InterviewUwe Lübbermann: ‚Der freie Zugang hilft dem Verkauf‘

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Der Manager und Berater zieht ein positives Feedback, dass er sein Sachbuch auch kostenfrei per PDF anbietet. Kann das den Markt verändern?

Worum geht es in Ihrem Buch „Wirtschaft hacken?“
Das Buch soll Menschen einladen und ermutigen, einmal ganz anders an Wirtschaft und Menschen heranzugehen als es üblicherweise gelebt wird. Konkurrenz, Wachstum, Gewinne, Anweisungen, Verträge, Druck - das muss alles nicht immer sein, und ist aus meiner Sicht auch unnormal. Es geht anders, und oft geht es anders besser.

Sie schreiben dort auch, dass Ihr Verlag, Büchner, auch die kostenfreie Verbreitung via e-Book unterstützte. Welches Fazit können Sie nun daraus ziehen?
Der Zugang zu Wissen und Erfahrungen sollte möglichst kostenlos sein, denn nicht alle Menschen können sich Bücher oder Zugänge leisten. Wer Wissen und Erfahrungen teilt, hat auch nicht weniger davon; andere haben dann mehr, und teilen oft ihrerseits, sodass alle mehr haben. Natürlich entstehen für die Erstellung des gedruckten Buches und auch des PDFs Kosten, aber das gedruckte Buch kann das PDF mittragen, wenn es einmal erstellt ist. Dazu ist mit dem Verlag grob mündlich vereinbart, dass ich Geld besorge, falls sich das Buch sehr schlecht verkauft, und dass ich evtl. etwas abbekomme, wenn sich das Buch sehr gut verkauft. So kann man es auch machen, statt feste schriftliche Vereinbarungen abzuschließen.

Es kommt nun regelmäßig das Feedback, dass Menschen das kostenlose PDF gelesen und dann ein gedrucktes Exemplar gekauft oder verschenkt haben.

Der freie Zugang zum PDF hilft also dem Verkauf des Buches, und das haben der Verlag und ich auch so erwartet bzw. erhofft. Toll, dass es so klappt!

Zu Beginn der Corona-Krise verlängerten Konzerne oftmals ihr Zahlungsziel einseitig von ein auf bis zu drei Monate. Angesichts von Krisenzeiten war dies doch kein erfreuliches Zeichen, oder?
Konzerne machen zahlenmäßig nur 0,5 % der Unternehmen in Deutschland aus, und beschäftigen nur ein Drittel der Lohnarbeitenden. Trotzdem sind Konzerne medial und in der Politik sehr präsent, einfach weil sie laut sind und sich viel herausnehmen. Der weitaus größte Teil der Unternehmen in Deutschland sind aber KMU, also kleine und mittlere Unternehmen. Auf die müssen wir unseren Fokus richten.

Konzerne haben ihren Partner_innen in der Krise erlaubt, sie später zu bezahlen? Toll! Oder haben Konzerne in der Krise ihre Partner_innen einfach später bezahlt? Das wäre (wenn die Mittel vorhanden waren) sehr unsolidarisch, und ich hoffe, ihre Partner_innen merken sich das und ziehen daraus Konsequenzen. Wir brauchen auch staatliche Eingriffe in Konzerne, die Staatshilfen bekommen und Dividenden ausgeschüttet haben.

Sie kamen beispielsweise auf die Idee, für kleine Firmen einen Antimengenrabatt anzubieten, damit sich die Abnahme rechnete. Windige Kollegen nutzten diese Praxis aus. Wie geht man mit solchen Geschäftspartnern um?
Man redet mit diesen Partner_innen, und überzeugt sie, sich wieder in ein solidarisches Modell einzureihen. Das dauert manchmal lange, aber es funktioniert fast immer. Falls nicht, können wir die Zusammenarbeit auch einstellen. In einem Extremfall mussten wir das ankündigen, aber nicht umsetzen.

