Der Titel ist Programm. Das Haus, das die Polizei abriegelt, ist ein einziges Schlachtfeld. Im Wohnzimmer stapeln sich die Leichen, ein Pizzabote hat sich im Badezimmer erhängt, überall klebt Blut. Die Opfer sind, von einer Ausnahme abgesehen, allesamt Mittzwanziger. Es ist Neujahr. Und es ist keine Frage, die vergangene Silvesterfeier wird in die Geschichte eingehen.
Es ist Silvesterabend und es ist Partyzeit. Marek, Anfang 20, Sohn aus wohlhabendem Hause, bittet zur Party. Die Regeln sind klar. Das Erdgeschoss ist Partyzone, die erste Etage tabu. Dafür gibt es Alkohol und Pizza bis zum Abwinken. Und so wird das Ensemble etabliert. Da ist Daniel, ein schüchterner Junge, der an diesem Abend seiner Freundin Andżelika einen Hochzeitsantrag machen möchte. Pawel indes stellt Marek seine neue Freundin vor: Gloria ist 40, geschieden → und es ist keine Frage, dass die allesamt deutlich jüngeren männlichen Partygäste den einen oder anderen verlegenen Blick riskieren, denn Glorias Auftreten würde man gemeinhin nicht als zurückhaltend bezeichnen. Dżordan wiederum träumt von einer Karriere als coolster Rapper Polens, während seine Freundin Anastasia mit seiner Oberflächlichkeit hadert. Einer Oberflächlichkeit, die gespickt ist mit zotigen Witzchen. Anastasia sieht sich derweil eher als Teil des Universums, in dem alles miteinander verknüpft ist.
Man kennt all diese Figuren aus Vorbildern wie dem genannten «American Pie». Regisseur Belcl aber genügt es nicht, nur ein paar Gebrauchs-Charaktere zu erschaffen, mit denen er Spielzeit füllt, bevor er sie spektakulär als Splatterfutter von der Bildbühne fegt. Vielmehr gesteht er jeder seiner Hauptfiguren eine zweite Ebene zu, etwas menschliches, freundliches, trauriges. Er erschafft Charaktere, um die man sich als Publikum Sorgen machen kann. Daniels Unsicherheit etwa rührt daraus, dass er im Grunde ein Außenseiter ist. Ein lieber Kerl, dem wahrscheinlich niemand je etwas Böses angetan hat. Aber eben auch ein Typ, den man schnell übersieht. Ganz anders seine Freundin Andżelika, die durchaus Blicke auf sich zieht, die offen auf Menschen zugeht, die nie in ihre Leben „übersehen“ worden. Wenn Daniel ihr an diesem Abend einen Antrag machen möchte, dann spielt da eben nicht nur Liebe eine Rolle. Im Grunde wird er von der Angst getrieben, Andżelika irgendwann zu verlieren. Dżordan wiederum ist, das ist richtig, ein ziemlich oberflächlicher Typ. Aber er ist dabei auch kein über Kerl. Er ist vielmehr, wie er ist: Etwas simpel gestrickt, nie um einen dummen, zotigen Witz verlegen, aber bei alledem ein Kumpeltyp. Und damit ist er ganz anders als Anastasia, deren „Wir sind eines mit dem Universum“-Gerede man zwar lächerlich finden kann, die aber dadurch auch als Suchende dargestellt wird: Als Suchende nach einer Art von Zuneigung, die ihr Dżordan nicht geben kann?! Regisseur Belcl erschafft sicher keine Charaktere, die man mal eben in ein Shakespeare-Drama umbetten könnte.
Aber er ist eben schlau genug, den Figuren genügend Futter zu verleihen, das sie so, wie sie sind, auch in anderen Filmgenres würden „funktionieren“ lassen. Tatsächlich deutet, wie bereits erwähnt, im ersten Akt nichts darauf hin, dass diese Geschichte in einem Blutbad enden wird. Dieser erste Akt könnte auch in eine harmlose «American Pie»-Komödie führen, in der nach einigen Irrungen und Wirrungen am Ende für die meisten Charaktere ein Happy End stünde. Aber auch die Fortführung als eher dramatische Geschichte wäre durchaus möglich. Beziehungen zerbrechen, ein Jahr beginnt in Traurigkeit (oder als Neuanfang). Das alles ist ziemlich clever durchdacht und im Grunde ist es ein Moment, der dann die Richtung vorgibt. Anastasia schüttet versehentlich ein Getränk auf Filips Kamera. Die steht auf einem Tisch, er selbst ist gerade nicht anwesend. Schnell versucht Anastasia ihr Missgeschick zu verbergen. Sie reinigt die Kamera und bemerkt, als sie das Display säubert, dass sie auf dem letzten Foto zu sehen ist. Neugierig klickt sie sich durchs Filips Fotos und stellt fest, dass sie immer wieder im Fokus steht. Und immer sind es schöne Fotos. Keine wild eingefangenen Schnappschüsse, sondern Momentaufnahmen von höchster Sensibilität. Anastasia ist gerührt. Sie verwickelt Filip in ein Gespräch, sie kommen einander näher, ziehen sich in die (verbotene) erste Etage zurück. Im Büro von Mareks Vater entdeckt Anastasia eine Waffe. Auf der einen Seite Filip, sensibel, fast schüchtern. Auf der anderen Seite die Macht eines Stück Metalls. Sie küsst Filip, der stürzt sich auf sie, auf dem Schreibtisch kommt es zum Akt. Sie trägt noch immer die Waffe in der Hand. Ein Schuss löst sich. Der geht durch die geschlossene Tür und trifft den zufällig des Weges kommenden Marek in den Kopf.
«Meine Freunde sind alle tot» mag hier und da den einen oder anderen zotigen Witz nicht liegenlassen können, Geschmackssicherheit gehört nicht zu seinen ganz großen Stärken. Aber er baut sein Szenario clever auf, bietet einige tolle Hauptfiguren, ist teilweise derart schwarzhumorig, dass selbst britische Humorarbeiter durchaus ein anerkennendes Nicken gen Warschau schicken und – «Meine Freunde sind alle tot» hat Tempo. Ab dem zweiten Akt kennt der Film schlicht keinen Stillstand mehr. Mit dem Bleifuß auf dem Gaspedal jagt die Story durch die Szenerie, ohne auch nur ein einziges Mal auf die Bremse zu treten. Die Absurdität, mit der ein Dominostein nach dem anderen fällt und zum bekannten Ende führt, ist schlichtweg grandios. Sicher, man braucht ein gewisses Faible für Filme dieser Art, um ihn genießen zu können. Wer so etwas genießen kann, bekommt allerdings eine wahrhaft beeindruckende Schlachtplatte vorgesetzt.