Debatte‚Bitte lassen Sie sich impfen‘

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Das «ARD extra» am Dienstag war ziemlich überflüssig. Hauptsächlich wollte der rbb den Zuschauern vermitteln, dass eine Impfung wichtig sei. Statt eine informative Sendung zu bauen, wurde einmal mehr mit Angst gespielt.

Deutschland. Das Erste. 20.15 Uhr. Nach über einem Monat setzt die blaue Eins wieder einmal auf ein «ARD extra», das dieses Mal der Rundfunk Berlin-Brandenburg leitet. Als Moderator dient «Mittagsmagazin»-Mann Sascha Hingst. Dass die Sendung nicht von ARD aktuell aus Hamburg geleitet wird, ist offensichtlich.

Nachrichtenmann Hingst weißt eben nicht darauf hin, dass sich Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) bei der Ministerpräsidentenkonferenz gegen Markus Söder (CSU) durchsetzen konnte. Der gebürtige Nürnberger wollte die getesteten Bürger eigentlich ab Oktober zu Bürgern zweiter Klasse machen – damit die Zahl der Impfwilligen ansteigt. Eine Impfpflicht durch die Hintertür, titelten schon seit einigen Tagen die deutschen überregionalen Blätter.

Doch anstelle von «Die Kanzlei», die am Dienstag 15 Minuten später auf Sendung ging, wollte man weiterhin „menscheln“. Statt harte Fakten eröffnete der Rundfunk Berlin-Brandenburg die Sendung mit einem Vor-Ort-Bericht aus dem Gesundheitsamt Neumünster. Gunther Alfes erzählt aus den verschiedenen Situationen der Familien, die schwierige Bürokratie und klagt über die fehlenden Mitarbeiter, weil die Bundeswehr nicht mehr vor Ort aushilft. „Beim Gesundheitsamt in Neumünster werten sie die steigenden Zahlen als ein klares Signal, dass sich die Menschen impfen lassen sollten“, urteilt der Sprecher – obwohl der Gesundheitsamt-Leiter die Lage eigentlich als akzeptabel einstufte.

Hingst eröffnet den zweiten Film mit einer Drohung von Markus Söder, die „vierte Werte schleiche sich gerade an“. Er verwies darauf, die Delta-Variante könnte wieder zu schlimmen Situationen führen. Nicht jeder könne sich impfen lassen, weshalb Das Erste weiter „menschelt“. Im Vordergrund steht nun der achtjährige Gustav, dessen Mutter ihren Job aufgab, um für den Drittklässler zu sorgen. Der Beitrag macht deutlich: Das Kind hatte Krebs, eine Stammzellentransplantation und ein schwaches Immunsystem. „Jeder Spielplatzbesuch ist eine Zitterpartie“, teilte die Sprecherin mit und damit ist gemeint, dass sich Gustav über Spielkameraden mit Corona anstecken könnte.

Der Rundfunk Berlin-Brandenburg ist sich sicher: „Mit Richtung Herbst muss Christine [Die Mutter von Gustav, Anmerkung der Redaktion] noch vorsichtiger werden“ und verweist damit auf die kommende Welle. Spätestens hier wird klar, dass der Sender den Weg der Fakten verlassen hat. Der Anstieg in den kommenden Wochen, obwohl fast drei von vier Personen ab 18 Jahren geimpft sind und Schnelltests zur Verfügung stehen, sei gefährlicher als die Lage von vor einem Jahr. Ohne Schnelltest. Ohne Impfungen.

Man wird den Eindruck nicht los, dass «ARD Aktuell» handwerklich wenig mit Journalismus zu tun habe. Stattdessen fährt der Rundfunk Berlin-Brandenburg den Kurs einiger Politiker und versucht weiterhin mit Angst vor den Konsequenzen die Menschen zum Impfen zu bewegen. In den vergangenen 18 Monaten sind um die 200 Menschen unter 35-Jahren an Corona verstorben. Das mag bedauerlich sein, es ist aber in einer Volkswirtschaft wie Deutschland nur eine verschwindet kleine Zahl.

Beim «ARD extra», bei dem natürlich auch über die Gefahren von Long-Covid gesprochen wurde und SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbauch vor der Kamera stand (Ist «Markus Lanz» in der Sommerpause?), hätten die Verantwortlichen auch mit konstruktivem Journalismus arbeiten können. Wieso werden die Infektionszahlen vom Robert-Koch-Institut nicht nach Altersstrukturen aufgefächert, wenn die Vulnerablen gut durchgeimpft sind? Warum hält man weiter starr an einer Sieben-Tages-Inzidenz fest? Lassen sich nicht vor allem die finanziell schlechter gestellten Deutschen weniger testen, wenn sie diesen Test bezahlen müssen?

Fazit: Mit dem «ARD extra: Die Corona-Lage» hat sich Das Erste am Dienstag keinen Gefallen getan. Die Ausgabe vom Rundfunk Berlin-Brandenburg unterstreicht einmal mehr, dass die Sondersendungen in weiten Teilen überflüssig sind – außer sie sollen im August 2021 zum Impfen aufrufen.