Obwohl Sie der Meinung sind, man müsse viele Entscheidungen im Team fällen, kann man einfache Dinge nicht zu Tode diskutieren. Welche Erfahrungen machten Sie?
Wir müssen nicht alles mit allen zu Tode diskutieren, sondern nur mit denen, die von einer Entscheidung betroffen sind und die mitdiskutieren wollen. Das sind je nach Thema nicht viele Menschen, also geht das in der Praxis meist gut. Unser Problem ist nicht, zu Entscheidungen zu kommen, sondern diese auch umzusetzen. Wenn wir niemanden haben wollen, der anderen Anweisungen geben kann, dann haben wir eben niemanden, der anderen Anweisungen geben kann 😊. Trotzdem müssen wir natürlich einen stabilen Betrieb gewährleisten. Unser Betrieb wird im November 20 Jahre alt. Es geht also.

Sie engagierten sich aufgrund der guten Zusammenarbeit mit den Kollegen vom Fusion Festival. Muss man, um Probleme zu lösen, einfach miteinander sprechen?
Meine Erfahrung aus über 50 Organisationen verschiedenster Art und Größe, die ich begleiten durfte: die größten Verbesserungspotenziale liegen oft im besseren Austausch zwischen den Betroffenen (nicht nur: den Mitarbeitenden) von Organisationen. Sobald man zusammen an etwas arbeitet, macht die Aufteilung in intern und extern keinen Sinn mehr.

Haben Sie schon einmal Unternehmen ohne festes Honorar beraten? Warum machen Sie das?
Mein Honorar ist immer das, was die einladende Seite "fair und leistbar" findet. Die Bandbreite reicht von minus 200 (ich musste die Fahrtkosten und Übernachtung selber tragen) bis plus 25 Tsd. Euro für mehrere Tage Begleitung bei einem Finanz Dienstleister. Alle Honorare landen in einem Kollektiv-Topf, aus dem wir alle Beratenden zum Einheitslohn bezahlen, auch mich. Warum mache ich das so? Ganz einfach, ich will die Reichweite für ein anderes und menschlicheres Wirtschaften maximieren, nicht meinen persönlichen Gewinn.

Wie sind Sie eigentlich durch die Corona-Pandemie gekommen?
Wir hatten 95 Prozent Umsatzwegfall, was für die meisten Unternehmen ein Todesurteil wäre. Ich habe den Kurs vorgeschlagen "klein machen, groß machen, niemanden hängen lassen", d.h. eine Umverteilung von Ressourcen in der Gemeinschaft unserer Partner_innen, so, wie die es in ihrer Lage jeweils konnten und selbst entschieden haben. Das musste ich dann "nur" etwas dirigieren, und durch das Zusammenspiel von beidem (glaube ich, also: durch den richtigen Kurs und durch eine starke Gemeinschaft) sind nicht nur wir noch da, wir haben auch einige andere vor der Insolvenz bewahrt und die Gemeinschaft nochmals gestärkt.

Mussten Sie und Ihr Cola-Werk eigentlich staatliche Hilfen annehmen?
Ja. Das letzte Jahr haben wir mit der oben beschriebenen Umverteilung überstanden, dieses Jahr leben wir bisher von Staatshilfen. Mir schmeckt das einerseits nicht, andererseits können wir nichts für die Pandemie und das aus meiner Sicht schlechte Management, also muss der Staat handeln und in Not geratene Unternehmen unterstützen. Das ist die große Gemeinschaft, in der wir noch viel mehr Solidarität und Umverteilung brauchen: von denen, die (Zuviel) haben, zu denen, die es brauchen.

Dabei müssen wir auch zukünftige Generationen bedenken und diesen einen Planeten hinterlassen, der nicht gefährlich überhitzt wird. Es gibt viel zu tun, packen wir es an - und gehen im Herbst für Kilmaschutz wählen!

Vielen Dank für das Gespräch.