich und kann auch gerne von den privaten Fernsehanstalten kopiert werden.

Was auch bleibt: Strobl ist die Tochter des - auf Papier - zweitmächtigsten Menschen in Deutschland. Durchaus nachvollziehbar, dass viele den Eindruck bekommen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk staatlich gelenkt ist.